Walther von der Vogelweide: Ein altdeutscher Dichter. Ludwig Uhland. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ludwig Uhland
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066114305
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Wie steht deine Ordenunge!

       Daß nun die Mück' ihren König hat[15] Und daß deine Ehre also zergat! Bekehre dich, bekehre! Die Kirchen sind zu hehre, Die armen Könige drängen dich. Philippe! setze den Waisen auf und heisse sie treten hinter sich! (Man. I 102)

      diessen, tosen, rauschen. fliessen, schwimmen. was, war. Was kriechet &c. vgl. Wernh. Mar. S. 28, 52. unter ihn'n, unter sich. deutsche Zunge, Land deutscher Sprache. zergat, zergeht. Die Kirchen, die Geistlichkeit. zu hehre, zu gewaltig. die armen Könige, die mittellosen Thronbewerber. den Waisen, das Reichskleinod, den Edelstein der Kaiserkrone, welchen Herzog Ernst aus dem hohlen Berge mitgenommen haben soll.

      Noch im Frühjahr 1198 ward dem Dichter die Freude, Philippen gekrönt zu sehen. Das hochschwebende Lied, worin er seinen Jubel ausspricht, läßt kaum bezweifeln, daß er selbst der Krönung zu Mainz anwohnte.

      Die Krone ist älter, denn der König Philippe sey;

       Da möget ihr alle schauen wohl ein Wunder bei,

       Wie sie ihme der Schmid so eben recht gemachet.

       Sein kaiserliches Haupt geziemet ihr also wohl,

       Daß sie zu Rechte niemand Gutes scheiden soll;

       Jedwedes nicht des andern Tugend schwachet.

       Sie lachen beide einander an

       Das edel Gesteine und der junge süsse Mann;

       Die Augenweide sehen die Fürsten gerne.

       Wer nun das Reiches irre geh',

       Der schaue, wem der Waise ob seinem Nacken steh'!

       Der Stein ist aller Fürsten Leitesterne. (I 127b)

      zu Rechte, mit Recht. Tugend, Werth. schwachet, schwächet, verringert.

      Das angenehme Bild, das Walther von seinem Könige giebt, bestätigen die Worte des Geschichtschreibers. Nach der Beschreibung der urspergischen Jahrbücher war Philipp ein Mann von schöner und edler Gesichtsbildung, blondem Haar, mittlerer Größe, zartem, fast schwächlichem Körperbau[16].

      Der Dichter begnügt sich nicht, Philippen zum Throne berufen und auf demselben begrüßt zu haben. Er giebt dem neuen Könige noch das Mittel an, seine Herrschaft zu befestigen und auszubreiten. Dieses Mittel findet er in der Milde, der dankbaren Freigebigkeit gegen Diejenigen, die sich dem Könige versöhnt und verpflichtet haben, der rückhaltlosen Ausspendung von Gaben und Ehre.

      Philippe, König hehre!

       Sie geben dir alle Heiles Wort

       Und wollten Lieb nach Leide.

       Nun hast du Gut und Ehre, Das ist wohl zweier Könige Hort, Die gieb der Milde beide! Die Milde lohnet, wie die Saat, Von der man wohl zurück empfaht, Darnach man ausgeworfen hat; Wirf von dir mildigliche! Welch' König der Milde geben kann, Sie giebt ihm, das er nie gewann, Wie Alexander sich versann: Der gab und gab, da gab sie ihm alle Reiche. (I 113a)

      Das ist wohl &c. (Lesart der Pf. Hds. 357) Reichthum und Ehre, jedes für sich schon, ist der Hort, Schatz, eines Königs. (Vgl. I 135b »zwei Kaisers Ellen«, d. h. Stärke, Kraft) sich versann, inne ward.

      Die Geschichte beweist, daß Philipp wirklich in diesem Sinne gehandelt. Wie er überhaupt die gelinden Wege den gewaltsamen vorzog, so suchte er besonders durch reiche Gaben an Geld und Ländereien Feinde zu beseitigen und Anhänger zu gewinnen. Seinem gefährlichsten Mitbewerber um die Krone, dem Herzog Berthold von Zährigen, hatte er für dessen Rücktritt 11000 Mark bezahlt. Seine Freigebigkeit war so groß, daß er damit nicht, wie Alexander, alle Reiche gewann, sondern selbst die anererbten Lande nur noch dem Namen nach behielt.

      »Als er -- so erzählen die urspergischen Jahrbücher -- kein Geld hatte, um seinen Kriegsleuten Sold zu bezahlen, fieng er zuerst an, die Ländereien zu veräußern, die sein Vater, Kaiser Friedrich, weit umher in Deutschland erworben hatte, so daß er jedem Freiherrn oder Dienstmann Dörfer oder angrenzende Kirchen versetzte. Und also geschah es, daß ihm nichts übrig blieb, ausser dem leeren Namen des Landesherrn und denjenigen Städten und Dörfern, worin Märkte gehalten werden, nebst wenigen Schlössern des Landes.«

      Dessen unerachtet vermochte er es nicht Allen zu Danke zu machen, und selbst Walther wirft ihm in einem andern Liede vor, daß er sich nicht so recht im Geben gefalle. Er erinnerte Philippen an den milden Saladin, welcher gesagt: Königes Hände sollten durchlöchert seyn, und an den König von Engelland (Richard Löwenherz), den man seiner Mildigkeit wegen so theuer ausgelöst. (I 127b)[17]

      Auch hatte Philipp mit all seiner Freigebigkeit nicht verhindern können, daß gleich nach seiner Krönung Otto von Braunschweig als Gegenkönig aufgestellt wurde, mit dem er bis an seinen Tod zu kämpfen hatte. Wie einst in den Vätern, Friedrich dem Rothbart und Heinrich dem Löwen, so standen jetzt in den Söhnen, Philipp und Otto, Gibelinen und Welfen sich drohend gegenüber.

      Wir haben zuvor gesehen, in welch heiterem Lichte unsrem Dichter seine frühere Lebenszeit erscheint. Mit stets düsterern Farben malt er die Gegenwart. Er klagt um die alte Ehre, um die alten getreuen Sitten. Treue und Wahrheit sind viel gar bescholten. Leer stehen die Stühle, wo Weisheit, Adel und Alter saßen ehe. Recht hinket, Zucht trauert und Scham siechet. Die Sonne hat ihren Schein verkehret, Untreue ihren Samen ausgestreut auf allen Wegen, der Vater findet Untreue bei dem Kinde, der Bruder lügt dem Bruder, geistlicher Orden selber trüget, der uns doch zum Himmel leiten sollte. Der Dichter erkennt hierin die schreckbaren Zeichen des nahenden Weltgerichts (I 121a, 107b, 112a, 128a).

      Mit tiefem Kummer hält er dem politischen und sittlichen Verfalle seines Vaterlands dessen früheren Glanz entgegen: »O weh! was Ehren sich fremdet von deutschen Landen! Witz und Mannheit, dazu Silber und Gold!« (I 103b). »Ich sah hievor einmal den Tag, da unser Lob war gemein allen Zungen, wo kein Land uns nahe lag, es begehrte Sühne oder es war bezwungen. Reicher Gott! wie wir nach Ehren da rungen!« (I 106a).

      Er rügt hiebei die Entartung und Zuchtlosigkeit des jüngeren Geschlechts. Vormals riethen die Alten und thaten die Jungen. Jetzt haben die Jungen die Alten verdrungen und spotten ihrer. Junge Altherren sieht man und alte Jungherren. Und wenn gleich Walther einmal behauptet: Niemand könne mit Gerten Kindeszucht behärten, wen man zu Ehren bringen möge, dem sey ein Wort als ein Schlag; so tadelt er doch anderswo die Väter, daß sie Salomons Lehre brechen, nach welcher den Sohn versäume, wer den Besen spare (I 106, 126b, 129a).

      Unrecht würde dem Dichter geschehen, wenn wir in seinem Lobe der Vergangenheit und Tadel der Gegenwart die bloße Vorliebe für verlebte Jugendzeit erblicken wollten. Die gleichzeitigen Geschichtschreiber sind in vollkommener Uebereinstimmung mit seiner Schilderung des Zustandes, in welchen Deutschland durch die doppelte Königswahl versetzt wurde.

      »Damals -- sagt der Abt von Ursperg -- fiengen die Uebel an, sich auf der Erde zu vervielfältigen. Denn es entstand unter den Menschen Feindschaft, Trug, Untreue, Verrath, womit sie sich gegenseitig in Tod und Untergang hingeben, Raub, Plünderung, Verheerung, Landesverwüstung, Brand, Aufruhr, Krieg. Jedermann ist jetzt meineidig und in die vorbesagten Frevel verstrickt. Wie das Volk, so auch die Priesterschaft. Die Verfolgung ist so groß, daß Niemand mit Sicherheit von seinem Wohnort ausgehen kann, auch nur in den nächsten Ort.«

      In dem allgemeinen Zwiespalt nahmen auch die Sänger verschiedene Wege. Wenn Walther von der Vogelweide Philipps Krönung feierte, so geleitet Wolfram von Eschenbach den Gegenkönig Otto zu seiner Weihe[18].

      Zu den Anhängern Philipps gehörten der Herzog Bernhard von Sachsen, früher selbst Bewerber um den Thron, und der Erzbischof von Magdeburg[19]. Nach dem thüringischen Feldzug im Jahr 1204, der sich mit der Unterwerfung des Landgrafen Hermann endigte, oder als im Jahr 1207 Philipp, mit Otto unterhandelnd, sich in jener Gegend befand[20], mag es geschehen seyn, daß er die Weihnachten zu Magdeburg feierte. Walther war bei dieser Feier anwesend, in einem farbenhellen Gemälde, den altdeutschen auf Goldgrund ähnlich, zeigt er uns den Kirchgang des Königs mit seiner