»Das gefällt mir nicht so gut«, sagte Saxon.
Mercedes zuckte die Achseln.
»Jedes zu seiner Zeit, kleine Frau. Es gibt Zeiten; da Männer mit Wein berauscht werden müssen, es gibt Zeiten, da Männer mit Liedern berauscht werden müssen, so seltsam sie sind. La la, es gibt so viele Arten, so viele Arten. Auch Ihre feine Wäsche gehört dazu, mein Mädelchen. Die ist auch ein Zauber. Kein Fischer auf der See hat mehr Fische in seinem Netz gefangen als wir Frauen mit unserm Putz. Sie sind auf dem richtigen Wege. Ich habe gesehen, wie Männer von Unterwäsche gefangen wurden, die weder schöner noch feiner war als die, welche Sie zum Trocknen aufgehängt haben.
Ich sagte, dass das Waschen von feinen Dingen eine Kunst sei. Aber nur als Zweck. Die größte aller Künste ist, Männer zu erobern. Liebe ist die Summe aller Künste und die Existenzberechtigung jeder Kunst. Hören Sie mich an! Zu allen Zeiten, in allen Zeitaltern hat es große, kluge Frauen gegeben. Es war nicht nötig, dass sie schön waren. Ihre Klugheit war mehr wert als Frauenschönheit. Die Fürsten und Mächtigen der Erde beugten sich vor ihnen. Völker kämpften, Reiche gingen unter um ihretwillen. Religionen erstanden um sie. Aphrodite, Astarte, Göttinnen der Nacht – hören Sie von ihnen, kleine Frau, hören Sie von den großen Frauen, die Welten von Männern eroberten.«
Und Saxon lauschte voller Verwunderung auf dieses Wirrwarr, dessen seltsamer, zuweilen sinnloser Inhalt mit unklarer, geheimnisvoller Bedeutung geladen war. Es war, als fing sie einen Schimmer von Abgründen, die von unsagbarem, unnennbarem Wissen von gesetzlosen, schrecklichen Dingen erzählten. Die Rede der alten Frau, heiß und brennend, war wie ein Lavastrom, und eine tiefe Röte ergoss sich über Saxons Wangen, Stirn und Hals. Sie zitterte vor Angst, einen Augenblick wurde ihr schlecht und sie glaubte, ohnmächtig zu werden; es war, als ginge ihr Hirn durch. Aber loszureißen vermochte sie sich nicht. Das Nähzeug sank in ihren Schoß, und sie starrte verloren, wie unter einem furchtbaren Alp, vor sich hin. Als sie endlich fühlte, dass sie es nicht mehr ertragen konnte, als sie sich schon die trockenen Lippen befeuchtet hatte, um es herauszuschreien, hielt Mercedes inne.
»Und hier endet die erste Stunde«, sagte sie vollkommen ruhig. Und im selben Augenblick brach sie in ein Lachen aus, das Saxon schmerzte. »Was gibt es? Habe ich Sie erschreckt?«
»Ich fürchte mich«, stammelte Saxon, der die Tränen im Halse saßen. »Sie machen mir bange. Ich bin sehr dumm. Ich weiß so wenig, und ich habe mir nie etwas hiervon träumen lassen.«
Mercedes nickte verständnisvoll.
»Ja, da kann man sich auch fürchten«, sagte sie. »Es ist feierlich; es ist schrecklich; es ist großartig!«
*
Saxon war immer klarsichtig gewesen, wenn ihr Horizont auch begrenzt gewesen war. Klarsichtig war sie gewesen seit den Kinderjahren, die sie bei dem Gastwirt Cady und seiner gutmütigen, aber unmoralischen Frau verbracht hatte, sie hatte vieles beobachtet und später eine gewisse allgemeine Lehre von dem Verhältnis zwischen Mann und Frau daraus gezogen. Sie kannte das Problem, das nach der Ehe entsteht – nämlich: sich die Liebe des Mannes zu bewahren – das nur wenige Frauen, gleichgültig welcher Klasse, kennen, und sie kannte auch das Problem, das der Ehe vorausgeht, das Problem, sich einen Mann zu wählen, wie nur wenige junge Mädchen der arbeitenden Klasse es kannten.
Sie hatte sich auf eigene Faust eine außerordentlich vernünftige Theorie über die Liebe gebildet. Instinktiv und doch halb bewusst hatte sie die Gefahren gemieden, die entstehen, sobald etwas gewohnheitsmäßig und alltäglich wird. Nie hatte Billy sie in den Wochen, die ihre Ehe jetzt dauerte, nachlässig gekleidet oder verdrießlich gesehen. Und sie hatte bewusst dafür gesorgt, dass die Atmosphäre von Kühle, Frische und Gleichgewicht, die über ihr selber lag, sich auch auf das ganze Heim verbreitete. Es hatte ihr auch nicht an Verständnis für den Wert von Begriffen wie Überraschung und Anmut gefehlt. Ihre Fantasie hatte nicht geschlafen, und sie war von der Natur mit Klugheit begnadet. Sie hatte das große Los in der Lotterie gezogen, als sie Billys Liebe gewann, und sie wusste es. Sie wusste, dass er ein starker Liebhaber war, und darauf war sie stolz. Seine Freigebigkeit, sein Wunsch, ihr das Beste von allem zu verschaffen, seine persönliche Sauberkeit und Zuverlässigkeit erhoben ihn weit über das übliche Maß. Er war nie plump. Er begegnete Feingefühl mit Feingefühl, wenn ihr auch einleuchtete, dass die Initiative in allen diesen Punkten immer von ihr ausgehen musste.
Aber obgleich sie immer eine klare Vorstellung davon gehabt hatte, wie sie sich Billy am besten als Liebhaber bewahren konnte, war es doch ein weit größeres Panorama, das Mercedes Higgins vor ihren Augen aufgerollt hatte. Die alte Frau hatte ihre eigenen Schlüsse bestätigt, hatte ihr neue Ideen geschenkt, hatte alte Vorstellungen bestätigt und sogar mit großer Leidenschaft die traurige Bedeutung des ganzen Problems nachgewiesen. Saxon erinnerte sich vieler Einzelheiten aus dieser wahnsinnigen Predigt. Wenn auch vieles aus Mangel an Erfahrung und Verständnis über sie hinweggegangen war, so erriet und fühlte sie doch vieles, und das half ihr, sich eine noch größere und stärkere Theorie von der Liebe zu bilden.
Mit erneutem Eifer stürzte Saxon sich auf ihre Hausarbeit, ihre hübschen Dinge und alles andere, womit sie Billy gewinnen konnte. Sie machte ihre Einkäufe in dem lebendigen Gefühl, dass es galt, das Beste zu finden, wenn sie auch andererseits die Sparsamkeit nicht aus den Augen ließ. Aus den Sonntagsbeilagen und den Frauenzeitschriften in der Volksbibliothek hatte sie allerhand gelernt, wie sie sich ihre Schönheit bewahren konnte. Sie trieb Gymnastik, und gewisse Stunden des Tages verwandte sie stets zu Gesichtsmassage und ähnlichem, um sich ihre festen runden Linien und frischen Farben zu bewahren. Davon wusste Billy nichts. Diese Toilettengeheimnisse gingen ihn nichts an. Nur die Ergebnisse waren für ihn berechnet.
Sie studierte oft die Schaufenster der Konfektionsgeschäfte in den feineren Stadtteilen und war nicht darüber erhaben, wenn sie irgendeine Kleinigkeit kaufte, die Ladentische mit der handgestickten Wäsche zu untersuchen. Sie hatte sogar eine Zeit lang Pläne, sich handgemaltes Porzellan zu kaufen, gab es aber wieder auf, als sie hörte, wie teuer es war.
Allmählich ersetzte sie die bescheidene Wäsche aus ihrer Jungmädchenzeit durch bessere Stücke, die, wenn auch immer noch bescheiden, doch mit schöner französischer Stickerei, mit Spitzen und