Sie sollte mit der Zeit vieles von der wunderlichen Frau lernen. Die Bekanntschaft wurde eines Tages im Hof geschlossen, als Saxon einiges von ihrer feinsten Wäsche zum Trocknen aufhängte. Die Frau, die sich an das Verandageländer lehnte, fing ihren Blick auf und nickte, soweit Saxon sehen konnte, halb ihr, halb der Wäsche an der Leine zu.
»Sie sind jungverheiratet, nicht wahr?« fragte die Frau. »Ich bin Frau Higgins. Aber nennen Sie mich lieber beim Vornamen, Mercedes.«
»Und ich bin Frau Roberts«, antwortete Saxon. Es war ihr noch so ungewohnt zu sagen, dass sie errötete. »Mein Vorname ist Saxon.«
»Ein komischer Name für eine Yankeefrau«, bemerkte die andere.
»Ach, ich bin keine Yankeefrau«, erklärte Saxon. »Ich bin Kalifornierin.«
»Lala«, lachte Mercedes Higgins. »Ich vergaß, dass ich in Amerika bin. In anderen Ländern nennt man alle Amerikaner Yankees. Aber nicht wahr, Sie sind jungverheiratet?«
Saxon nickte mit einem glücklichen Seufzer.
»Ach, Sie glückliches, süßes, schönes Geschöpfchen. Ich könnte Sie beinahe hassen – so beneide ich sie. Alle Männer werden sich mit Freuden um Ihren kleinen Finger wickeln lassen. Und dabei machen Sie nicht einmal Ihr Kapital zinstragend. Das tut niemand, ehe es zu spät ist.«
Saxon war verwirrt und verlegen, antwortete aber schnell:
»O doch, ich weiß wohl, wie glücklich ich bin. Ich habe den besten Mann von der Welt.«
Mercedes Higgins seufzte wieder und wechselte den Gegenstand. Nickend wies sie auf die Wäsche.
»Sie legen Wert auf schöne Dinge, sehe ich. Das ist sehr vernünftig für eine junge Frau. So etwas ist Köder für die Männer – eine große Waffe im Kampf zwischen den zwei Geschlechtern. Die Männer werden dadurch gewonnen und festgehalten –« Sie brach plötzlich ab und sagte fast herausfordernd: »Und Sie, Sie wollen Ihren Mann festhalten? Immer, immer – wenn Sie können?«
»Das will ich. Ich will alles tun, damit er mich liebt. Immer, immer.«
Saxon hielt inne, verwirrt und erstaunt, dass sie plötzlich mit einer Fremden so intim geworden war.
»Die Liebe der Männer ist etwas Komisches«, sagte Mercedes. »Und es ist der Fehler aller Frauen, dass sie glauben, die Männer zu kennen wie ein Buch. Und die meisten von ihnen sterben daher am gebrochenen Herzen, sterben, weil sie nichts von den Männern wissen und doch töricht genug sind zu glauben, sie kennten sie so gut. Oh, lala, die kleinen Dummköpfe. So sagen nun auch Sie kleine jungverheiratete Frau, Sie wollen alles tun, dass Ihr Mann Sie immer liebt – nicht wahr? Und so sagen sie alle und bilden sich ein, die Menschen und die Irrgänge der Liebe zu kennen. Es ist viel leichter, das große Los in der Lotterie zu gewinnen. Aber das weiß das kleine jungverheiratete Frauchen erst, wenn es zu spät ist. Aber Sie haben am richtigen Ende angefangen. Halten Sie sich nur weiter fein und schön. Wie Sie Ihren Mann gewonnen haben, so bleiben Sie, um ihn zu halten. Aber das ist nicht alles. Wir beide müssen einmal richtig miteinander reden, und dann werde ich Sie lehren, was wenige Frauen wissen wollen, was wenige Frauen zu wissen bekommen. – Saxon! – ein starker und schöner Name für eine Frau. Aber er passt nicht zu Ihnen. O ja, ich habe Sie beobachtet. Französisch sind Sie, französisch. Darüber ist nicht zu streiten. Grüßen Sie Ihren Gatten und machen Sie ihm mein Kompliment für seinen guten Geschmack.«
Sie schwieg und blieb mit der Hand auf dem Türgriff stehen.
»Und besuchen Sie mich hin und wieder. Sie werden es nicht bereuen. Ich kann Sie vieles lehren. Kommen Sie nachmittags. Mein Mann ist Nachtwächter und schläft den ganzen Vormittag. Augenblicklich schläft er.«
Verwirrt und grübelnd ging Saxon hinein. Sie war so anders als andere Frauen, diese magere, dunkelhäutige Frau mit dem welken Gesicht, das aussah, als wäre es im Feuer gewesen, und den großen schwarzen Augen, die wie von einem nie erlöschenden inneren Brand funkelten und flammten. Alt musste sie sein – Saxon schätzte sie auf zwischen fünfzig und siebzig. In ihrem Haar, das einmal ganz schwarz gewesen sein musste, waren breite graue Streifen. Namentlich fiel Saxon ihre Sprache auf. Sie sprach Englisch, und ein besseres Englisch, als Saxon sonst zu hören gewohnt war, und doch war sie keine Amerikanerin. Aber sie sprach auch nicht mit Akzent; es war nur etwas Fremdes in ihrer Art zu sprechen, aber so unbestimmbar, dass Saxon nicht wusste, wo sie es hinbringen sollte.
»Oho«, sagte Billy, als Saxon ihm am Abend die Ereignisse des Tages berichtete. »So, das ist die Frau von Higgins. Er ist Nachtwächter. Und er hat nur einen Arm. Der alte Higgins und sie, das ist ein komisches Paar. Die Leute haben Angst vor ihr, oder doch jedenfalls manche. Die Italiener und manche von den alten Irländerinnen halten sie für eine Hexe. Sie wollen nichts mit ihr zu tun haben. Das hat mir Bert erzählt. Einer von meinen Kameraden im Stall – Henderson, weißt du – sagt, sie sei reif fürs Tollhaus.«
»Ach, ich weiß nicht«, antwortete Saxon, die sich getrieben fühlte, ihre neue Bekanntschaft zu verteidigen. »Sie ist vielleicht etwas komisch, aber sie sagt eigentlich dasselbe wie du. Sie sagt, meine Figur sei nicht amerikanisch, sondern französisch.«
»Dann ziehe ich den Hut vor ihr«, antwortete Billy. »Sie kann nicht so verrückt sein, wenn sie das sagt. Sie ist ein kluges altes Huhn, das kannst du ihr von mir bestellen.«
»Sie bat mich, dich zu grüßen und dir zu deinem guten Geschmack zu gratulieren«, lachte Saxon.
»Wirklich? Dann grüß sie herzlich von mir wieder. Ich weiß sie zu schätzen. Sie weiß, was gut ist. Aber sie sollte auch dir zu deinem guten Geschmack gratulieren, den du bewiesen hast, als du mich heiratetest.«
Ein paar Tage später nickte Mercedes wieder halb Saxon und halb der feinen Wäsche zu, die Saxon gerade zum Trocknen aufhängte.
»Ich ärgere mich über Ihre Wäsche, Sie kleines Frauchen«, sagte sie als Einleitung zu ihrem Gespräch.
»Ich bin doch viele Jahre lang in einer Wäscherei gewesen«, antwortete Saxon schnell.
Mercedes