Louise Otto: Frauenbewegung Essays, Romane, Biografien & Gedichte. Louise Otto. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Louise Otto
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027204908
Скачать книгу
Damals schloß sich noch keine griechische Kapelle daran, wölbte sich keine goldene Kuppel darüber, wie jetzt – es war eine schlichte Gruft, aber da die Schlüssel in der Hand des Todtengräbers klirrten und ich allein hineinstieg und zitternd den Sarg erblickte auf den der Name: »Schiller!« stand, da kamen nicht nur Schauer der Vergangenheit, sondern auch der Gegenwart und Zukunft über mich und ich betete voll seliger Inbrust! Den Rosenkranz, den ich mitgebracht auf den Sarg zulegen, erklärte da der Todtengräber für »nicht erlaubt.« Da durchrießelte mich's heiß und kalt zugleich und ein bittres Lächeln drängte sich auf die Lippen die eben gebetet hatten – ich legte den Kranz außen vor die Eingangsthür in den frischen Morgenthan – was ich damals fühlte, betonte ich später in folgenden Versen, die zuerst in Leipzig zu einer vom ersten Schillerverein veranstalteten sommerlichen Schillerfeier 1847 gedruckt wurden, und deren letzten Vers Robert Blum von der Rednertribüne herab, wo ich unfern bei ihm stand, den versammelten Tausenden am Schluß seiner Rede entgegendonnerte. Und dazu hatte ich mir damals dort die Weihe geholt. Das Gedicht steht in meiner Sammlung »Lieder eines deutschen Mädchens« (Leipzig 1847, A. Wienbrack), doch setze ich es hierher, da es Zeit und Situation kennzeichnet.

       Inhaltsverzeichnis

      Es war ein Grab, dahin die Sehnsucht winkte.

       Gleichwie in frommer Zeit dem Pilgerstabe

       Ein Ziel nur der Begeisterung werth bedünkte, So zog auch ich zu einem heilgen Grabe. Ihr seht mich an, als fragtet Ihr erschrocken: Wo willst Du hin, Du Kind der neuen Zeit, Das nur zu ihrem Dienste sich geweiht, Will es auch Dich vom Vorwärts – rückwärt's locken? O fürchtet Nichts! im Grab, zu dem ich gehe, Kann nur ein Bürge unsrer Hoffnung liegen, Er starb der Zeit, für die ich kämpfend stehe; Sein Name ist ein Zeichen, drin wir siegen. An Schiller's Grabe hol' ich mir die Weihe Um noch zu schlagen manche Liederschlacht, Den Lerchengruß zu bringen nach der Nacht Dem Tag entgegen, der die Welt befreie. In Weimar, wo ein Sarkophag erhöht, Dort, wo zwei Dichter schlafen, kniet ich nieder, Dort lag ich lang im brünstigen Gebet, Dort näßten Thränen meine Augenlider. Ob Schillers Grabe keine Blumen blühen, Nicht schmücken darf man es mit grünem Kranz, Ihn deckt der Fürstenehren kalter Glanz, Die Stein und Mauern um das Heilge ziehen. Doch, wo ein Herz in Menschenliebe glüht Und hoffend aufwärts zu dem Höchsten strebt: Das ist die Blume seinem Grab erblüht Die ihren Kelch dem Licht entgegenhebt. Im Herzen seines Volkes wird er leben, Ob auch sein Sarg bei Fürstengräbern steht; Ihm ward ein sichrer, fester Thron erhöht, Statt Kron und Purpur Lorber ihm gegeben. Er lebt im deutschen Volke – das ist sein! – Drauf kam ich in ein stilles Dörfchen wieder, Es sang die Nachtigall im nahen Hain Wehmüthig froh das schönste ihrer Lieder. Da fand ich ihm ein Zeichen aufgerichtet, An dessen Grabe ich noch jüngst gekniet, Ich fand das Haus, drin er sein schönstes Lied, Das Lied der Freude für sein Volk gedichtet. Es klang sein Name aus der Kinder Mund, Der Landmann wußte fröhlich ihn zu nennen, Das Volk steht mit dem Dichter hier im Bund Und lehrt ihn neu den zarten Enkeln kennen. Da rief ich jubelnd in Begeistrung trunken: An seinem Grab zu trauern ehrt ihn nicht! Hier tönt ihm Ruhm sein ewiges Gedicht Ihn feiernd: »Freude, schöner Götterfunken.« So tönt es heut, so tön es fort und fort! Fremd mög es nie dem deutschen Volke klingen, Doch Schiller sprach auch ein gefeites Wort, Das mag vom Volk bis zu den Fürsten dringen; Drin ruht des Vaterlandes tiefstes Leben! Drum ruft es laut in alle Welt hinaus, Bringt's an den Thron, bringt's in das Ständehaus: »Gedankenfreiheit müssen sie uns geben!«

      Die erwähnte Sammlung von mir enthält noch viele Gedichte, die zu jener Zeit in jener Gegend entstanden; Der Dom zu Naumburg – Nudelsburg und Saaleck – Auf der Saale – Wartburg – Weserlied – Weserfahrt – und noch eines an Schiller, das an jene damals zuerst auftauchenden »historischen Berichtigungen« anknüpfte nach welchen Tell und die Jungfrau von Orleans in's Reich der Mythe verwiesen werden sollten und das unter andern die folgenden Verse enthält.

      So müßt Ihr leugnen auch die Schäferdirne

       Die Euch auch fragt, wie sie voll heilgem Muth,

       Bekämpfte ihres Landes Feindesbrut

       Mit von Begeisterung umstrahlter Stirne:

       »Was ist unschuldig, heilig, menschlich, gut,

       Wenn es der Kampf nicht ist um's Vaterland?«

       Denn Euch ward kaum so hohes Wort bekannt.

       Johannas Name wird zum Märchenklange –

       Denn eine Jungfrau braucht kein Vaterland,

       Sie liebe nur ihr Haus und Spiel und Tand,

       So meint Ihr ja, so handelt Ihr schon lange.

       Johanna aber stand in Gottes Hand.

       Die niedre Magd ward von dem Herrn erkoren,

       Weil Liebe sie dem Vaterland geschworen! –

       Traun, Wahrheit könnt es wieder einmal werden

       Daß, wie es Schiller uns im Bild gezeigt,

       Ein zweiter Tell die Freiheitsalp ersteigt,

       Den sichren Pfeil schickt auf Tyrannenfährten –

       Daß eine Jungfrau nicht im Kampf erbleicht,

       Dieweil es gilt aus schweren Druckes Ketten

       »Das Vaterland, das theure, zu erretten!«

      Diese Lieder charakterisiren die damalige Zeitstimmung und zumeist meine eigene, wie ich immer über Frauenwürde und Recht dachte und welche Mission ich schon in der Jugend und bei Beginn meiner literarischen Laufbahn mir zuertheilte. – Nach Weimar rastete ich in Erfurt, betrat den Dom und kletterte hinauf zur »Susanne«, damals die größte Glocke in Deutschland und stand kopfschüttelnd am Grabmahl des Grafen von Gleichen und seiner beiden Frauen – der Edelmuth der weißen Gemahlin wollte mir doch nicht recht zu Sinn! – Uebrigens aber schrieb ich von jener Reise Briefe für die Zeitschrift »Wandelstern«, die lange, bevor an eine »Gartenlaube« zu denken war, der Redacteur derselben, Ernst Keil in Leipzig herausgab. Ich schrieb sie aber – obwohl meine Romane sogleich unter meinem Mädchen-Namen erschienen waren, unter dem halben Pseudonym Otto Stern und zwar weil es damals noch nicht vorkam, daß Schriftstellerinnen publicistische Artikel schrieben oder daß man dazu Vertrauen gehabt und jene Reisebriefe doch zunächst diesen Charakter hatten und nur den Tagesinteressen Rechnung trugen. – In Gotha war wieder ein Billet von Klemm der Schlüssel, mir alle Sammlungen zu öffnen und die bereitwilligsten Erklärer derselben zu schaffen. Die alten Herrn erschöpften sich förmlich in Aufmerksamkeiten und Gefälligkeiten gegen mich – war dies Klemm's Verdienst? war es das armselige Verdienst meiner – Jugend? war es doch Würdigung eines weiblichen Strebens nach wissenschaftlicher Belehrung, eines Sinnes, der nicht nur am bunten Flitter haftete? war eine alleinreisende Dame etwas Absonderliches? Diese Fragen kommen mir jetzt viel mehr als damals, wo ich im Jugendmuth das Alles, wenn auch dankbar, doch hinnahm als müsse es so sein. – Aber die alten Herrn sind längst heimgegangen, ich kann sie selbst nicht fragen, ob sie immer und ob sie auch gegen alte Damen so leutselig waren? Wie hab ich damals geschwärmt im Schloßpark und zumeist drüben auf »der Todteninsel«, auf die ich mich hinüberrudern ließ, hier, wo im Gegensatz von den Dichtergräbern der Fürstengruft, nur Blumenteppiche in Herzform die Fürstensärge andeuteten, die darunter standen. Vorüber auch diese Romantik! Als wir im letzten Jahre in Gotha Frauentag hielten und ich nach der Todteninsel fragte, da erfuhr ich, daß man nicht mehr hinüber gefahren werde und daß auch dieser poetische an Jean Paul erinnernde Punkt und Cultus so gut wie in Vergessenheit gekommen. Damals hätte ich das so wenig gedacht wie daß ich dreißig Jahre später in eben dieser Stadt einen deutschen Frauentag erleben und ihn selbst eröffnen würde – solchem Fortschritt gegenüber kann man schon leichter auf das romantische Spiel verzichten und auch mit Schiller sagen: »Und der Lebende hat recht:«

      Damals wohnte ich im Gasthaus »zum Riesen« am Markt und da mir mein Freund Klemm vorgeschrieben: von Gotha mit Gelegenheit oder Einspänner nach Neinhardsbrunn, Liebenstein, Altenstein, Eisenach