Jene ereignißreichen Jahre waren, wie erwähnt, unfruchtbar für die Mode – die Industrie lag dannieder, weil das Kapital sich verkroch, die Modenärrinnen schmollten womöglich hinter herabgelassenen Rollos, weil Niemand sie beachtete und sie auf der Straße hie und da Gefahr liefen, verspottet zu werden und die Mehrzahl der Frauen, die, wenn sie nichts Besseres zu thun hat, gedankenlos und gelangweilt jeder neuen Toilette, die ihr begegnet, nachgafft und jeden Schwindel mitmacht, hatte jetzt eben zu denken, fühlte sich getragen, gehoben von den Schwingen der Zeit und trug die gewohnten Kleider, ohne neue Schnitte dafür zu begehren, wo es sich darum handelte, dem ganzen deutschen Reich und allen politischen Verhältnissen einen neuen Zuschnitt zu geben.
Der schöne Traum währte nicht lange – es kam die Reaction, es kamen die Kämpfe um die Reichsverfassung – es kam Angst und Schrecken und Noth für die Einen – Hohn, Triumph und Uebermuth machten sich nun bei den Andern geltend.
Aus jener Zeit datirte sich auch das Vorherrschen des Schwarz-Weißen. Die preußische Soldateska hatte ja überall in Deutchland die Revolution niederwerfen helfen und mit dem Triumph der preußischen Kreuzritter- und Junkerpartei sympathisirten die Herrscherinnen im Reich der Aristokratie und der Mode. Das Schwarz-Weiße wagte sich sieghaft hervor und behauptete sich noch lange in schwarz und weiß gestreiften oder karrirten Kleidern aller Stoffe, besonders in solchen Bändern auf Hüten u.s.w., und um deren Effekt noch zu erhöhen, verband man weißen Taffet und schwarzen Sammet und bald figurirte das vielbeliebte schwarze Sammetbändchen auf allen weißen Seidenbändern und Hüten, sogar den dichten weißen Schleier von schimmernder Donna-Marta-Gaze – diesen reizenden Stoff, der sich durch viele Epochen erhielt – das schwarze Sammetband ward auf allen Kleidern der Konfektionen verwendet, gleichviel, welche Farbe sie hatten, es verstieg sich sogar auf die Lingerie, auf Tüll und Mull und war überall eines reizenden Effektes gewiß. Allmälig natürlich verlor dies »Schwarz-Weiße« seine erste Bedeutung, wie denn überhaupt die politische »Farbenspielerei« halb von selbst, halb sogar durch offizielle Maßregeln verschwand. Denn wie die einzelnen Kleinstaaten, welche die deutschen Farben bei dem Militär eingeführt hatten, dieselben wieder abzulegen befahlen und überhaupt alles Deutsche auf's Neue mit einer gewissen Beruhigung und heimlichen Schadenfreude seitens der Machthaber wieder ad acta gelegt ward, so hatte schon Niemand mehr Lust, hiergegen zu demonstriren, die rothen Bänder, Tücher und Shawls brachten in manchen Staaten ihre Träger und Trägerinnen sogar mit der Polizei in Kollision, immer und überall aber in die Gefahr, zu den politisch Kompromittirten gerechnet und von der guten Gesellschaft gemieden zu werden – da verschwanden sie natürlich.
Das Grün-Weiße in Sachsen, das Blau-Weiße in Baiern u.s.w., war auch nur eine vorübergehende Erscheinung partikularistischer und loyaler Sympathien – und so kamen wie gesagt alle diese heraldischen Farbenzusammenstellungen wieder aus der Mode – daß sie aber einmal darin waren und zwar nicht nur bei den Männern, sondern auch bei den Frauen, wollten wir nicht mit Stillschweigen übergehen – denn es war immerhin ein gutes Zeichen für die Stellung der Frauen, denn auch die Frau hat ein Vaterland, auch sie gehört zum Volke und hat nicht nur das Recht, sondern die Pflicht einer politischen Meinung. Wie wenig ich auch damals mit jenen schwarzweißen Kreuzzeitungsdamen oder mit den grün-weißen sächsischen Hofdamen sympathifirte – ich achtete und achte sie tausendmal höher als jene Indifferenten, denen es ganz gleichgiltig war, welche Ereignisse ihr Vaterland erschütterten, nach welchen Prinzipien es regiert ward, wenn nur sie selbst dabei nicht in ihren Amüsements, in ihrem Familienleben gestört wurden!
Es währte indeß auch in Frankreich nicht lange mit der Republik – der Staatsstreich machte den Präsidenten zu einem Kaiser, die Veilchen und Blumen des Kaiserreichs standen wieder in Blüthe, seine goldenen Bienen durchsummten die Welt – veilchenblau war bald die herrschende Modefarbe und goldene Bienen, überhaupt alle Arten Insekten, wurden auch in Deutschland zu Nadeln verarbeitet und getragen.
Aber was half ein Kaiser für das Reich der Mode! – das bedurfte einer Kaiserin – sie sollte ihm auch werden.
Eines Tages berichteten die Zeitungen von einer Jagd in Campiègne, an welcher sich auch Damen betheiligt hatten, darunter befanden sich auch Fräulein von Rothschild und deren Freundin: Gräfin Eugenie von Montigo; diese schöne Spanierin erregte allgemeines Aufsehen und ward wie folgt beschrieben:
»Eugenie trug ein glänzendes Amazonenkleid und ritt ein andalusisches Vollblutpferd. mit dem ihr Rothschild ein Geschenk gemacht hatte. Der anmuthige, feine und elegante Wuchs war eingeschlossen in ein knappes Mieder; darunter ein weiter langer Rock und graue Beinkleider. Mit einer ihrer kleinen Hände im Stulphandschuh hielt sie die Zügel ihres flüchtigen Renners, mit der andern trieb sie denselben mit einer kleinen Reitpeitsche mit Perlmuttergriff, besetzt mit echten Perlen, an, und während ihre Füße in glänzenden Lackstiefelchen mit hohen Absätzen und Sporen sich gegen die bestaubten Flanken ihres Renners drückten, denn sie saß auf ihrem Pferde wie ein echter Reiter und verschmähte den Sattel, dessen sich die Damen gewöhnlich bedienen. Die langen Flechten ihres Goldhaares waren unter einem niedlichen Filzhute aufgerollt, den eine prächtige Straußenfeder schmückte, die mit einer Diamantagraffe befestigt war. Ihre blauen Augen schossen nach allen Seiten hin zündende Blitze, und ein süßes Lächeln umspielte die zartgeformten rosigen Lippen, welche beinahe beständig ihre weißen Zähne blicken ließen. Ihr klassisches Profil schien von einem Heiligenschein umgeben und bezauberte Alle.«
Diese Dame ward die Herrscherin von Frankreich, ward die Beherrscherin des Reiches der Mode und ist es achtzehn Jahre lang geblieben!
Der Kaiser hatte sie auf jener Jagd 1852 gesehen und sich vorstellen lassen – und alle Welt beschäftigte sich von da an mit ihr und ihrer Schönheit, ohne noch zu ahnen, welchen Ausgang die kaiserliche Gunst diesmal nehmen werde.
Da verkündigte eines Tages der Moniteur der erstaunten Welt und dem betäubten Frankreich, daß der Kaiser Napoleon um die Hand des Fräuleins von Montijo geworben und sie erhalten habe.
Noch ehe sie Kaiserin geworden, adoptirte die Mode die Lackstiefelchen mit den hohen Absätzen von der schönen spanischen Reiterin, sowie ihre Weste – beide Kleidungsstücke bisher der zarten Damenwelt ziemlich unbekannte Gegenstande, ebenso ihre Eugenienlocken und alle Damen der Crème der Gesellschaft bemühten sich, den Mund immer ein wenig offen zu halten, weil dies der schönen Spanierin so unvergleichlich ließ – und eben so beneideten sie ihr das goldene Haar – das konnte man sich freilich nicht eher erzeugen, bis man es wagte, falsches zu tragen, oder bis Eugenie auf die Idee kam, ihr eigenes noch mit Goldstaub zu pudern und man ihr dies nachahmte – und die ihren Mund aufsperren wollten, weil es für elegant galt und keine schönen Zähne hatten, holten sich bei ihrem Zahnkünstler auch dafür Rath.
Falsches Haar und falsche Zähne wurden bald ein nothwendiger Luxusartikel – das dafür von manchen Damen verausgabte Geld wiegt oft allein das auf, was vor dreißig Jahren die ganze Jahrestoilette einer in anständigen, aber nicht glänzenden Verhältnissen lebenden Dame kostete.
Und so war die Göttin der Mode eingezogen in unser Jahrhundert, da es eben seine zweite Hälfte begann und sie war gekommen, nicht, wie sonst wohl in zarter, hilfloser schüchterner Weiblichkeit, in duftige Stoffe gehüllt, mit lieblichen Blumen geschmückt und von leichten Bändern zephyrhaft umflattert – sondern hoch zu Roß, eine kecke Reiterin, die auch, wann sie vom Pferde stieg, mit derben Stiefelchen von Leder und hohen Absätzen – jeder zart gewöhnte Frauenfuß früherer Zeit mußte davor erschrecken! – amazonenhaft und energisch auftrat und so Manches zertrat, was bis dahin für weibliche Sitte gegolten – sie war gekommen in jenem seltsamen Gemisch von männlichen Manieren und weiblicher Koketterie, mit einem Raffinement in beiden, das graziös und herausfordernd zugleich den Uebermuth mit der Anmuth verknüpfen wollte. Von dem Tage an, wo Eugenie Kaiserin von Frankreich geworden, war die Geschichte der Mode eigentlich nur eine Geschichte der Einfälle Eugeniens und bildete ein Supplement zur Geschichte des französischen Kaiserthums.
Das Bild der schönen Kaiserin, über die man erst gelacht