»Was wollen Sie, Mademoiselle?« sagte René zu Suzanne, als sie eintrat; »es ist nicht Ihr Tag, wir haben heute Madame Lardot keine Wäsche zu schicken.« – .»Dummer Esel!« versetzte Suzanne lachend.
Das hübsche Mädchen stieg hinauf und ließ René seine Schüssel in Milch gekochter Buchweizenfladen weiteressen. Du Bousquier lag noch im Bett und käute seine Glücksprojekte wieder; denn wie allen denen, die die Drängen der Liebesfreude zu sehr ausgedrückt haben, blieb ihm nichts weiter übrig als der Ehrgeiz. Der Ehrgeiz und das Spiel sind unerschöpflich. Auch werden bei einem Mann von gesundem Organismus die Leidenschaften, die dem Gehirn entspringen, stets die Leidenschaften des Herzens überdauern.
»Da bin ich!« sagte Suzanne und setzte sich mit einer so ungestümen Bewegung auf das Bett, dass die Vorhänge an den Stangen knarrten. »Was ist denn, mein Engel?« fragte der alte Junggeselle und setzte sich im Bett auf. »Monsieur«, sagte Suzanne feierlich, »Sie werden erstaunt sein, mich hier zu sehen; aber ich befinde mich in Umständen, die mich nötigen, mich nicht darum zu kümmern, was man darüber redet.« – »Was ist denn los?« fragte Du Bousquier weiter und kreuzte die Arme über der Brust, »Aber verstehen Sie mich denn nicht?« erwiderte Suzanne. »Ich weiß«, fuhr sie fort und zog einen niedlichen Schmollmund, »dass es lächerlich von einem armen Mädchen ist, einem Manne Scherereien zu machen für etwas, was er für Lappalien hält. Aber wenn Sie mich kennen würden, wenn Sie wüssten, wessen ich für den Mann, der mir zugetan wäre, so wie ich ihm zugetan sein würde, fähig wäre, würden Sie es niemals bereuen, mich geheiratet zu haben. Hier freilich würde ich Ihnen nicht viel nützen können; aber wenn wir nach Paris gingen, würden Sie sehen, wohin ich einen Mann von Geist und Fähigkeiten, so wie Sie, zu einer Zeit, wo die Regierung von Grund aus umgewälzt wird und wo die Ausländer die Herren sind, führen könnte! Schließlich, unter uns gesagt, ist denn das, wovon hier die Rede ist, ein Unglück? Ist es nicht vielmehr ein Glück, das Sie sich eines Tages teuer erkaufen würden? Für wen sorgen Sie? Für wen arbeiten Sie?« – »Für mich!« rief Du Bousquier brutal.
»Altes Ungeheuer, Sie werden niemals Vater sein!« rief Suzanne im Ton einer dunklen Prophezeiung.
»Was soll das heißen? Keine Dummheiten, Suzanne; ich glaube noch zu träumen.«
»Aber welchen Beweis brauchen Sie denn?« rief Suzanne und erhob sich.
Du Bousquier schob seine baumwollene Nachtmütze auf seinem Kopf mit einer Energie hin und her, die bewies, dass eine wunderbare Klarheit in seinen Gedanken aufdämmerte. ›Er glaubt es wahrhaftig!‹ sagte Suzanne zu sich selbst, ›und es schmeichelt ihm. Mein Gott, wie leicht doch diese Männer auf alles hereinfallen‹.
»Suzanne, was zum Teufel soll ich tun? Es ist so merkwürdig ... Ich, der ich glaubte ... Es steht nämlich so, dass ... Doch nein, nein, es kann ja nicht sein ...«
»Was, Sie können mich nicht heiraten?« – »Oh, was das angeht, keineswegs! Ich habe Verpflichtungen.« – »So? Gegenüber Mademoiselle Armande oder gegenüber Mademoiselle Cormon, die Ihnen beide schon einen Korb gegeben haben? Hören Sie, Monsieur du Bousquier, meine Ehre hat keine Gendarmen nötig, Sie nach dem Standesamt zu schleppen. Es wird mir nicht an solchen fehlen, die mich heiraten wollen, und ich will keinen Mann, der mich nicht zu schätzen weiß. Eines Tages möchten Sie es bereuen, dass sie sich heute so zeigen, denn nichts in der Welt, kein Gold noch Geld, wird mich dazu bringen, Ihnen Ihr Gut wiederzugeben, wenn Sie es heute ausschlagen.«
»Aber, Suzanne, bist du sicher? ...« – »Aber Monsieur!« brauste das Wäschermädchen, in ihre Tugend gehüllt, auf. »Wofür halten Sie mich? Ich erinnere Sie nicht an die Versprechungen, die Sie mir gemacht haben und die ein armes Mädchen, das sich nichts anderes vorzuwerfen hat, als dass ihr Ehrgeiz so groß ist wie ihre Liebe, ins Verderben gestürzt haben.«
Du Bousquier war von tausend widerstreitenden Gefühlen, der Freude, des Misstrauens, der Berechnung, bestürmt. Er hatte seit langem beschlossen, Mademoiselle Cormon zu heiraten, denn die Charta, auf die er spekulierte, eröffnete seinem Ehrgeiz die glänzende Laufbahn eines Abgeordneten. Seine Heirat mit der alten Jungfer würde ihn bei der Stadt so hoch zu Ansehen bringen, dass er einen großen Einfluss erlangen würde. So stürzte ihn das von der boshaften Suzanne heraufbeschworene Gewitter in große Verwirrung. Ohne jene heimliche Hoffnung hätte er Suzanne ohne weitere Überlegung geheiratet. Er hätte sich offen an die Spitze der liberalen Partei von Alençon gestellt. Nach einer solchen Heirat verzichtete er auf die obere Gesellschaft und fiel in die bürgerliche Klasse der Kaufleute, der reichen Fabrikanten, der Viehmäster zurück, die ihn im Triumph als ihren Kandidaten aufstellen würden. Du Bousquier sah schon im Geiste die Linke. Er verbarg keineswegs dies feierliche innere Zurategehen. Er fuhr sich mit der Hand über den Kopf und ließ seinen unbedeckten Schädel sehen, denn die Mütze war herabgefallen. Wie alle, die über das Ziel hinausgehen und mehr finden, als sie erwartet haben, war Suzanne wie aus den Wolken gefallen. Um ihr Erstaunen zu verbergen, nahm sie die melancholische Pose eines missbrauchten Mädchens vor seinem Verführer an; aber innerlich lachte sie wie ein geriebenes Frauenzimmer, das ein schlaues Spiel gewinnt.
»Mein liebes Kind; ich lasse mich nicht auf solche Aufschneidereien ein!«
Dies war der kurze Satz, mit dem der ehemalige Lieferant seine innere Beratung schloss. Du Bousquier bildete sich etwas darauf ein, zur Schule der kynischen Philosophen zu gehören, die nicht auf die Frauen ›hereinfallen‹ wollen und für die alle derselben ›verdächtigen‹ Klasse angehören. Diese starken Köpfe, die gewöhnlich schwache Männer sind, haben einen Katechismus für den Gebrauch der Frau. Für sie sind alle, von der Königin von Frankreich bis zur Modistin, durchaus leichtfertig, spitzbübisch, mörderisch, sogar ein wenig betrügerisch, von Grund aus lügenhaft und unfähig, anderes als Nichtigkeiten zu denken. Für sie sind die Frauen heimtückische Bajaderen, die man tanzen, lachen und singen lassen muss; sie sehen in ihnen nichts Großes und Heiliges; sie kennen nicht die Poesie der Sinne, nur die grobe Sinnlichkeit. Sie sind wie die Fresser, die die Küche für den Speisesaal halten. Nach diesen Rechtsgrundsätzen erniedrigt die Frau, wenn sie nicht beständig tyrannisiert wird, den Mann zum Sklaven, In dieser Beziehung war Du Bousquier wiederum das Gegenstück des Chevaliers. Indem er seinen Satz aussprach, warf er seine Nachtmütze ans Bettende, ähnlich dem Papst Gregor, der die Kerze umstürzte, während er einen Bannfluch schleuderte, und Suzanne sah nunmehr, dass der alte Junggeselle ein Toupet trug.
»Denken Sie daran, Monsieur du Bousquier«, erwiderte Suzanne majestätisch, »dass es meine Pflicht war, zu Ihnen zu kommen; denken Sie daran, dass es geboten war, Ihnen meine Hand anzubieten und die Ihre zu verlangen; aber denken Sie auch daran, dass ich eine Frau bin, die weiß, was sich schickt, und mir nichts vergeben habe; ich habe mich nicht so weit erniedrigt, zu plärren wie eine dumme Liese, ich habe nicht darauf gedrungen, ich habe Sie keineswegs gequält. Sie kennen jetzt meine Lage! Sie wissen, dass ich in Alençon nicht bleiben kann, meine Mutter wird mich schlagen; Madame Lardot reitet auf ihren Prinzipien herum, als ob sie sie plätten wollte, sie wird mich davonjagen. Was bleibt mir armen Wäscherin anderes übrig, als ins Spital zu gehen? Soll ich betteln gehen? Nein! Lieber werfe ich mich in die Brillante oder in die Sarthe. Ist es denn aber nicht viel einfacher, wenn ich nach Paris gehe? Meine Mutter kann mich unter irgendeinem Vorwand hinschicken: ein Onkel kann mich brauchen, eine Tante kann im Sterben liegen oder eine Dame sich für mich interessieren. Es handelt sich also nur um das nötige Geld für die Reise und alles übrige...«
Diese Mitteilung hatte für Du Bousquier tausendmal mehr Bedeutung als für den Chevalier de Valois, aber er allein und der Chevalier wussten um das Geheimnis, das erst im Laufe dieser Geschichte enthüllt werden wird. Zunächst genügt es, zu sagen, dass die Lüge Suzannes eine so große Verwirrung in den Gedanken des alten Junggesellen hervorbrachte, dass er zu einer ernsthaften Überlegung unfähig war. Ohne diese Benommenheit und einen gewissen heimlichen Stolz – denn jeder Gimpel geht seiner Eigenliebe auf den Leim – hätte er geglaubt, dass ein anständiges Mädchen hundertmal lieber gestorben wäre, ehe es eine solche Auseinandersetzung angeknüpft und Geld von ihm verlangt hätte. Er hätte in dem Blick der Grisette die grausame Gier des Spielers gesehen, der imstande wäre, einen Mord zu begehen, um sich einen Einsatz zu verschaffen.
»Du