»Wahrscheinlich haben wir’s mit einem Spaßvogel zu tun«, antwortete der Anwalt. »Mit einem irren selbstverständlich!«
»Zumindest mit einem äußerst ungewöhnlichen Täter«, sagte Parker. »Wer bringt seine Opfer schon auf dem Umweg über eine Giftspinne um? Um es mit anderen Worten auszudrücken, Sir, dieses Verfahren ist nicht nur umständlich, sondern darüber hinaus noch sehr unsicher, wenn bisher auch vier junge Damen ermordet worden sind.«
»Eben, Parker. Ich gehe also noch einen Schritt weiter. Wir haben’s mit einem Geisteskranken zu tun! Oder sind Sie etwa anderer Meinung? Wäre bei Ihnen ja nicht verwunderlich.«
Mike Rander stand auf und ging nachdenklich durch das Zimmer. Unbewußt suchte er dabei den weichen Veloursteppich mit den Augen ab. Innerhalb kurzer Zeit hatte er sich eine ausgewachsene Spinnenphobie angezüchtet.
Plötzlich lachte er leise auf. Als er den erstaunten Blick seines Butlers bemerkte, blieb er hinter dem schweren und tiefen Sessel stehen.
»Sehen Sie mich nicht so verwundert an«, sagte er dann. »Ich komme mir mit meiner Spinnenangst bereits komisch vor! Die ganze Zeit über suchen meine Augen nach Vogelspinnen.«
»Sie leiden an dem, was der Mediziner Phobie nennt«, antwortete der Butler trocken. »Mit anderen Worten, Sie leiden unter der magischen und zwangsläufigen Furcht vor Spinnen.«
»Und ob ich daran leide!« Rander schüttelte über sich selbst den Kopf.
»Vielleicht nicht nur Sie, Sir«, warf der Butler ein.
»Durchaus möglich, Spinnenphobie ist ja nicht ungewöhnlich.«
»Könnte der gesuchte Täter nicht darauf bauen, Sir?«
»Wie soll ich das verstehen? Ah, Sie denken an seine bisherigen Opfer?«
»Ich denke an Mr. Stonewell, Sir, der durch die Morde doch materiell geschädigt wurde.«
»Ich denke eigentlich mehr an die Opfer dieses wahnsinnigen Mörders«, entgegnete der Anwalt trocken. »Die sind doch schließlich geschädigt worden, oder?«
»Aber doch wohl nur, Sir, um Mr. Stonewell in peinliche geschäftliche Situationen zu bringen. Deckt sich das nicht mit dem, was Mr. Stonewells Sekretär Ihnen berichtet hat?«
»Herb Lasters... Richtig! Jede der vier jungen Schauspielerinnen sollte von Stonewell groß herausgestellt werden. Und alle starben, nachdem sie bereits die jeweiligen Dreharbeiten bis zur Hälfte hinter sich gebracht hatten.«
»Welche wirtschaftlichen Nachteile mußte Mr. Stonewell danach in Kauf nehmen, Sir, wenn ich mir diese Frage erlauben darf?«
»Er mußte die Dreharbeiten neu beginnen und die jeweiligen Hauptrollen besetzen.«
»Handelte es sich um je einen verschiedenen Film, Sir, oder um ein und denselben Film?«
»Keine Ahnung, danach habe ich Herb Lasters nicht gefragt. Sie glauben, der Mörder ist hinter einem ganz bestimmten Film her?«
»Eine Klärung dieser Frage dürfte interessant und zugleich auch aufschlußreich sein, Sir.«
»Wir werden Lasters danach fragen, Parker. Und zwar umgehend. Ich weiß ja jetzt, wo wir ihn erreichen können.«
»Ist Mr. Herb Lasters aufgeschlossen und unabhängig genug, Ihnen und meiner Wenigkeit Auskunft zu geben?«
»Und ob er aufgeschlossen genug ist, Parker. Ich habe das Gefühl, daß er auf seinen Boß nicht sonderlich gut zu sprechen ist!«
»Hier wohnt er«, sagte Mike Rander eine knappe halbe Stunde später und deutete auf ein modernes Apartmenthaus, das an einem sanften Berghang nördlich von Beverly Hills lag. Die meisten Jalousien waren wegen der starken Sonne herabgelassen worden.
Parker stellte den Leihwagen auf dem Parkplatz ab und beeilte sich, seinem jungen Herrn den Wagenschlag zu öffnen. Natürlich kam er zu spät, denn Mike Rander kam es ausgesprochen albern vor, daß Parker seine Dienstleistungen als Butler auch in dieser Hinsicht übertrieb.
Parker schickte einen mißbilligenden Blick auf seinen jungen Herrn, der sportlich und elastisch ausgestiegen war. Für Parker war es wiederum undenkbar, daß ein Herr allein aus einem Wagen stieg und freiwillig darauf verzichtete, daß man ihm die Wagentür höflichst öffnete.
»Stecken Sie’s in Zukunft auf«, meinte Rander lächelnd und schlug die Wagentür zu. »Daran würde ich mich niemals gewöhnen.«
»Als ich seinerzeit in London den großen Vorzug hatte, der Butler des Duke of Beaufort zu sein, Sir, da...«
»London ist weit«, sagte Rander, ihm das Wort abschneidend. »Zudem bin ich kein Duke... Kommen Sie, bevor Sie in Tränen ausbrechen...!«
Kerzengerade, als habe er einen Stock verschluckt, folgte der Butler seinem jungen Herrn. Und erneut stahl sich so etwas wie Mißbilligung in seinen Blick, als Mike Rander in der Halle des Apartmenthauses interessiert einer sehr attraktiven, jungen Dame nachblickte die den Lift verließ.
Sie mochte zwar fast dreißig Jahre alt sein, aber sie sah noch ungemein gut aus. Sie war nicht im landläufigen Sinne schön. Sie gehörte schon gar nicht zu den puppigen Dutzendschönheiten, wie man sie auf den Straßen von Los Angeles allenthalben finden kann.
Sie war etwas über mittelgroß, schlank und besaß alle jene Vorzüge, die eine reife Frau auszeichnen. Ihr dunkelbraunes Haar paßte zu den haselnußbraunen Augen und zu dem exotischen Schnitt ihrer Augen. Sie trug ein einfaches, knapp sitzendes Kostüm und übersah die beiden äußerlich so ungleichen Männer.
»Sir, wenn ich darauf aufmerksam machen darf, daß der Lift wartet«, sagte Parker, als sein junger Herr der Dame nachblickte.
»Und wenn ich Sie darauf aufmerksam machen darf, Parker, daß die Dame einen kurzen Aufenthalt wert ist«, gab Rander spöttisch zurück. »Sagen Sie mal, haben Sie denn überhaupt kein Herz im Leib, keine Gefühl für die Schönheiten der Natur?«
»Durchaus, Sir, auch im Hinblick auf die Schönheiten der weiblichen Natur«, erwiderte Parker gemessen, »doch dieses Gefühl erlaube ich mir nur in meiner Freizeit zu leisten.«
»Was das angeht, so haben Sie von mir aus immer Freizeit«, sagte Rander lächelnd. Dann betrat er den Lift und fuhr zusammen mit Parker in die dritte Etage, wo Herb Lasters wohnte.
Vor der Wohnungstür angekommen, legte Parker seinen Zeigefinger nachdrücklich auf die Türklingel. Im Inneren der Wohnung war ein melodischer Gong zu hören.
»Ob Mr. Lasters heute zu Hause ist, Sir?« fragte Parker, als sich in der Wohnung nichts rührte.
»Lasters wollte heute zu Hause bleiben«, antwortete Rander. »Hat er mir wenigstens gesagt.«
»Vielleicht hätte man vorher anrufen sollen.«
»Darauf hätten Sie auch früher kommen können«, gab Rander ironisch zurück. Er wandte sich von der Tür ab und zündete sich eine Zigarette an. »Er scheint wohl weggegangen zu sein!«
»Dann aber erst kurz vor unserem Erscheinen, Sir.«
»Wie kommen Sie denn darauf?«
»Darf ich Sie auf die nassen Fußspuren aufmerksam machen?«
Parker deutete auf die Abdrücke auf dem Läufer vor der Tür. Die nasse Nachzeichnung eines spitzen Damenschuhs war deutlich zu erkennen.
»Tatsächlich, Parker. Und die Trägerin des Schuhs hat die Wohnung verlassen.« Rander beugte sich etwas nieder, um noch besser sehen zu können. Die Spitze des Schuhs deutete auf die Mitte des Korridors hin.
Parker beschäftigte sich inzwischen mit anderen Dingen. Er griff in eine seiner Rocktaschen und holte ein Schlauchstethoskop hervor, dessen Membrane er gegen die Türfüllung legte. Die beiden Schlauchenden