Butler Parker 112 – Kriminalroman. Günter Dönges. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Günter Dönges
Издательство: Bookwire
Серия: Butler Parker
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783740919283
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um zwei Männer, die laut Aussage ihrer Freunde Jagd auf Seejungfrauen machen wollten. Mit gebrochenem Genick waren sie später in der Brandung entdeckt worden.

      Jagd auf diese Seejungfrauen machten nun auch Lady Simpson und ihr Butler. Sie befanden sich an der Stelle, wo die beiden jungen Männer sich versteckt haben mußten. Die Polizei hatte hier zwischen den Klippen eine leere Whisky-Taschenflasche und einige Zigarettenkippen gefunden. Die kriminaltechnischen Untersuchungen ergaben eindeutig, daß die beiden jungen Männer aus der Flasche getrunken und die Zigaretten geraucht hatten.

      Parker beobachtete inzwischen die Brandung durch ein lichtstarkes Marineglas. Von Seejungfrauen war leider nichts zu sehen. Dafür erschien in der Optik eine Gestalt, die über den schmalen Pfad zur Brandungszone hinunterrutschte.

      Parker tauschte das Marineglas gegen ein Nachtsichtgerät aus, das auf der Basis der Restlichtmenge arbeitete. Selbst die schwächsten Lichtspuren wurden durch die Elektronik dieses Geräts vertausendfacht.

      Die Gestalt entpuppte sich als ein schmaler, nicht gerade großer Mann, der offensichtlich nicht fest auf den Beinen stand. Vielleicht hatte er auch nur zuviel Schwung. Er rutschte schon nicht mehr über den steilen Pfad nach unten, er rannte eigentlich und lief Gefahr, jeden Moment nach unten in die Brandung zu stürzen.

      Josuah Parker hegte einen schlimmen Verdacht. Wurde der Mann etwa verfolgt und gehetzt?

      Er richtete sein Nachtsichtgerät weiter nach oben und fand seine Vermutung bestätigt. Zwei schmale, geschmeidige Gestalten, die in schwarze Trikots gehüllt zu sein schienen, waren hinter dem Mann her.

      Sie hielten, was Parker mißbilligend feststellte, Preßluftharpunen in den Händen. Noch weniger erfreulich war die Tatsache, daß die Personen schwarze Gesichtsmasken trugen, die nur ihre Augen frei ließen.

      Parker schloß messerscharf, daß die beiden Gestalten keineswegs auf dem Pfad der Tugend wandelten. Sie schienen die Absicht zu haben, den Flüchtenden ins Jenseits zu befördern.

      *

      »Ein Zimmer wollen Sie haben?« fragte Norman Carty und sah die junge Frau aus schlauen Augen abschätzend an. »Das sieht schlecht aus. Das Nest hier ist bis unters Dach voll belegt.«

      »Ich nehme sogar eine Badewanne«, entgegnete die junge Frau. »Hauptsache, ich kann mich irgendwo hinlegen. Ich bin restlos fertig.«

      Sie gefiel ihm auf den ersten Blick, war etwas über mittelgroß, hatte unwahrscheinlich lange Beine von tadellosem Wuchs und zeigte auch sonst jene Formen in Perfektion, die ein Mann schätzte. Sie hatte tizianrotes Haar und Augen, deren Farbe nicht so recht festzustellen war. Sie konnten grün, aber auch grau sein. Die hoch angesetzten Backenknochen gaben diesem Gesicht einen exotischen Reiz.

      Sie trug eng anliegende Jeans, einen Pulli und darüber eine Jacke aus Schaffell. Die große Reisetasche aus Jeansstoff war auf dem Boden abgesetzt.

      Norman Carty, der Besitzer des kleinen Hotels, war ein guter Menschenkenner. Er versuchte herauszufinden, wer die junge Frau wohl sein mochte. Ihr Auftreten war eine Mischung aus Selbstbewußtsein und Temperament, auch wenn die junge Frau einen etwas müden Eindruck machte. Seiner Schätzung nach war sie vielleicht gerade fünfundzwanzig.

      »Haben Sie ’ne Panne gehabt?« fragte Carty.

      »Der Wagen steht ein bis zwei Meilen von hier auf der Straße«, antwortete sie. »Irgendwas mit dem Motor klappt nicht. Von solchen Dingen haben ich keine Ahnung.«

      »Vielleicht kann ich Ihnen für eine Nacht helfen«, sagte Carty. »Um diese Zeit werden Sie hier in Panrose doch nichts finden. Toll ist das Zimmer aber nicht.«

      »Ich kann mich anpassen«, sagte die junge Frau, »ich heiße übrigens Jane Wells und komme aus London.«

      Sie nahm ihre Tasche hoch und folgte ihm ins Haus. Norman Carty ließ sie absichtlich vorgehen und kam voll auf seine Kosten. Sein Gast bewegte sich mit der lässigen Geschmeidigkeit eines Tieres und hätte allein schon mit diesem Gang ein Topmannequin ausgestochen.

      Es ging auf Mitternacht zu, die Halle des kleinen Hotels war leer. Durch eine nur angelehnte Tür konnte man hinüber in die Bar sehen, die noch beleuchtet war. Einige Männer schienen sich dort aufzuhalten. Man hörte Stimmen, Gelächter und das Klirren von Gläsern.

      »Sie haben beruflich hier zu tun?« erkundigte sich Carty und zog das Gästebuch heran.

      »Ich bin ... Journalistin«, lautete die Antwort der jungen Frau. Carty war das kurze Zögern nicht entgangen. Er tat aber so, als habe er nichts gemerkt.

      »Vielleicht tragen Sie sich schon mal ein«, schlug er vor, »Privatanschrift und Zeitung.«

      »So streng sind hier die Bräuche?«

      »Sind Sie beruflich hier?« fragte er ohne auf ihre Bemerkung einzugehen.

      »Okay«, erwiderte sie, »hier in der Gegend soll sich ja eine Menge ereignet haben.«

      »Sind Sie hinter einer bestimmten Story her?«

      »Mal sehen«, wich sie aus, »vielleicht ist das hier auch nur ein Schlag ins Wasser.«

      Sie hatte sich ins Gästebuch eingetragen und sah Carty fragend an. Er hielt bereits den Zimmerschlüssel in der Hand und ging dann voraus. Es war ein recht verwinkelter Weg, den sie durch das niedrige, aber dennoch zweistöckige Haus nahmen. Es ging durch Korridore, über Treppen und eine Galerie.

      »Hoffentlich können Sie mir einen Kompaß überlassen«, fragte die junge Frau, als sie das Zimmer erreicht hatten, »allein finde ich kaum zurück ins Hotel.«

      »Ich werd’ Ihnen einen Pfadfinder schicken«, gab Norman Carty lächelnd zurück. »Sie wohnen hier direkt über den früheren Ställen.«

      »Selbst Mäuse werden mich nicht erschrecken«, erwiderte sie gähnend. »Vielen Dank, hier sieht’s ja beinahe fürstlich aus.«

      Er wußte nicht, wie er sie einordnen sollte und nahm sich vor, den Dingen auf den Grund zu gehen. Vielleicht war sie genau das, was er gerade brauchte...

      *

      Butler Parker stand grundsätzlich immer auf der Seite der Verfolgten.

      Auch in diesem Fall hatte er das sichere Gefühl, etwas für den flüchtenden und stolpernden Mann tun zu müssen. Seine Chancen waren nämlich nicht sehr groß. Gegen die beiden Preßluftharpunen vermochte der Flüchtende nichts auszurichten.

      »Vielleicht erfahre ich endlich, was eigentlich los ist«, machte Agatha Simpson sich bemerkbar. Ihre an sich schon baritonal gefärbte Stimme grollte erheblich.

      »Falls Mylady gestatten, werde ich zu diesem Punkt später ausführlich Stellung nehmen«, antwortete der Butler und griff nach der Leuchtpistole, die er in die Steilküste mitgenommen hatte. Sie war an sich für das mögliche Auftauchen der Seejungfrauen gedacht, mußte nun aber umgehend zweckentfremdet werden.

      Josuah Parker entsicherte diese ungewöhnliche Waffe und warf sicherheitshalber noch mal einen Blick durch das Nachtsichtgerät. Die beiden maskierten Verfolger hatten bereits gefährlich aufgeholt, es war nur noch eine Frage von Sekunden, bis sie ihre Harpunen auf den Flüchtenden abschießen würden. Es wurde höchste Zeit, die beiden Maskierten ein wenig zu verunsichern.

      Josuah Parker besorgte das sehr gründlich. Mit halben Dingen gab er sich grundsätzlich nicht ab.

      Der Schuß dröhnte aus der großläufigen Waffe. Das Geschoß landete klatschend an der Felswand und platzte hier prompt auseinander. Das Leuchtmaterial spritzte herum und entwickelte eine gleißende Helligkeit, die unbedingt blenden mußte.

      Der Flüchtende wurde davon kaum betroffen, da das Geschoß hinter ihm am Felsen gelandet war. Der Mann stutzte nur kurz und stolperte dann weiter nach unten. Die beiden Verfolger aber hatten echte Orientierungsschwierigkeiten, da der Leuchtsatz vor ihren Augen gezündet hatte. Sie rissen ihre Arme hoch, um sich gegen die grelle Lichtflut zu schützen, blieben stehen und tappten mit den Armen vor dem Gesicht anschließend durch die Gegend. Sie suchten Kontakt mit den Felsen, um nicht nach