Seine Muskeln schafften es allerdings nicht. Parker schien sich plötzlich in eine Marmorstatue verwandelt zu haben. Erst als Hostans Hand von seiner Schulter abrutschte, drehte Parker sich um.
Milde und Freundlichkeit lagen auf seinem Gesicht.
»Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß Sie etwas von mir wollen«, sagte er.
»Ich will wissen … Zum Teufel, so können Sie mir nicht kommen …! Wer sind Sie eigentlich?«
»Da Sie meinen Namen bereits kennen, ihn also nicht noch einmal hören wollen, werde ich mich näher erklären müssen, Sir.« Parker nickte zustimmend. »Ich bin Kriminalist aus Leidenschaft. Zur Zeit beschäftige ich mich mit dem Verschwinden eines Mannes, der aus unverständlichen Gründen nicht in den Schoß seiner recht angesehenen Familie zurückkehren will. Ich hoffe, Ihnen damit ausreichend gedient zu haben, Sir.«
Erneut das höfliche Lüften der schwarzen Melone. Während Hostans noch an Parkers Worten herumkaute, hatte Parker sich wieder umgedreht und schritt würdevoll wie ein Premierminister zum Tor.
Diesmal verzichtete Hostans darauf, Parker noch einmal zu folgen. Er hob aber seinen rechten Arm und winkte dem Pförtner am Tor verstohlen zu. Parker, der ihm den Rücken zuwandte, konnte das natürlich nicht sehen. Handelte der Butler nicht etwas leichtsinnig?
Der Pförtner gab durch nichts zu erkennen, daß er die Handbewegung seines Chefs gesehen hatte. Er verschwand jedoch im Torhaus und beugte sich über ein Schaltbrett mit Klingelknöpfen und Drehschaltern.
Josuah Parker hatte das Tor noch nicht ganz erreicht, als der Pförtner wieder an der Barriere erschien. Er grinste den Butler an und hinderte ihn nicht daran, das Grundstück zu verlassen …!
*
Parker wußte natürlich längst Bescheid.
Zwar besaß er keine Augen im Rücken, doch ein kleiner Handspiegel hatte ihm das Zeichen Mr. Hostans genau verraten. Er konnte sich also an fünf Fingern ausrechnen, daß er ab sofort beschattet und verfolgt werden sollte.
Als höflicher Mensch tat Josuah Parker alles, dieses Vorhaben zu erleichtern. Er schritt langsam die belebte Straße hinunter. Vom See kam ein leichter, salziger Wind auf. Er war jedoch mit Feuchtigkeit geladen und brachte kaum Erleichterung.
Ein medizinisches Wunder, daß Josuah Parker in seiner schwarzen Kleidung nicht schwitzte. Wie er das machte, war und blieb ein Geheimnis.
Vor der Auslage einer Bücherei blieb Parker stehen.
Falls nun ein Beobachter auftauchte, hatte er es mit einer gut eingespielten und straff geführten Organisation zu tun. Er war sehr gespannt, wie der Fall sich weiter entwickelte.
Und richtig, schon nach wenigen Sekunden sah er neben sich einen jüngeren Mann auftauchen, der gelassen auf seinem Chewing-gum herumkaute und nur einen abfälligen Blick auf die Bücher warf. Warum blieb dieser junge Mann am Schaufenster stehen, wenn er von der Auslage nichts hielt?
Parker schritt weiter.
Steif und aufrecht, als habe er einen Ladestock verschluckt, bog er in eine enge Seitenstraße ein, die hinunter zu den Kaianlagen führte.
Hier war es bereits recht dunkel. Die hohen Mauern der Lagerschuppen schirmten sogar den Widerschein der Leuchtreklamen ab. Parker hörte hinter sich leise, schnelle Schritte.
Versuchte sein Beobachter aufzuholen? Wollte er vielleicht sogar zum Angriff übergehen?
Jeder andere Mensch wäre stehengeblieben, hätte Verteidigungsstellung bezogen.
Aber nicht Butler Parker.
Angst war ein Fremdwort für ihn. Ohne auch nur eine Spur schneller zu gehen, hielt er auf die beiden Lokale zu, die am Ende der engen Gasse zu sehen waren.
Da passierte es …!
Er blieb sofort stehen, als ein harter Gegenstand seinen Rücken berührte.
»Mach’ bloß kein Theater …!« redete ihn eine hastige, schrille Stimme an, »los, komm mit rüber in die Toreinfahrt. Ich hab’ ’ne Kanone in der Hand, Alterchen, die geht prompt los, wenn du Ärger machst …!«
»Ich muß mir in aller Form Ihre Vertraulichkeiten verbitten«, erwiderte Parker.
Der Druck gegen seinen Rücken verstärkte sich.
Da gab Parker seinen Widerstand auf, ließ sich von dem wechselnden Druck des Revolvers in den dunklen Torweg dirigieren. Selbstverständlich dachte Parker nicht im Traum daran, schneller zu gehen. Es sah ganz so aus, als beherrsche er die Situation, nicht der junge Mann.
Sie standen kaum am Torweg, als sich ein Wagen näherte. Dieser Überfall war bis in alle Einzelheiten vorbereitet worden. Parker rührte sich nicht. Er war innerlich gespannt, wie es weitergehen würde. Sollte sein kurzes Gespräch mit Mr. Hostans bereits gewirkt haben?
Ganz wie Parker es erwartete, hielt der Wagen unmittelbar vor dem Torweg.
»Los, raus, Alter …!«
Parker schloß geblendet die Augen. Eine grelle Taschenlampe nahm ihm jede Sicht. Ihr Schein lag genau auf seinem Gesicht. Finger, die wie Stahlklammern wirkten, nahmen den Butler in Empfang. Ohne jede Rücksicht wurde Josuah Parker in den Wagen gestoßen. Routinierte Hände durchsuchten ihn nach Waffen. Und fanden nichts. Parker wunderte das überhaupt nicht. Wenn er schon eine Waffe mitnahm und sie versteckte, dann wählte er auch ein passendes und sicheres Versteck.
Der Wagen ruckte schnell an. Mit hoher Geschwindigkeit fuhr er hinunter zur angrenzenden Verbindungsstraße, bog nach rechts ab und nahm wieder Fahrt auf.
Josuah Parker saß ungerührt und steif auf dem linken Rücksitz. Er stellte keine Fragen, ignorierte die Anwesenheit seiner Entführer. Er machte allerdings auch nicht den geringsten Versuch, das Blatt zu seinen Gunsten zu wenden.
Nach knapp zehn Minuten schon endete die schnelle Fahrt. Der Wagen hüpfte über eine hohe Bodenschwelle, sackte tief in die Federn und blieb stehen.
»Aussteigen …!« kommandierte eine fremde, rauhe Stimme.
»Wenn Sie gestatten, werde ich mich erheben«, meinte Josuah Parker gemessen. Er stieg aus dem Wagen und sah sich verstohlen um. Noch immer – das hatte die Fahrt bewiesen –befand er sich in der Nähe der Kais. Jetzt stand er in einem von hohen Mauern umgebenen Fabrikhof.
Außer dem jungen Mann, der ihn verfolgt hatte, entdeckte Parker nun mit Sicherheit noch zwei weitere Männer, die ihm mit dem Wagen nachgefahren waren.
Irgendwie hatten sie so etwas wie Mitleid mit ihm. Sie verzichteten darauf, ihn zusammenzuschlagen oder mit roher Gewalt in den langen Steinanbau zu schleifen. Parker durfte frei gehen.
Die drei Männer führten ihn an einen Lastenaufzug. Minuten später senkte sich die Bühne nach unten in den Keller. Die Schritte hallten in den niedrigen Gewölben wider. Parkers Nase unterschied fremdartige Gerüche, die ihn an Gewürze und Obst erinnerten.
In einem fensterlosen Büroraum endete der Fußmarsch.
»Nun paß mal gut auf«, sagte der Mann mit der rauhen Stimme, ein breitschultriger Mann, der wie ein Filmgangster aussah. »Ich wette, besonders viel kannst du nicht schlucken, Alterchen. Wir wollen dir nicht den Nerv töten, wenn du schnell das Maul aufmachst und uns die Wahrheit sagst.«
»Sie wünschen, wenn ich nicht irre, einige Informationen von mir?« erkundigte sich Parker. »Ihre Erlaubnis vorausschickend, werde ich mich setzen. Ich muß gestehen, daß dieser Abend recht anstrengend für mich ist.«
»Dann also raus mit der Sprache.« Der Gangster mit dem narbigen, unangenehm bös aussehenden Gesicht, baute sich dicht vor dem Butler auf. »Wer schickt dich, hinter wem bist du her?«
»Je schneller du redest, desto weniger Schmerzen wirst du haben. Wir können nämlich ganz prächtig aufdrehen, wenn man uns mit Zicken kommen will.« Der dritte Mann hatte sich eingemischt.
Er