Natürlich hatte Mirella sich die ganze Zeit auf ihre Geschichte konzentriert und war noch nicht so weit. Also dachte sie insgeheim noch daran, wie Christian sie verprügelte, malte sich aus, wie er sie übers Knie legte ... mit der Hand ... mit dem Gürtel ... mit einer Peitsche. Sie sah ihn ausholen und hörte es förmlich klatschen, visualisierte, wie er sie festhielt, sah den Hochzeitskuss ... im Blütenregen ... schmeckte ihn ... kam!
Davide klatschte ihr Beifall. Dann verließ er seinen Platz auf dem Bett und kam mit Handschellen zurück. Ehe sie es sich versah, schnappte die linke Schelle ein und er zog Mirella daran bestimmend aus dem Bett. Er führte sie ins Badezimmer, das sehr groß war, mit vielen Spiegeln, weißen Fliesen, einer sand- und goldfarbenen Orchideenborte, sehr edel und nicht nur teuer wirkend.
»Wofür bestrafst du mich, ich hab getan, was du wolltest!«
»Für Christian.«
»Das war doch nur eine Fantasie!«
Er ließ Wasser in die Wanne ein, deutete ihr, sich zu setzen und kettete sie mit beiden Händen an die Armaturen. Dann zündete er alle Kerzen an, die um die Badewanne verteilt waren – und das waren viele. Das bauchige Wachs hatte alle Frühlingsfarben: Limone, Pink, Apfelgrün.
Schließlich ließ er die Jalousien herunter. Es wäre die romantische Szene des Tages schlechthin geworden, wenn sie nicht angekettet gewesen wäre und nicht gewusst hätte, was er mit ihr plante.
»Ich geh schnell zum Supermarkt. Pass auf die Kerzen auf. Wenn ich wieder da bin, bist du hoffentlich sauber und ich kann dich mit ins Bett nehmen.«
Er schloss die Tür hinter sich, drehte den Schlüssel um. Das erinnerte sie an etwas. Etwas, von dem sie gedacht hatte, es überwunden zu haben.
Station A2. Man hatte ihr Haldol verabreicht. Wie schon zweimal zuvor hatte sie mit einem »Stimmritzenkrampf« darauf reagiert, konnte nicht reden und glaubte, qualvoll zu ersticken. Niklas war zufällig von einer anderen Station zu Besuch gewesen und bekam das mit. Er rief in seiner Hilflosigkeit einen Pfleger. Der hätte ihr nur Akineton spritzen müssen – das Gegengift –, aber er ließ sie mit Hilfe von zwei Schwestern fixieren. Was mit dem dabeistehenden Niklas ein fast unmögliches Unterfangen war. Letztlich gab der Pfleger Niklas einen Schlag gegen dessen Kehlkopf, doch Niklas ließ sich das nicht gefallen und boxte ihm ins Gesicht.
Am Ende waren sie beide fixiert, Mirella und Niklas im selben Zimmer. Sie im Bett und er in einem dieser mittelalterlichen Fixierstühle.
»Ich würd dich gern losmachen!«, meinte Niklas und versuchte, sich vom schweren Holz über seinem Schoß zu befreien, was natürlich unmöglich war. Es war wie als Erwachsener in einem Kindersitz gefangen zu sein.
»Ich dich auch«, sagte Mirella wieder zu sich kommend. »Das Ironische ist, eigentlich steh ich auf so was. Ich meine, aufs Fesseln. Aber nicht so, nicht ohne Safeword!«
»Is ja irre. Auf Schläge auch?«
Mirella traute sich nicht, ihm die Wahrheit zu sagen. Aber er hatte ihr Schweigen schon richtig gedeutet.
»Ich würd dich nicht schlagen. Außer, du willst es und dann würd ich es so machen, dass es dir gefällt.«
»Du bist süß!«
Das Wasser wurde langsam kalt und Mirella ließ heißes nach. Die Kerzen brannten noch alle, es waren sehr dicke, große. Über diese Fixierung war sie nur hinweggekommen, weil sie später immer wieder darauf masturbiert hatte. Die Drehung des Schlüssels im Schloss, als man sie beide einsperrte, spielte eine große Rolle dabei. Es war so demütigend gewesen, von Fremden an Händen und Füßen gefesselt worden zu sein. Und dann noch eingeschlossen zu sein, wie ein Tier im Käfig. Es gelang ihr, es zu nutzen und sich daran aufzugeilen. So, wie sich das Pflegepersonal daran aufgeilte, davon war sie überzeugt. Sie versetzte sich in deren Part, dann wieder in ihren. So schaffte sie es, darüber zu triumphieren. Würde ihr das nach heute Vormittag auch gelingen?
Davide war zurück. »Gelati!«, rief er freudig, hatte einen Eisbecher in der Hand. Er fütterte sie damit.
Als sie fertig gegessen hatte, wischte er ihren Mund mit etwas Wasser ab, machte sie daraufhin los und fand wieder seinen Dom-Ton.
»Und jetzt – kräftig blasen!«
Mirella starrte ihn ängstlich an.
»Die Kerzen, Stupida, blas die Kerzen aus!«
Er nahm sie mit ins Bett, doch berührte sie nicht. Mirella erwartete, dass er endlich seine Rechte als ihr Herr geltend machte und sie in Besitz nahm, aber nichts dergleichen geschah. Stattdessen legte er eine Live-DVD von Sade ein und machte es sich im Bett bequem.
»Es war sehr schön, dich so zu erleben. Du machst mich glücklich.« Davide setzte ein zartes Küsschen auf ihre Wange.
Mirella war unglaublich erregt durch diesen kleinen Liebesbeweis. Am liebsten hätte sie sein Paket in Angriff genommen. Aber sie traute sich nicht. Wer weiß, was ihm dann wieder einfiel.
***
»Möchtest du mit mir ins Kino gehen?«, simste Davide.
Sie antwortete nicht gleich, ließ sich bis zum Nachmittag Zeit. »In welchen Film?«
»Der Film ist nicht so wichtig.«
»Ich weiß nicht.«
»Lass dich darauf ein, Sklavin!«
Er hatte es ausgesprochen. Es wäre ihr bedeutend lieber gewesen, er hätte sie »Fiore« genannt. So aber blieb ihr keine andere Wahl als Ja zu sagen. »Und wann?«
»19:30 Uhr, ich hol dich ab. Trag ein Kleidchen, so wie das, als wir beim Arzt waren.«
Jetzt bestimmte er auch noch ihre Kleiderwahl! Aber was beschwerte sie sich, sie hatte es ja so gewollt. Sie stand vom Bett auf und schaute in ihr offenes Regal-System. Das Kleiderfach war das Kleinste. Viel Auswahl gab es da nicht. Vielleicht das schwarze Tüll-Kleidchen mit den Spaghetti-Trägern? Und dazu schwarze High-Heels, die schien er zu mögen. Je höher, desto besser.
Simon sah sie in dem Aufzug. Er pfiff den Playboy-Pfiff. »Gehst du in die Oper?«
»Ins Kino.«
»Mit wem?«
»Meinem