Walther von der Vogelweide: Ein altdeutscher Dichter. Ludwig Uhland. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Ludwig Uhland
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 4064066114305
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von Singenberg war des Abtes zu St. Gallen Truchseß, der von Landegg dessen Schenk, Göli (jedoch nur muthmaßlich) dessen Kämmerer, und also sehen wir diesen fürstlichen Abt von einem singenden Hofstaat umgeben. Auch die andern adelichen Geschlechter, aus denen zuvor eine Reihe von Minnesängern namhaft gemacht wurde, sind größtentheils als Lehens- und Dienstleute des Klosters bekannt[4]. Selbst das meldet Hugo von Trimberg in seinem Renner (um 1300), daß ein Abt von St. Gallen schöne Taglieder gesungen, d. h. Lieder, in welchen der Wächter verstohlene Minne warnt, daß sie nicht vom Tageslicht überrascht werde.

      Unsern Dichter von da ausgehen zu lassen, wo der Gesang so heimisch war, wo vielleicht der eigentliche Quell der schwäbischen Liederkunst zu suchen ist, hat an sich etwas Gefälliges. Auch darf nicht unbeachtet bleiben, daß jener St. Gallische Truchseß von Singenberg sich besonders viel mit Walthern zu schaffen macht. Er rühmt denselben als Sangesmeister, betrauert dessen Tod, ahmt seine Lieder nach, und wir finden auf diese Weise im Thurgau wenigstens einen Widerhall von Walthers Gesange.

      Gleichwohl bleibt der Ursprung des Dichters in jener Gegend noch immer zweifelhaft. Das vormalige Daseyn einer Burg Vogelweide scheint lediglich auf der Angabe der vorgenannten Chronik zu beruhen, und die Urkunden des Stiftes St. Gallen, welche nicht leicht einen Weiler, einen Thurm der Umgegend unberührt lassen, enthalten, so viel man bis jetzt weiß, keine Spur von dem fraglichen Stammschloß[5]. Das ausgestorbene St. Gallische Geschlecht der Vogelweider kömmt erst im 15. Jahrhundert unter denjenigen vor, welche als Gerichtsherrn den Junkertitel führen konnten, und es mag seinen Namen eher von einer Bedienung, als von einer Burg, entnommen haben[6]. Rühmliche Erwähnung des Dichters aber und vertraute Bekanntschaft mit seinen Liedern findet sich nicht blos beidem Truchseß von Singenberg, sondern auch bei andern gleichzeitigen und spätern Sängern, welche nicht dem Thurgau angehören.

      Ein Meistergesang über die Stifter der Kunst nennt Walthern einen Landherrn aus Böhmen[7]. Anderwärts wird er dem sächsischen Adelsgeschlechte von der Heide beigezählt[8]. Beides ohne ersichtlichen Grund. Neuerlich ist seine Geburtsstätte in Würzburg gesucht worden, wo er begraben liegt und wo vormals ein Hof »zu der Vogelweide« genannt war[9]. Und nach Allem bleibt noch die Frage übrig: ob nicht der Name ein dichterisch angenommener oder umgewandelter sey? wovon man auch sonst in jener Zeit Beispiele findet.

      Die Sprache von Walthers Gedichten leitet auf keine nähere Spur seiner Herkunft, da sie in der weit verbreiteten oberdeutschen Mundart verfaßt sind, in welcher die meisten Dichter des 13. Jahrhunderts gesungen haben.

      Der Dichter selbst, dessen Ausspruch entscheiden würde, gedenkt nur einmal des Landes, wo er geboren ist, aber ohne es zu benennen. Er hat, als er in späteren Jahren dorthin zurückgekommen, Alles fremd gefunden, was ihm einst kundig war, wie eine Hand der andern, das Feld angebaut, den Wald verhauen und nur das Wasser noch fließend, wie es weiland floß. (Man. I 141b f.) Auch sonst ist in seinen Liedern nirgends eine Beziehung auf die Gegend des Thurgaus, ob er gleich von den Orten seines Aufenthalts und von seinen Wanderungen vielfältig Rechenschaft giebt. Die erste bestimmtere Ortsbezeichnung ist es, wenn er meldet:

      Zu Oesterreich lernte ich singen und sagen. (Ebd. I 132a)

      Aus diesen Worten ist übrigens noch keineswegs zu schließen, daß er auch in Oesterreich geboren sey, eher das Gegentheil; denn sie bezeichnen gerade nur das Land seiner Bildung zur Kunst. In Oesterreich, wo die Kunst des Gesanges unter den Fürsten aus babenbergischem Stamme so schön gepflegt wurde, konnten die Lehrlinge derselben gute Schule finden. Auch Reinmar von Zweter, der um die Mitte des 13. Jahrhunderts dichtete, berichtet von sich:

      Von Rheine, so bin ich geboren,

       In Oesterreiche erwachsen.

       (Man. II 146b)

      Nach allen Anzeigen war Walther von adelicher Abkunft. Mit dem Titel: Herr, dem Zeichen ritterbürtigen Standes, redet er selbst sich an, und so wird er auch von Zeitgenossen benannt. Spätere nennen ihn Ritter[10]. Daß er ein Reichslehen erhalten hat, werden wir nachher sehen.

      Dem Bilde, welches sich in der Weingartner Handschrift vor seinen Liedern befindet, ist weder Helm noch Schild beigegeben. Nur das Schwerdt ist seitwärts angelehnt. In der Manessischen Handschrift sind Helm und Schild hinzugekommen; das Wappenzeichen auf beiden ist ein Falke oder andrer Jagdvogel im Käfig, also gänzlich verschieden von dem bei Stumpf abgezeichneten Wappen der Vogelweider, welches drei Sterne enthält.

      Ansehnlich muß das adeliche Geschlecht des Dichters in keinem Falle gewesen seyn. Er sagt einmal: »Wie nieder ich sey, so bin ich doch der Werthen einer.« (Man. I 122b). Ueber seine Armuth klagt er öfters, und eben sie mag ihn bewogen haben, aus der Kunst des Gesanges, die von Andern aus freier Lust geübt ward, ein Gewerbe zu machen.

      »Zu Oesterreich lernte ich singen und sagen.«

      Mit diesen Worten des Dichters treten wir zuerst aus dem Gebiete der Fabel und der Vermuthung auf einen festeren Boden. Doch müssen wir häufig diesen wieder verlassen und uns darauf beschränken, einzelne sichere Punkte zu bezeichnen, welchen wir dann dasjenige, was den Stempel von Ort und Zeit weniger bestimmt an sich trägt, nach Wahrscheinlichkeit und nach Verwandtschaft der Gegenstände anreihen. Wo sich der Faden der Geschichte verliert, da giebt das innere Leben des Dichters Stoff genug, die Lücke auszufüllen.

      Es lassen sich zweierlei Zeiträume bestimmt unterscheiden, in welchen der Dichter am Hof der Fürsten von Oesterreich aus babenbergischem Stamme gelebt hat. Er befand sich dort unter Friedrich, von den Spätern der Katholische genannt, der von 1193 bis 1198 am Herzogthume war, und kam dorthin zurück unter Leopold VII., dem Glorreichen, vor dem Jahre 1217.

      Diese beiden Fürsten waren Söhne Leopolds VI., des Tugendreichen, Herzogs von Oesterreich und Steier, der zu Anfang des Jahres 1193 gestorben war. Friedrich, der ältere Sohn, ließ sich 1195 mit dem Kreuze zeichnen, reiste 1197 nach Palästina ab und starb 1198 auf der Kreuzfahrt[11].

      Mit ihm muß dem Dichter Vieles zu Grabe gegangen seyn. In einem geraume Zeit nachher gedichteten Liede rechnet er den Anfang seines unsteten und mühseligen Lebens eben von dem Tode Friedrichs an. Lebendig genug schildert er in demselben Liede seine Trauer um den fürstlichen Gönner: »Da Friedrich aus Oesterreich also warb, daß er an der Seele genas und ihm der Leib erstarb, da drückt ich meine Kraniche (Schnabelschuhe) tief in die Erde, da gieng ich schleichend, wie ein Pfau, das Haupt hängt' ich nieder bis auf meine Kniee.«

      Zwar fällt in Walthers Zeit noch ein andrer Friedrich von Oesterreich, Friedrich der Streitbare, des Obigen Neffe, der 1230 seinem Vater, Leopold VII., nachfolgte und 1246 in der Ungarnschlacht an der Leitta umkam. Es sind aber hinreichende Gründe vorhanden, das angeführte Gedicht nicht auf den Neffen, sondern auf den Oheim, zu beziehen. Das Genesen an der Seele bei dem Ersterben des Leibes ist bezeichnend für den Tod auf der Kreuzfahrt, welchen der Dichter auch sonst für einen segenreichen erklärt. Und wenn wir auch annehmen wollten, daß Walther, der, wie sich zeigen wird, schon 1198 in sehr männlichem Geiste gedichtet, noch um 1246 gelebt und gesungen habe, so wird doch aus dem natürlichen Zusammenhange, worin jenes Lied späterhin erscheint, sich ergeben, daß solches in den ersteren Jahren der Regierung Kaiser Friedrichs II., also gar lange vor dem Tode Friedrichs des Streitbaren, entstanden sey.

      Wenn uns gleich der Dichter, ausser dem Wenigen, was angeführt wurde, von den Schicksalen seiner früheren Lebenszeit keine bestimmtere Nachricht giebt, so ist uns doch, bevor wir ihm weiter folgen, ein verweilender Blick in seine Jugend gestattet. Er zeigt uns den Zeitraum, worein solche gefallen, im Widerscheine seiner späteren Lieder.

      »Hievor war die Welt so schön!« ruft er klagend aus. Inniglich thut es ihm wehe, wenn er gedenkt, wie man weiland in der Welt gelebt. O weh! daß er nicht vergessen kann, wie recht froh die Leute waren. Soll das nimmermehr geschehen, so kränket ihn, daß er's je gesehen. Jetzt trauern selbst die Jungen, die doch vor Freude sollten in den Lüften schweben (I 129a 140b 114b).

      Dieses unfrohe Wesen rügt er an mehreren Stellen. Es gilt ihm, wie andern Dichtern der Zeit, für ein sittliches Gebrechen,