Louise Otto: Frauenbewegung Essays, Romane, Biografien & Gedichte. Louise Otto. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Louise Otto
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027204908
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und völlig unnütz wurden gegen Sonne, Hitze, Kälte, Licht, ein gänzlich zweckloses Etwas, das nur immer theurer und vergänglicher wird, weder eine Zierde noch ein Schutz ist. Und dabei sind auch die sogenannten geschlossenen, und für ältere Damen bestimmten Hüte der gleichen Zwecklosigkeit verfallen, und jede Matrone würde sich heutzutage glücklich schätzen, wenn sie noch immer einen so zweckmäßigen »großen« Hut tragen dürfte, wie der seiner Zeit als keck und kokett verschriene Amazonenhut war. Heute fände man ihn eben noch für eine Großmutter zu alt und zu philisterhaft!

      Neben dieser gänzlichen Zwecklosigkeit der Hüte ward eine zweckmäßige Kopfhülle erfunden, die auch wieder aus dem Orient oder Algier stammt. – Eugenie brachte sie wohl von ihrer letzten Triumphreise mit, der Eröffnung des Suez-Kanals, wo auch die Nielrosen und die Nielfarbe herstammten –: der Baschlik, der wenigstens im Wagen, und Abends bei schlechtem Wetter treffliche Dienste leistet.

      Doch – wir sind der Gegenwart nahe gekommen – und es ist nicht unseres Amtes, noch unsere Absicht, hier über die Moden der Gegenwart und der Zukunft zu plaudern – das finden die Leserinnen ja trefflich verzeichnet und vorgezeichnet in den betreffenden Moderubriken des Bazar, der Illustrirten Frauenzeitung u.s.w.

      Wir wollten nur einige Rückblicke werfen auf die Moden der Vergangenheit, die wir selbst erlebten, sammt ihrer kulturhistorischen Bedeutung, und zwar auf jene, welche die meisten Leserinnen vielleicht nicht mit gesehen und getragen haben – aber über all' das, was sich in dieser Beziehung im letzten Jahrzehent ereignete sind sie jedenfalls besser unterrichtet als wir selbst, und haben mehr Interesse daran. Wir verzichten auch darauf, an das seit einigen Jahren in der Mode mitsprechende und florirende »Bismark, Barzin« u.s.w., große patriotische Triumphe und Hoffnungen zu knüpfen; daß uns künftig nicht mehr Paris und das Ausland nicht mehr die neuen Moden bringen möge! Wir haben, als der letzte Krieg begann, nicht mit eingestimmt in den lächerlichen Chorus mancher Frauen und Männer, welche ihren Patriotismus darin kund zu geben suchten, daß sie zur Ablegung der »welschen« Moden und zur Erfindung einer deutschen Mode aufforderten! Wir meinten, die Frauen hätten überhaupt, und namentlich in solcher Zeit, Wichtigeres zu thun, als sich mit den Angelegenheiten der Mode zu beschäftigen. Noch mehr aber erklärten wir, daß wir Zeit und Kräfte nur an erreichbare Aufgaben setzen und nicht an unerreichbare und unwesentliche verlieren mögen. Die Mode aber gehört zu den Dingen, mit denen Götter selbst vergebens kämpfen, und wenn wir zuweilen geneigt sind, sie zu verwünschen, so erklärt uns die Volkswirthschaft, daß wir Ursache haben, sie zu segnen!

      Alles, was uns vom Standpunkt der weiblichen Emanzipation auf diesem Gebiete zu thun obliegt, ist, daß wir uns von jeder Mode zunächst das Aesthetische und Schöne und dasjenige auswählen, was unserer Individualität am besten entspricht und daß wir diejenigen Moden, welche jene höheren Forderungen der Sitte oder Schönheit verletzen, nicht mitmachen und uns ihren Szepter nur so weit unterwerfen, als wir es müßten, um nicht aufzufallen und die Lacher herauszufordern.

      Reisegelegenheiten und Reisen

       Inhaltsverzeichnis

      Wie oft hören wir bei einer Eisenbahnfahrt Klagen über die Langsamkeit derselben, wie unleidlich finden die Passagiere im Sommer die darin herrschende Hitze, wie klagen sie im Winter über Kälte, wenn die Heizung noch eine etwas mangelhafte, wie unerträglich scheint ihnen das Anhalten von fünf Minuten, wenn es in nicht zu langen Zwischenräumen stattfindet!

      Erst kürzlich hat man in England das funfzigjährige Jubiläum der ersten Eisenbahnfahrt gefeiert – heute fährt man mit der Locomotive und dem Dampfschiff um die ganze Erde und durch aller Herren Länder; schon kann das heutige Geschlecht nicht begreifen, daß es jemals anders gewesen.

      Und es war doch vor vierzig, dreißig Jahren noch gewaltig anders –

      Die erste deutsche Eisenbahn war die Leipzig-Dresdner, eine sächsische also, von einer Actiengesellschaft unternommen – sie ward 1839 eröffnet – die schon früher datirende von Nürnberg – Fürth war nur eine Pferdeeisenbahn. Wir werden später weiter auf diese Angelegenheit zurückkommen.

      »Frei sein ist nichts – frei werden ist der Himmel!« Es war dies eine von den Sentenzen, welche im Jahre 1848 von Mund zu Mund gingen – ich betrachte mich denn in diesem Sinne als ein Glückskind, daß ich in nächster Nähe diese erste deutsche Eisenbahneröffnung mit erlebt habe, daß ich durch die Lage meiner Heimath dabei mit wesentlich interessirt war, daß ich diesen welthistorischen Moment so zu sagen mit Bewußtsein genoß – und ich umschrieb das obige geflügelte Wort: auf der Eisenbahn zu fahren ist nichts – aber diesen Sieg des Menschengeistes zu erleben, der die Locomotive hinführte – das war ein Gefühl beseligenden Triumphes! – »Die große Rennbahn der Freiheit!« hatte ein zeitgenössischer Dichter Karl Beck, der Magiar, die Eisenbahn genannt. –

      Meine Heimath, meine Kleinstadt Meißen – sie zählt jetzt 13000 Einwohner, damals besaß sie vielleicht nur 8000, nur einige Meilen von Dresden entfernt, lag an der großen Hauptstraße, die zwischen Dresden und Leipzig eine der befahrendsten Chausseen war. An dieser lag unsere frühere Sommerwohnung, wie auch nur ein wenig zurück von ihr der Weinberg, den später mein Vater kaufte.

      Es war ein eigenthümliches Leben auf dieser Chaussee in meiner Kindheit, besonders wenn die Leipziger Messe sich näherte oder endete. Da sah man hochgepackte Frachtfuhrwagen, vier und sechsspännig oft in langen Zügen nacheinander dahinfahren, der Fuhrmann ging daneben, mit seinen Pferden um die Wette trabend. Im Sommer im leichten blauen Fuhrmannshemde, die kurze Pfeife im Munde, einen breitkrempigen, grauen oder schwarzen Hut, zuweilen von einem bunten Band umschlungen, im Winter in einen großen ledernen Schafpelz und dem entsprechender Mütze, immer die lange Peitsche in der Hand, neben sich den klaffenden Stallspitz, dem der Herr des Wagens viel eher ein Plätzchen auf demselben gönnte als sich selbst: so wanderte der Fuhrmann neben seinen Wagen her, Tagelang, vom Sonnenaufgang bis zum Niedergang durch den Schnee, so lange noch fortzukommen war, durch Schmutz und Staub – unverdrossen, nicht Wind, noch Wetter achtend. Den Hauptverkehr der Personen zu Wagen vermittelte die Post anfangs noch durch einen Postwagen, der den interessanten Namen »die gelbe Kutsche« hatte, der auf der Hälfte des Weges Nachtquartier – in Klappendorf oder Oschatz – machte, so daß die Reise zwei Tage dauerte, ebenso hielten es die zahlreichen Lohnkutscher und Botenwagen, welche dieselbe Tour zurücklegten. Es war ein großer Fortschritt schon in meiner Kindheit als »die gelbe Kutsche« abgeschafft und in eine »Diligence« verwandelt ward. Als ein außerordentliches Erreigniß ward die Einrichtung der, »Eilpost« begrüßt, welche vierspännig und oft in Begleitung zahlreicher Beiwagen, mit an vielen Stationen wechselnden Pferden die Tour von Dresden nach Leipzig in vierundzwanzig Stunden ohne Nachtquartier zurücklegte.

      Neben diesen Fracht-, Post- und Botenwagen belebten die Chaussee noch zahlreiche Wanderer – die Schaar der Handwerksburschen, die jeden Begegnenden um eine Gabe ansprachen, so daß wir niemals auf dieser Straße gingen, ohne uns vorher mit Kleingeld zu versehen, Studenten und Schüler, die in die Ferien gingen, weil das Fahrgeld zu theuer war und weil es für gesund und eines deutschen Jünglings würdig galt, große Fußtouren zu machen und keine Strapazen zu scheuen – allerlei fahrendes Volk, von der Noth gezwungen, zu Fuß ihren Geschäften nachzugehen, Botenleute, Haufirende aller Art, die mit ihren Waaren die Landbewohner versorgten, weit und breit umherzogen, auf ihren Fußreisen abzusetzen, was ihre Angehörigen daheim gearbeitet: Leinwand, Spitzen, Federn, Band und Zwirn, kurze Waaren aller Art, Holz- und Blechsachen, Rußbutten und Mänsefallen, Schwefelfaden und Stecknadeln. Da wanderten die Frauen eben so rüstig und abgehärtet einher, wie Männer, ebenso schwer bepackt und eben so muthig in jeder Jahreszeit, zu jedem Wetter. Sie hatten es wohl schlimm so allein in der Fremde, aber sie klagten nicht, so bald sie nur Absatz hatten und damit sich selbst, wenn auch kümmerlich unterwegs durchbrachten und noch etwas mit heim nehmen konnten für die Ihrigen! und neben diesen »Landreisenden« des Volkes sah man die Extraposten, deren sich die Reichen und Vornehmen bedienten oder deren eigne Equipagen, sah man die Kaleschen und offenen Wagen oder ganz geschlossenen kleinen Chaissen der Ökonomen. Das war oft ein Drängen und Treiben von