»Er hatte«, sagte ein gewisser Monsieur du Bousquier, »derjenigen seine Hand gereicht, die so lange das Eisen für ihn heiß gemacht hat.«
Diese abscheuliche Verleumdung trübte die alten Tage des zarten Edelmannes um so mehr, als ihm dadurch, wie diese Geschichte zeigen wird, eine lang gehegte Hoffnung, der er manches Opfer gebracht hatte, vereitelt wurde. Madame Lardot vermietete an den Chevalier de Valois zwei Zimmer im zweiten Stock ihres Hauses für den mäßigen Preis von hundert Francs im Jahr. Der würdige Edelmann, der alle Tage auswärts speiste, kam nur zum Schlafengehen nach Hause. Seine einzige Ausgabe war daher sein Frühstück, das unabänderlich aus einer Tasse Schokolade bestand, der Butter und Obst, je nach der Jahreszeit, beigegeben waren. Er ließ nur im strengsten Winter heizen und dann auch nur zum Aufstehen. Zwischen elf und vier Uhr ging er spazieren, las die Zeitungen und machte Besuche. Gleich bei seiner Niederlassung in Alençon hatte er seine Armut hochherzig eingestanden und gesagt, dass ihm als einziger Überrest seines ehemaligen Reichtums eine Leibrente von sechshundert Livres geblieben sei, die ihm sein früherer Geschäftsführer, bei dem die Papiere lagen, in vierteljährlichen Raten übermitteln ließ. In der Tat händigte ihm ein Bankier der Stadt alle drei Monate hundertfünfzig Livres aus, die von einem gewissen Bordin in Paris, dem letzten Prokurator des Châtelet, abgeschickt waren. Jeder wusste diese Einzelheiten, dank der tiefen Verschwiegenheit, um die der Chevalier die erste Person, die sein Vertrauen empfing, gebeten hatte. Monsieur de Valois erntete die Früchte seines Missgeschicks: man deckte ihm den Tisch in den ersten Häusern Alençons und lud ihn zu allen Abendgesellschaften ein. Seine Talente als Spieler, Erzähler, liebenswürdiger und guter Gesellschafter waren so geschätzt, dass alles verfehlt schien, wenn er nicht zugegen war. Die Hausherren und die Damen konnten seine gutheißende Kennermiene nicht missen. Wenn der alte Chevalier zu einer jungen Frau auf einem Balle sagte: »Sie sind zum Entzücken gekleidet!«, so beglückte dieses Lob sie mehr als der Neid ihrer Rivalin. Monsieur de Valois war der einzige, der gewisse Wendungen der alten Zeit in der richtigen Weise aussprechen konnte. Die Worte ›mein Herz, mein Juwel, mein liebes Kind, meine Königin‹, alle die verliebten Kosenamen der Jahre um 1770, gewannen in seinem Munde einen unwiderstehlichen Reiz; kurz, er hatte das Vorrecht der Superlative. Seine Komplimente, mit denen er übrigens geizte, verschafften ihm die Gunst der alten Damen; sie schmeichelten aller Welt, selbst den Herren der Verwaltung, die er nicht brauchte. Sein Betragen beim Spiel war von einer Vornehmheit, die man überall anerkannt hatte. Er beklagte sich nie, er lobte seine Gegner, wenn sie verloren; er unternahm niemals, seine Partner zu erziehen, indem er ihnen zeigte, wie sie ihre Trümpfe hätten ausspielen sollen. Wenn sich beim Kartenmischen langatmige, abstoßende Auseinandersetzungen entspannen, zog der Chevalier mit einer Gebärde, die Molés würdig gewesen wäre, seine Tabaksdose hervor, betrachtete die Fürstin Goritza, öffnete würdevoll den Deckel, nahm seine Prise zwischen die Finger, hob sie in die Höhe, rieb sie, formte sie zu Klümpchen; wenn dann die Karten ausgegeben waren, hatte er die Höhlen seiner Nase vollgestopft und die Fürstin, immer zur Linken, in seine Westentasche gesteckt. Nur ein Edelmann des ›guten‹ Zeitalters – im Gegensatz zum ›großen‹ Zeitalter – konnte dieses Mittelding zwischen einem geringschätzigen Stillschweigen und einer boshaften Bemerkung, die nicht verstanden worden wäre, zuwege bringen. Er nahm mit den Stümpern fürlieb und wusste seinen Vorteil aus ihnen zu ziehen. Sein entzückender Gleichmut entlockte vielen die Äußerung: »Ich bewundere den Chevalier de Valois!« Seine Unterhaltung, seine Manieren, alles an ihm schien, wie seine Person, blond zu sein. Er bemühte sich, weder bei Herren noch Damen Anstoß zu erregen. Gleicherweise nachsichtig gegen organische Fehler wie geistige Defekte, hörte er mit Hilfe der Fürstin Goritza geduldig die Leute an, die ihm ihre kleinen Leiden des Provinzlebens vortrugen: das schlecht gekochte Frühstücksei, die sauer gewordene Salme im Kaffee, possierliche Einzelheiten, die die Gesundheit betrafen, das plötzliche Auffahren aus dem Schlaf, die Träume, die Besuche. Der Chevalier verfügte über einen schmachtenden Blick, ein klassisches Mienenspiel, um Mitleid zu fingieren, so dass er ein köstlicher Zuhörer war. Er konnte ein ›Ach!‹, ein ›Was!‹, ein ›Wie ging das zu?‹ im richtigen Moment verblüffend vorbringen. Er starb, ohne dass jemand auf den Verdacht gekommen wäre, dass er, während er diese albernen Ergüsse über sich ergehen ließ, sich die glühendsten Kapitel seines Romans mit der Fürstin Goritza ins Gedächtnis zurückrief. Hat man jemals bedacht, welche Dienste ein erloschenes Gefühl der Gesellschaft leisten kann, in welchem Maße die Liebe der Gesellschaft zugute kommt und ihr nützlich ist? Dies kann zur Erklärung dienen, warum der Chevalier, trotz seiner beständigen Gewinne, der Liebling der Stadt blieb, denn er verließ niemals einen Salon, ohne ungefähr sechs Livres gewonnen zu haben. Dass er verlor, kam sehr selten vor, und dann machte er immer viel Aufhebens davon. Alle, die ihn gekannt haben, gestehen ein, dass sie nirgends, selbst nicht im Ägyptischen Museum in Turin, eine so nette Mumie gesehen hätten. In keinem Lande der Welt nimmt das Schmarotzertum so angenehme Formen an. Nie hat