Scanlan und McMurdo gingen langsam nach Hause zurück, der erstere in stark gedrückter Stimmung. Es war die erste Mordtat, die er mit eigenen Augen gesehen hatte, und die Sache war ihm nicht so spaßig erschienen, wie er sie sich vorgestellt hatte. Das entsetzliche Jammergeschrei der Frau des toten Betriebsleiters verfolgte sie auf ihrem Weg zur Stadt. McMurdo war in sich gekehrt und schweigsam, zeigte aber kein Mitgefühl mit der Schwäche seines Gefährten.
»Es ist eben Krieg,« sagte er, sich mehrmals wiederholend, »Krieg zwischen uns und den anderen. Wir müssen uns wehren, so gut wir können.«
Am selben Abend gab es im Versammlungsraum der Loge im Unionhaus eine fröhliche Feier, nicht allein aus Anlaß der Tötung des Betriebsleiters und Ingenieurs der Crow-Hill-Zeche, wodurch diese in die gleiche Lage mit den anderen eingeschüchterten, der Erpressung zugänglichen Gesellschaften der Gegend gebracht worden war, sondern auch wegen eines weiteren Triumphes, der auf das Konto der Vermissaloge selbst kam. Es stellte sich heraus, daß der Grafschaftsdelegierte, als er fünf zuverlässige Leute nach Vermissa sandte, um dort einen Schlag auszuführen, verlangt hatte, daß in Erwiderung des Dienstes drei Leute aus Vermissa dazu bestimmt werden sollten, die Ermordung von William Hales vorzunehmen, eines der bestbekannten und beliebtesten Bergwerksbesitzer im Gilmertonbecken, eines Mannes, von dem man annahm, daß er in der ganzen Welt keinen Feind besaß, weil er in jeder Beziehung das Muster eines Arbeitgebers war. Er hatte indessen stets auf Leistung gesehen und darum einige trunkene und lässige Angestellte, Mitglieder der allmächtigen Loge, entlassen. Todesdrohungen, die man an seine Tür heftete, hatten diesen Entschluß nicht rückgängig machen können, und so fand er sich in einem freien, zivilisierten Land zum Tode verurteilt.
Das Todesurteil war den Anweisungen entsprechend vollstreckt worden. Ted Baldwin, der sich auf dem Ehrensitz neben dem Logenmeister breitmachte, war der Leiter der Expedition gewesen. Sein gerötetes Gesicht und seine glasigen, blutunterlaufenen Augen sprachen von schlaflosen Nächten und reichlichem Alkoholgenuß. Er und seine beiden Gefährten hatten die vorangegangene Nacht in den Bergen zugebracht. Sie waren ungewaschen und von dem langen Aufenthalt im Freien arg mitgenommen. Aber selbst wahren Helden, die von einer großen Tat zurückkehren, wäre kein wärmerer Willkomm geboten worden, als Ted Baldwin und seinen Helfershelfern von ihren Kameraden. Immer wieder mußten sie den Hergang der Tat erzählen, begleitet von vergnügten Zurufen und schallendem Gelächter. Sie hatten ihrem Mann, als er abends nach Hause fuhr, am Gipfel eines steilen Hügels, wo sein Pferd im Schritt gehen mußte, aufgelauert. Er war so in Pelze eingehüllt gewesen, daß er an seine Pistole nicht heran konnte. Sie hatten ihn aus dem Wagen gezogen und mit einem wahren Schnellfeuer ihrer Revolver niedergestreckt. Keiner von ihnen hatte den Mann gekannt, aber sie gehörten zu den Menschen, für die das Morden an sich Reiz hat. Man hatte den Rächern in Gilmerton gezeigt, daß man sich auf die Leute aus Vermissa verlassen könne. Nur einen dunklen Punkt gab es bei der Ausführung ihrer Tat. Während die Männer noch dabei waren, den regungslosen Körper mit ihren Kugeln zu durchsieben, hatte sich ein Wagen, besetzt mit einem Mann und einer Frau genähert. Einer oder der andere der Bande hatte vorgeschlagen, die beiden niederzuschießen, aber da sie harmlose Leute waren, die in keiner Verbindung mit den Bergwerken standen, hatte man sich damit begnügt, ihnen barsch zu befehlen, weiterzufahren und Schweigen zu bewahren, sofern sie nicht wünschten, in gleicher Weise behandelt zu werden. Die blutbefleckte Leiche ließ man als Warnung für alle anderen hartherzigen Arbeitgeber auf dem Wege liegen. Die drei edlen Rächer begaben sich eiligst in die Wälder, die fast bis an den Rand der Ofenanlagen und Schlackenhaufen heranreichten.
Es war ein großer Tag für die Rächer. Die Todesschatten hatten sich noch tiefer auf das Tal gesenkt, aber wie der kluge Heerführer im Augenblick des Sieges seinen Angriff verschärft, um den Feinden keine Zeit zum Sammeln zu geben, so hatte Meister McGinty, als er das Feld seiner Tätigkeit überblickte, einen neuen Angriff auf seinen Gegner geplant. Noch in derselben Nacht, während die halbtrunkene Gesellschaft aufbrach, berührte er McMurdos Arm und führte ihn in den Innenraum, wo sie ihre erste Unterredung gehabt hatten.
»Mein lieber Junge,« sagte er, »endlich habe ich für Sie eine Aufgabe, die Ihrer würdig ist. Ich lege sie ganz in Ihre Hände.«
»Sie machen mich stolz,« antwortete McMurdo.
»Sie nehmen zwei Leute mit, Manders und Reilly; die beiden sind bereits für die nächste Aufgabe vorgemerkt. Sie wissen, daß Chester Wilcox bereits seit längerem auf unserer schwarzen Liste steht, und daß die erste Vollstreckung gegen ihn fehlschlug. Wir können es natürlich nicht dabei bewenden lassen, und Sie werden den Dank jeder Loge im Kohlengebiet ernten, wenn Sie ihn niedermachen.«
»Ich will jedenfalls mein Bestes tun. Wo ist er, wo soll ich ihn aufsuchen?«
McGinty nahm seine ständige, halbgekaute und halbgerauchte Zigarre aus dem Mundwinkel und warf eine rohe Skizze auf ein Blatt Papier, das er aus seinem Notizbuch riß.
»Er ist der Obermeister der Iron-Dyke-Gesellschaft, ein schwieriger Kunde. Im Krieg ist er Feldwebel gewesen. Ein narbiger Brummbär. Wir haben es schon zweimal mit ihm versucht, hatten aber kein Glück, und Jimy Carnaway hat beim letztenmal sein Leben eingebüßt. Ich übergebe Ihnen nun die Sache. Das Haus steht ganz für sich an der Iron-Dyke-Wegkreuzung, wie diese Skizze zeigt. Es ist vollständig außer Hörweite der nächsten Ansiedlungen. Bei Tag ist die Sache nicht zu machen, denn er ist stets bewaffnet. Er ist ein guter Schütze und knallt los, ohne erst viel zu fragen. Aber des Nachts kann man ihm beikommen. Er wohnt mit seiner Frau, seinen drei Kindern und einer Dienstperson dort. Die Sache ist aber die, daß Sie ihn nicht allein kriegen können. In dem Fall heißt es alle oder keinen. Wenn es Ihnen gelingt, einen Sack Sprengpulver an die Tür zu legen, mit einer Sprengschnur daran –«
»Was hat der Mann getan?«
»Habe ich Ihnen nicht schon gesagt, daß er Jim Carnaway niedergeschossen hat?«
»Und warum hat er das getan?«
»Was zum Teufel, geht das Sie an? Carnaway kam eines Nachts an sein Haus heran, und er hat ihn niedergeschossen. Das genügt mir und muß auch Ihnen genügen. Sie müssen die Sache ins reine bringen.«
»Aber diese zwei Frauen und die Kinder, müssen die auch in die Luft fliegen?«
»Es bleibt uns nichts anderes übrig, denn wir können ihm allein nicht beikommen.«
»Ist das nicht etwas hart gegen die Weibsleute und die Kinder? Sie haben doch eigentlich nichts getan?«
»Was sind das für Redereien? Wollen Sie sich vielleicht von der Sache drücken?«
»Ruhig Blut, Meister,« sagte er. »Was habe ich jemals gesagt oder getan, das Ihnen ein Recht gibt, zu glauben, daß ich mich den Befehlen des Logenmeisters und der Loge entziehen will? Ob es recht ist oder nicht, haben allein Sie zu beurteilen.«
»Sie wollen es also tun?«
»Selbstverständlich.«
»Und wann?«
»Nun, Sie müssen mir ein oder zwei Nächte Zeit lassen, um das Gelände auszukundschaften und meine Pläne zu schmieden, dann –«
»Schön,« sagte McGinty, indem er ihm die Hand schüttelte. »Ich überlasse das Ihnen. Es wird ein großer Tag sein, wenn Sie uns Ihren Bericht erstatten. Eine Tat wie diese wird