»Im normalen Sprachgebrauch sagt man Habgier dazu, wenn ich mich nicht sehr täusche«, meint Josuah Parker. »Gehe ich richtig in der Annahme, daß Gatewell Ihr engster Mitarbeiter war?«
»Wir wollten gemeinsam ins Geschäft kommen. Aber wozu noch darüber reden, ich habe verspielt!«
»Noch einige Fragen, Mr. X, oder Professor Manfield, wie Sie jetzt wohl lieber hören wollen. Wer stellte die Fotokopien her?«
»Ich … wer sonst?«
»Und Mr. Paul Adams?«
»Den hätten wir als einen der möglichen Täter ins Spiel gebracht, sobald etwas über die Fotokopien herausgekommen wäre!«
»Sie ließen Henry Manters töten?«
»Dieser Verräter wollte die Fotokopien an eine fremde Gruppe und auf eigene Rechnung Weiterverkäufen. Gut, daß wir ihm noch das Handwerk legen konnten.«
»Wohin sollte Manters denn die Unterlagen bringen? Ich meine, wie hieß das wirkliche Ziel?«
Was haben Sie davon, wenn ich Ihnen diese fremde Macht nenne!«
»Übergehen wir also die Frage … Sie wird früher oder später doch geklärt werden. Aber können Sie uns möglicherweise sagen, wer Walt und Butch sind?«
»Gewöhnliche Gangster, die auf eigene Rechnung arbeiten.«
»Gangster, die die Fotokopien wahrscheinlich an die Botschaft einer fremden Macht in London Weiterverkäufen wollten, nicht wahr?«
»Wen interessiert das noch …?« Professor Manfield ließ den Kopf sinken und starrte auf seine verwundete Hand. »Schaffen Sie mich weg, Sie langweilen mich!«
»In den Genuß können Sie kommen«, sagte Canters und ging ans Telefon. Dann blieb er plötzlich stehen und sagte zu Parken »Wo, zum Henker, sind nun die Unterlagen, Parker?«
»In Chikago, Sir«, erwiderte Parker lächelnd. »Die Einzelheiten werde ich Ihnen, Ihre Erlaubnis vorausgesetzt, später erzählen …!«
*
»Wir haben Ihren Doppelgänger gefunden, Parker«, sagte Leutnant Canters einen Tag später. »James Henderson erlag einem Autounfall. Genauer gesagt, er starb nach einem Unfall im Krankenhaus. Eben habe ich die Meldung bekommen. Damit können wir die Akte schließen, denke ich.«
»Ich bin froh darüber, Sir, zumal ich mir einige schöne und unbeschwerte Stunden und Tage hier in Miami gönnen wollte!«
»Dem steht jetzt nichts mehr im Wege, Parker.« Canters kam lächelnd um seinen Schreibtisch herum und nickte dem Butler zu. »Ich habe mit Ihrem Chef gesprochen, Parker. Anwalt Rander hat die Unterlagen bereits über einen CIA-Kurier hierher zurückgeschickt.«
»Ich habe ebenfalls mit meinem jungen Herrn gesprochen«, sagte Parker.
»Na, der wird doch begeistert sein, oder? Er wird Ihren Urlaub gewiß verlängern.«
»In der Tat, Sir, das war seine Absicht.«
»Wie, Sie wollen nicht, Parker? Hört sich wenigstens so an …!«
»Ich kann und darf nicht, Sir«, erwiderte Parker höflich, aber bestimmt. »Mr. Rander ist in einen Kriminalfall verwickelt, der sich auszuweiten droht, eine Tatsache, der ich mich nicht verschließen kann, was heißen soll, daß ich die nächste Maschine nehmen werde, um nach Chikago zurückzufliegen, denn es ist für mich ausgeschlossen, daß Mr. Rander allein mit Gangstern umgeht!«
Als Parker schon längst gegangen war, dachte Leutnant Canters über diesen Bandwurmsatz nach und zergliederte ihn in seine einzelnen Bestandteile.
Er wollte schließlich wissen, was Parker nun wirklich gesagt hatte …
– ENDE –
»Ihre Ausdrucksweise mißfällt mir außerordentlich«, stellte Butler Josuah Parker fest. Ein verweisender Unterton in seiner beherrschten Stimme war unverkennbar. Steif und korrekt stand er vor der Anmeldung des kleinen, schäbigen Hotels. »Ob Mr. Harrison mich zu empfangen wünscht oder nicht, möchte ich, selbstverständlich mit Ihrer freundlichen Genehmigung, selbst von ihm hören.«
Der Mann hinter der Theke stieß ein gefährliches Knurren aus. Mißtrauisch zog er die Augen bis auf einen schmalen Spalt zusammen. In seinen Kreisen redete man nicht derart höflich oder kompliziert. Er fühlte sich leicht auf den Arm genommen, was seine an sich schon schlechte Laune nicht unerheblich steigerte. Der Nachtportier war gut und gern einen Kopf größer als der Butler.
Und dazu noch viel breiter und muskulöser. Die hochgerollten Ärmel des bunt bedruckten Hawaiihemdes gaben dicke Muskelschlangen frei.
Dieser Mann war gefährlich.
Das sah und spürte Butler Parker.
Doch er dachte nicht im Traum daran, die enge und schlecht beleuchtete Halle des kleinen Hotels zu verlassen.
Abwartend sah Josuah Parker sein Gegenüber an. Der Muskelprotz überlegte noch, was er tun sollte. Und er rätselte gleichzeitig darüber nach, wer der Mann vor der Theke wohl sein könnte.
Nun, Josuah Parker paßte nicht in diese Umgebung. Hier wurde die Nachlässigkeit groß geschrieben. Josuah Parker hingegen zeigte sich korrekt gekleidet wie immer. Trotz der drückenden Schwüle an diesem späten Nachmittag war er ganz in Schwarz gekleidet. Melone und Regenschirm vervollständigten seinen Anzug.
Josuah Parker wirkte in dieser seltsamen Aufmachung wie ein Überbleibsel vergangener Zeiten. Er sah sehr harmlos aus und schien zu den Menschen zu gehören, die grundsätzlich kein Wässerchen trüben können.
Der Muskelprotz war inzwischen zu einem Resultat gekommen. Langsam umschritt er die Theke, breit grinste er den Butler an. Doch in seinen noch engen Augen glitzerte die Tücke.
»Putz’ endlich die Platte …!« redete er den Butler noch einmal an. Überraschend sanft klang die Stimme. »Harrison ist für dich nicht zu sprechen Das reicht doch, oder …?«
»Ich protestiere in aller Form«, antwortete Josuah Parker ohne ein Zittern in der baritonal gefärbten Stimme. »Ich werde mich bei der Hotelleitung beschweren müssen …!«
»Na, dann eben nicht …!«
Der Muskelprotz stieß einen erleichterten Seufzer aus. Er hatte schon befürchtet, der Besucher könnte gehen, ihn damit um seinen Spaß bringen.
Er visierte die schwarze, steife Melone auf Parkers Kopf an. Ihm schwebte vor, sie mit einem harten Fausthieb über Parkers Ohren zu treiben. Eine durchaus verständliche Regung, da die Melone sich dazu ja förmlich anbot.
Seine breiten Pranken zuckten hoch. Die Lippen verzogen sich bereits zu einem ironischen Grinsen. Bevor die Hände jedoch die Melone erreichten, reagierte der Butler.
Der mit Blei präparierte Griff des schwarzen Regenschirms bewegte sich blitzschnell nach oben und traf genau die Kinnspitze des Nachtportiers.
Die Wirkung war überraschend. Ein auskeilendes Pferd hätte nicht härter schlagen können. Der Muskelprotz ächzte, verdrehte die Augen und ließ beide Arme fallen.
Im gleichen Moment senkte sich der Universal-Regenschirm des Butlers.
Die Schirmspitze traf die Zehen des linken Fußes. Da diese Spitze ungewöhnlich scharf war, wurden die Zehen nicht gerade sanft behandelt.
Automatisch knickte der Fleischberg zusammen, riß den mißhandelten Fuß hoch. Eine reine Instinkthandlung, die er nicht kontrollierte.
Darauf schien Josuah Parker nur gewartet zu haben.
Das Genick des Mannes bot sich ihm an. Er konnte einfach nicht widerstehen. Mit einem schnellen Handkantenschlag beendete Parker die unerfreuliche Diskussion.