Belohnung! ja sie kann uns hier nicht fehlen,
Hier, wo sich früh, vor mancher deutschen Stadt,
Geist und Geschmack entfaltete, die Bühne
Zu ordnen und zu regeln sich begann.
Wer nennt nicht still bei sich die edlen Namen,
Die schön und gut aufs Vaterland gewirkt,
Durch Schrift und Rede, durch Talent und Beispiel?
Auch jene sind noch unvergessen, die
Von dieser Bühne schon seit langer Zeit
Natur und Kunst darbietend herrlich wirkten;
Gleicht jener Vorzeit nicht die Gegenwart?
Er sprach auch gegen Rochlitz die Erwartung aus, wie belehrend dieser Aufenthalt in Leipzig für die Schauspieler sein würde, und später seine Freude, daß dieses theatralische Unternehmen glücklich vollendet und mit Ehre und Vortheil belohnt worden sei; auch fand er es sehr artig, daß sogar das kleine Schäferspiel, das er 1768 in Leipzig geschrieben, auch noch auftauchen mußte und gut empfangen ward, eine Aufführung (am 29. Aug. 1807), bei der wohl Käthchen selbst gegenwärtig gewesen ist.
Wenn uns bisher eine hervorragende Persönlichkeit nicht entgegengetreten ist, welche einen bestimmenden Einfluß auf Goethe ausgeübt hätte, so finden wir diese auf dem Gebiet der bildenden Kunst in Adam Friedrich Oeser, der seit 1763 als Director der Kunstakademie in Leipzig lebte und dort als Maler und Bildhauer wie als Mensch in hoher Achtung stand. Goethe, dessen glückliche Naturanlagen für die bildende Kunst bereits im väterlichen Hause sorgfältig gepflegt waren, suchte sie auch in Leipzig weiter auszubilden und nahm bei Oeser Unterricht im Zeichnen, an welchem auch der nachmalige Staatskanzler Hardenberg,[25] der Fürst Lieven und Gröning aus Bremen Theil nahmen. Später begnügte er sich mit dem Zeichnen nicht, sondern wurde durch den Verkehr mit dem Kupferstecher Stock — dessen Töchter Minna, später die Gattin Körners, und Dora nachmals zu Schiller in ein so inniges Verhältniß traten — veranlaßt, sich auch mit dem Radiren zu beschäftigen, wovon noch jetzt kleine Platten für Schönkopf und Käthchen geätzt um ihre Bücher zu zeichnen,[26] und zwei größere Radirungen Zeugniß geben.[27] Oesers Verdienste als Künstler, welche seine Zeitgenossen überschätzten, hat Goethe später richtig gewürdigt; sein Einfluß auf Goethe aber reichte weit über die Belehrung von bildender Kunst hinaus; in seinem Verkehr war es ihm einleuchtend geworden, „daß die Werkstatt des großen Künstlers mehr den keimenden Philosophen, den keimenden Dichter entwickelt, als der Hörsaal des Weltweisen und des Kritikers.“ Er war ein sinniger, denkender Mann von kräftiger Eigenthümlichkeit und nicht geringer Bildung, durch hingeworfene Andeutungen mehr anregend als aufklärend, frisch und derb, heiter und jovial, kurz ein Mann, der auf die Jugend ungemein wirken mußte. Durch aufmunternde Anerkennung gewann er Goethes Vertrauen und Neigung und gab ihm in der bildenden Kunst einen sicheren Ausgangspunkt für die Erkenntniß des Schönen, um welche Goethe eifrig bemüht war, um sie auch auf anderen Gebieten fruchtbar zu machen. Oeser war Winckelmanns vertrauter Freund gewesen und hatte auch auf dessen Ansichten von der Kunst großen Einfluß geübt; die Begeisterung, mit welcher Winckelmann allgemein verehrt wurde, ließ Oeser in einem höheren Licht glänzen und der persönliche Eindruck dieses Mannes gab auch der Verehrung für Winckelmann einen bestimmten gleichsam persönlichen Charakter. Wie ein Blitz aus heiterem Himmel traf daher alle die Nachricht von Winckelmanns Tode zu der Zeit, da man eben seinem Besuch entgegensah. Auch auf diesem Gebiet war es Lessing, der durch seinen Laokoon ein ungeahntes helles Licht in die jüngern Geister warf, und reinigend und stärkend wie kein anderer sie ergriff, indem er ihnen nicht sowohl die Wahrheit als den Weg zeigte, auf welchem sie zu derselben gelangen konnten, und mit sittlichem Ernst von ihnen verlangte, daß sie den Schweiß und selbst den Schmerz der Anstrengung nicht scheueten, um die Wahrheit zu erringen. Noch können wir die Spuren erkennen, mit welchem Eifer Goethe Lessing zu studiren und an ihm sich weiter zu bilden bestrebt war.[28]
Für Goethes ganze spätere Entwickelung ist es von der größten Bedeutung, daß er schon jetzt durch Oeser in dem Sinne mit der Kunst, und ganz besonders der des Alterthums, vertraut gemacht wurde, welchen er sein ganzes Leben hindurch bewahrt hat. Er hat lange zwischen der Dichtkunst und der bildenden Kunst geschwankt, und erst spät mit Schmerzen die Einsicht gewonnen, daß er in der letzteren nur Dilettant sein könne;[29] allein das plastische Element seiner Poesie hing mit dieser Richtung auf die bildende Kunst so eng zusammen, daß die Anschauung und Einsicht, welche er auf diesem Gebiet in früher Jugend gewann, fortwährend einflußreich und maßgebend gewesen ist. Mit der hingebendsten Dankbarkeit und einer wahrhaft ehrfurchtsvollen Liebe spricht er sich in seinen Briefen gegen Oeser aus und an Reich[30] schreibt er: „Oesers Erfindungen haben mir eine neue Gelegenheit gegeben, mich zu seegnen, dass ich ihn zum Lehrer gehabt habe. Er drang in unsere Seelen und man musste keine haben um ihn nicht zu nutzen. Sein Unterricht wird auf mein ganzes Leben Folge haben. Er lehrte mich, das Ideal der Schönheit sei Einfalt und Stille.“[31] Später wurde die Bekanntschaft von Weimar aus wieder erneuet. „Wie süß ist es,“ schreibt er an Frau von Stein (25. December 1782),[32] „mit einem richtigen, verständigen, klugen Menschen umgehn, der weis wie es auf der Welt aussieht und was er will, und der, um dieses Leben anmuthig zu genießen, keinen superlunarischen Aufschwung nöthig hat, sondern in dem reinen Kreise sittlicher und sinnlicher Reize lebt. Denke Dir hinzu, daß der Mann ein Künstler ist, hervorbringen, nachahmen und die Werke anderer doppelt und dreifach genießen kann, so wirst Du wohl nicht einen glücklichern denken können[33]. So ist Oeser, und was müßte ich Dir nicht sagen, wenn ich sagen wollte, was er ist.“ Ähnliche Äußerungen wiederholen sich, so oft er Oeser sieht und bezeugen, wie tief er auch in seinen Mannesjahren Oesers Werth empfand. Durch Goethe mit dem Weimarschen Hofe bekannt gemacht, ward er dem Herzog Carl August wie der Herzogin Amalia durch seine Kunstkenntniß und Erfahrung werth; die letztere gewann ihn besonders lieb und veranlaßte ihn zu wiederholten Besuchen in Weimar, wo seine lebensfrische, geistreiche Jovialität und seine weltmännische Klugheit ihn zu einem stets willkommenen Gast machten.
Durch Oeser waren Goethe die Kunstsammlungen Leipzigs, von denen die Winklersche einen großen Ruf mit Recht behauptete, geöffnet, um ihn sammelte sich ein Kreis von Kunstfreunden und Kennern, unter denen besonders neben Huber sich Kreuchauff auszeichnete, der früher Kaufmann gewesen war, später nur seinem Interesse für die Kunst lebte, das er auch durch Schriften bewährte. Dieser Kreis pflegte sich in Oesers überaus gastfreiem Hause in der Pleißenburg, im Sommer auf dem Landsitz, den er in Dölitz besaß, in ungezwungener Heiterkeit zu versammeln. Eine Predigt im Frankfurter Judendialekt, welche Goethe dort vorzutragen liebte, von ihm selbst aufgeschrieben, ist ein harmloses Zeugniß der jugendlichen Fröhlichkeit, welche dort herrschte. Die Seele dieser Gesellschaft war, für die Jugend zumal, Oesers älteste Tochter Friederike Elisabeth, geboren im Jahr 1748, unvermählt hierselbst gestorben im Jahre 1829. Von Jugend auf war sie der Liebling des Vaters gewesen und selbst wenn er arbeitete in seiner Gesellschaft. Durch ihren Muthwillen, welchen ihr phlegmatischer Bruder besonders empfinden mußte, ergötzte sie ihn als Kind, später stand sie ihm durch Verstand und Bildung nahe; er bediente sich ihrer Feder und ließ fast seine ganze Correspondenz von ihr führen. Ihr volles Gesicht mit dem Stumpfnäschen und den lebendigen braunen Augen stimmte zu ihrer kleinen raschen Figur, und wenn auch durch