Als irgendwo unten im Haus eine Tür ging, richtete er sich sofort auf. Er hielt sich den schmerzenden Kopf, schwenkte die Beine über die Bettkante und wartete. Qualvoll lange dauerte es, bis sich endlich die Tür öffnete.
Chris Downers trat ein.
Er war klein und schmal, glich gerade wegen seiner dunklen, unsteten Augen einem Wiesel. Downers trug einen dunkelgrauen, korrekten Anzug. Unter dem Arm hielt er eine Whiskyflasche.
»Mann, endlich …!« stöhnte Harrison.
Er ließ die Augen nicht von der Flasche. Er übersah das Grinsen seines Freundes, wartete, bis das Wasserglas gefüllt war. Ihm fiel auch nicht auf, daß die Flasche bereits vorher geöffnet worden war.
Mit zitternden Händen griff er nach dem Glas. Er brauchte auch beide Hände, um das Glas zum Mund führen zu können. Den scharfen, billigen Whisky trank er in sich hinein wie gewöhnliches Leitungswasser.
Er schüttelte sich wie im Fieber, als das Glas geleert war. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis das Zittern in seinen Händen verschwand. Seine Augen verloren jede Nervosität. Tief holte er Luft und stand auf.
»Helen wird gleich kommen«, sagte Downers.
»Sehr gut …! Ich langweile mich scheußlich, Chris. Werden wir nun endlich mal bleiben?«
»Jetzt brauchen wir nicht mehr abzuhauen. Hier findet dich kein Mensch.«
»Ich hab’s nämlich satt, immer wieder verschwinden zu müssen.«
»Wir haben alle Schnüffler abgeschüttelt«, meinte Downers. »Jetzt sind wir sicher.«
»Laß die Flasche da auf dem Nachttisch stehen«, bat Harrison mit heiserer Stimme.
»Bevor du wieder trinkst, solltest du dich etwas herrichten«, schlug Downers vor. »Helen ist zwar nicht sehr empfindlich, aber ’ne Frau sollte man trotzdem einigermaßen fit begrüßen.«
»Über solche Kleinigkeiten ist Helen längst weg«, antwortete Harrison. Er griff nach der Flasche und füllte sich noch mal das Wasserglas. Erstaunt sah er hoch, als Downers ihm die Flasche blitzschnell wegzog.
»Joel«, meinte er hastig, »du mußt dich etwas einschränken. Der Zaster wird knapp. Ich brauche mal wieder ’ne kräftige Geldspritze.«
»Schon wieder Geld?« wunderte sich Harrison, ohne sich aber zu entrüsten, »vor ein paar Tagen hab’ ich dir doch erst ’nen Scheck über 1000 Dollar gegeben.«
»Na und? Was ist das schon …! Das Leben ist teuer. Denk’ doch mal daran, was es kostet, gewisse Leutchen zu schmieren. Aber von mir aus …! Behalt’ das Geld und laß dich lieber einsperren. Ich hab’s ohnehin satt, mich herumhetzen zu lassen. Ein Fischzug nach dem anderen geht mir an der Nase vorbei. Was hätte ich inzwischen alles verdienen können …!«
»Schon gut, Chris, schon gut …!« beschwichtigte Harrison seinen Begleiter. »Ich werde dir einen neuen Scheck ausstellen. Ich fühl’ mich nur hundeelend. Ich brauche noch einen ordentlichen Schluck.«
Als er sich das Glas füllte, klingelte es an der Tür.
Harrison unterbrach die Füllung des Glases. Schnell hob er den Kopf, sah Downers an.
»Keine Sorge, das muß Helen sein«, meinte Downers, »ich geh’ mal nach unten. Warte einen Moment.«
Harrison beruhigte sich sehr schnell. Er trank das Glas in großen Schlucken leer. Downers verließ das Zimmer und ging nach unten.
Als er die Tür öffnete, schlüpfte eine Frau schnell und geschmeidig ins Haus.
Sie war mittelgroß, vollschlank und hatte blondes Haar. Sie mochte höchstens 30 Jahre alt sein, was ihre recht gute Figur anbetraf. Ihr Gesicht jedoch wirkte älter. Selbst das sorgfältige Make-up schaffte es nicht, die bereits tief eingegrabenen Fältchen zu verdecken.
Helen Napers sah trotz allem aufreizend aus. Sie besaß eine gefährliche Ausstrahlung von Sex, Verkommenheit und Berechnung. Sie trug unter dem geöffneten Sommermantel ein tief ausgeschnittenes Kleid. Ihr Parfüm roch billig.
»Alles in Ordnung?« fragte Downers sie.
»Klar, alles in bester Ordnung. Wie sieht’s denn oben aus? Was ist mit diesem Saufaus los?«
»Er läßt sich gerade vollaufen.«
»Wunderbar. Dann werde ich wenig Arbeit mit ihm haben.«
»Er ist schon in der richtigen Stimmung, Helen«, erklärte Downers und lächelte. »Ich glaube, du brauchst nicht lange um den heißen Brei herumzuschleichen. Komm’ sofort zur Sache. Für mich wird er auch ’nen Scheck ausstellen.«
»Also schön, werde ich diesem widerlichen Kerl mal wieder um den Bart gehen. Sag’, Chris, wird das lange gutgehen?«
»Wie kommst du darauf? Hast du Angst?«
»Na ja, immerhin spürten sie uns auf.«
»Aber sie erwischten uns nicht. Inzwischen bereinigt der Boß die Lage, Helen. Alle Spuren sind verwischt. Du weißt doch, wer uns an den Wagen fahren will, der ist bisher immer noch drauf gegangen.«
Helen nickte.
»Dann werde ich mal rauf zu ihm gehen, Chris«, meinte sie und verzog ihr Gesicht zu einer Grimasse. »Hoffentlich hab’ ich es schnell hinter mir. Der Kerl ekelt mich an …!«
*
»Damit, Sir, dürfte es meiner bescheidenen Ansicht nach auf der Hand liegen, daß Mr. Walt Hostans diese drei schlechterzogenen Männer auf mich ansetzte.«
Parker hatte seinen Bericht beendet. Er stand vor Mike Randers Arbeitstisch, trug seinen dunklen kleinen Maßanzug und sah nicht danach aus, daß er erst vor wenigen Stunden drei Gangster ausgeschaltet hatte.
»Hostans ist der Polizei unbekannt«, meinte Rander und stand auf. »Das besagt natürlich nichts. Nur verdammt leichtsinnig von diesem Burschen, gleich nach Ihrem Besuch derart kompakt zu reagieren.«
»Das macht auch mich allerdings etwas stutzig«, warf Parker bescheiden ein.
»Wie reagierten die drei Kerle im Keller, als Sie den Namen Joel Harrison erwähnten?«
»Ich möchte sagen, sie wurden stutzig. Zumindest zwei der drei Gangster.«
»Es hilft alles nichts, über diesen Hostans werden wir mehr erfahren müssen«, schlug Mike Rander vor. »Wollen Sie das übernehmen, Parker?«
»Ich werde mich bemühen, zu Ihrer Zufriedenheit zu arbeiten, Sir.«
»Ich weiß, ich weiß, Parker. Leutnant Current ist natürlich mißtrauisch geworden. Zu dumm, , daß die Harrisons die Polizei aus dem Spiel halten wollen. Zusammen mit ihr ließe sich viel mehr erreichen. Ich werde noch mal mit Mrs. Harrison sprechen. Vielleicht ändert sie dann ihren Entschluß ab, Parker. Sehen Sie eine Möglichkeit, die Spur Harrisons aufnehmen zu können?«
»Ich werde mich an Mr. Hostans halten. An ihn und seine drei Leute.«
»Schön, Sie haben selbstverständlich völlige Handlungsfreiheit, Parker. Drücken Sie nur nicht zu sehr auf die Tube. Sie haben ja gesehen, daß wir es mit einer Gang zu tun haben. Mit solchen Leuten ist niemals zu spaßen.«
»Ich werde mich noch einmal an meinen Gewährsmann wenden, der mir die Adresse des ›Pewell-Hotels‹ vermittelte«, schlug Josuah Parker weiter vor.
»Tun Sie, was Sie für richtig halten, Parker«, verabschiedete Rander seinen Mitarbeiter, Freund und Butler. »Ich fahre gleich raus zu den Harrisons und schlage noch mal vor, die Polizei einzuschalten.«
Es klingelte.
Parker entschuldigte sich und verließ das Arbeitszimmer. Er öffnete die Tür zum eigentlichen Dachgarten, schritt an den künstlichen Wänden aus Blattpflanzen und Blumen vorbei und erreichte die starke und solide Tür aus Stahl, die den Zugang vom Lift