Sie trank den Kiwisaft, fast das ganze Glas in ein paar Zügen.
Er nahm eine Gebäckstange und sagte: »Mund auf.«
Sie gehorchte. »Das sieht sehr sexy aus.«
»Warum nimmst du mich nicht einfach?«
»Ich werde dich nehmen. Ich werde dich so nehmen, wie dich keiner je wieder nehmen wird. Aber du wirst es dir verdienen müssen.«
»Und gestern? Reicht das nicht?«
»Das war ein großer Schritt. Und jetzt auf die Knie, du kommst wieder an die Kette.«
»Nein«, schrie sie fast. »Alles was du willst, nur das nicht.«
»Dann versohl ich dir den Hintern.«
Mirella nahm ihm das Tablett ab und legte sich ihm übers Knie. Heftig schlug er zu, jeder Hieb klatschte laut. Dann griff er in ihr Haar und packte sie fest, sehr fest. Sie sah sich auf dem Boden knien und die Kette, die durch den halben Raum reichte, und seufzte.
»Und jetzt will ich, dass du mich mit dem Mund befriedigst.«
Sie bekam fast einen Orgasmus bei der Ansage.
»Wenn du es gut machst, werde ich dich noch heute Nacht nehmen.« Das war mal eine Motivation.
Er saß auf dem Bett. Sie kniete davor. Immer noch in ihrem Nutten-Outfit. Sie trug auch noch das Halsband. Es war schwarz mit bunten Kristallen, eigentlich schön, aber es war auch das Symbol ihrer Unterwerfung.
Warum tue ich das jetzt, dachte sie, aber er hatte es verlangt, und sie folgte seinen Gesetzen.
Er nahm sein Glied in die Faust und hielt es ihr entgegen. Sie musste den Mund weit aufmachen, sah ihn dabei an, weil sie mal gelesen hatte, Männer würde das schier um den Verstand bringen. Sie versuchte, ihn so weit wie möglich aufzunehmen – wie der Doc gesagt hatte. Seine Haut schmeckte angenehm nach Seife.
»Du machst das fein«, lobte Davide sie, als sei sie sein Hündchen. Wieder mal.
Es war, als lutschte sie an einer Salatgurke. Ebenso befriedigend. Bei Niklas war das anders gewesen, erinnerte sie sich. Nur der Gedanke, ihm einen zu blasen, hatte sie feucht gemacht. Woran lag das, was hatte sich verändert? Dieses Spiel, in der ihr die Rolle der Prostituierten zugeteilt worden war? Er atmete heftiger und stöhnte ab und zu, als hätte er Schmerzen.
Sie wusste nicht, ob sie gleich wirklich schlucken sollte. Aber was erwartete man sonst von einer Sklavin?
Ihr wurde die Entscheidung abgenommen – er spritzte schon in sie, während sie noch abwägte. Er schmeckte salzig und etwas bitter, herb, aber auch süß.
Er nahm ihr Gesicht in beide Hände, seine Honigaugen wässrig von einem Tränenhauch. »Wie eine Marmorblüte, die nie verwelken wird – Come un fiore di marmo, che non appassira mai.«
»Heißt das, du nimmst mich endlich?«
»Bitte darum.«
Was hatte sie denn eben anderes getan? Sie stand auf, nahm einen großen Schluck Tomatensaft und befreite sich von ihrem Halsband. Wütend warf sie ihm das Halsband an den Kopf und schüttete ihm den Tomatensaft ins Gesicht.
***
Simon saß vor dem Fernseher in einem der zwei Strandkörbe, je eine Hand in einer Chips-Tüte.
Mirella sah furchtbar aus, tatsächlich wie eine Nutte, nach einer sehr langen, arbeitsreichen Nacht. Ihre Haare waren zerzaust, ihr Make-up verwischt und die Strümpfe zerrissen.
Sie ging sich den Mund spülen mit dem Aggressivsten, was sie dahatte. Nie zuvor hatte Davide sie so gedemütigt! Weder bei den Schlägen noch beim Knebeln. Nicht mal beim Anketten. Es gefiel ihr nicht, sie würde nicht mehr zu ihm gehen. Nie wieder.
2. Kapitel - Teil 1
Mirella fühlte sich benutzt, völlig erschöpft und verzweifelt. So ging sie unter die Dusche. Zuvor hatte sie die Strümpfe weggeworfen und auch den Rock, er würde sie immer an diese schlimme Nacht erinnern. Sie duschte eine halbe Stunde, wusch sich die Haare, kauerte sich hin, weil sie sich so normalerweise immer schnell erholte, von was auch immer. Aber diesmal hockte sie derart lange im Duschregen, dass Simon anklopfte und fragte, ob alles in Ordnung sei.
Selbst der Gedanke, dass sie wenigstens nicht mit ihm geschlafen hatte, konnte sie nicht trösten. Das, was sie ihm gegeben hatte, war viel gewesen! Nicht mal dem Mann, den sie liebte – Niklas – hatte sie das in diesem Umfang gewährt.
Davide hatte sie und ihre dunkle Seite im Übermaß ausgenutzt. Sie hatte ihre Hände hingehalten, damit er sie mit dem Rohrstock schlagen konnte und hatte sich auf den Bock schnallen und mit Peitsche und Gürtel züchtigen lassen ... Das war in ihren Augen Teil der SM-Ästhetik. Aber das Geschehen gestern war nur schmutzig!
Hoffentlich haut mich das nicht wieder um, dachte sie, als sie in die Küche ging, um sich Kaffee zu kochen.
»Was war das gestern?« Simon kam dazu und klang, als sei er ihr Vater.
»Eine Männerfantasie.«
»Bestimmt nicht meine. Du siehst beschissen aus.«
»Vielen Dank.«
»Hast du Schluss gemacht?«
»Ja, ich denke, so könnte man es nennen.«
Simon atmete auf. »Ich mach dir ein paar Omeletts.«
»Bloß nicht, aber danke.«
»Pralinen?«
»Schon eher.«
»Da ist ein Paket für dich gekommen, als du unter der Dusche warst.«
»Ach, der Bikini.«
»Du willst schwimmen gehen? Ich dachte Schwimmbäder sind alle voller Viren und Bakterien, Seen voller Parasiten? Das sagst du jedenfalls immer.«
»Es gibt noch den Balkon. Und manchmal ist es heiß. Man muss für jeden Fall gerüstet sein.«
»Ich an deiner Stelle würde jetzt nicht mal mehr ’ne Pizza essen.«
»Sei nicht rassistisch. Er war zufällig Italiener. Aber ich liebe Italien. Die Sprache, die Musik, die Mode, das Essen. Italien kann nichts dafür, dass Davide zu weit gegangen ist. Und nicht zu vergessen: Ich bin selber halbe Italienerin und meine Mutter war eine Ganze. Ich werde wie immer Pizza essen und Tiziano hören.«
»Solange du dich dabei nicht anziehst, als wolltest du auf den Strich gehen.«
»Erinnere mich nicht daran!«
»Wie wär’s mal mit Duplo statt Giotto?«
»Du meinst dich. Das hatten wir doch schon!«
»Früher oder später kriegen wir Sie ...!«
»Mit Danone-Joghurt. Uralte Tagline. Dass du die überhaupt kennst, da warst du doch noch nicht mal ein schmutziger Gedanke deiner Eltern!«
***
Mit letzter Kraft schleppte sich Mirella in die Agentur. Ute rümpfte die Nase bei ihrem Anblick. War es so offensichtlich? Sie hatte doch alles abgewaschen. Sich sogar mal geschminkt, ganz dezent wie es ihre Art war und hatte einen geschäftsmäßigen Gerry Weber-Blazer gewählt samt schwarzer Anzughose. Sie sah aus wie perfekt vorbereitet für ein Vorstellungsgespräch in der Chefetage von Mercedes.
»Lange Nacht, was? Hätte ich dir gar nicht zugetraut!«
Ute war eben ein Sex-Detektor. Sie roch ihn förmlich heraus wie ihren Lieblingsduft aus einer ganzen Parfüm-Abteilung. Es war so, als wenn man in Grasse, der Welthauptstadt des Parfums, wäre, umhüllt von diesen breit gefächerten, verschiedenen Duftnuancen, und man trotzdem ein paar flüchtige Spritzer eines längst vom Markt genommenen Produkts an einer Besucherin identifizieren konnte.
»Alex ist heute auch zu spät dran. Das ist doch kein Zufall, oder?«