Die bekanntesten Dramen und Lustspiele von Arthur Schnitzler. Артур Шницлер. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Артур Шницлер
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027209309
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sehr ruhig. Ich dachte nicht an ihn.

      Lärm draußen wie früher.

      Der Vater. Dachtest nicht an ihn? . . . Schreibt er dir nicht alle Tage?

      Marie. Kaum jede Woche einmal. Und ich antworte ihm selten.

      Der Vater. Verlobt seid ihr!

      Marie. Nein. Du weißt es doch. – Nein.

      Der Vater. Nun, was braucht's Verlöbnis! Eines Tages ist man auf und davon, verlobt oder nicht, vermählt oder nicht, und läßt den Vater hier verderben, verkommen, verdursten – ersticken, wie mir's in der Nacht beinahe passiert wäre, in der Febernacht, als sie dich auf den Ball holten, Tante Toni und Base Katharina, und du dort herumflogst mit jungen Offizieren . . .

      Marie. Was willst du, Vater? Ein einziges Mal in dem ganzen langen Winter. Und du hattest mir's erlaubt.

      Der Vater. Einmal – o einmal nur! In dem ganzen langen Winter nur einmal! Wie alt bist du denn . . . wie alt?

      Marie. Sechsundzwanzig.

      Der Vater. Sechsundzwanzig. Zeit genug . . . Zeit genug. Sechsundzwanzig und jung und schön und ein Frauenzimmer mit weißer Haut und mit runden Armen! . . . Nichts für dich verloren, nur Geduld! Und wenn ich neunzig werde, dann bist du siebenunddreißig – immer noch Zeit genug . . . Zeit genug zu allerlei Kurzweil, nach der dich's gelüstet. Nein, ich bedaure dich nicht!

      Marie. Hab' ich verlangt, daß du mich bedauerst?

      Der Vater. Verlangt! Müssen es Worte sein? Du bist wie deine Mutter, ganz wie deine Mutter!

      Marie. Vier Jahre lang ist sie tot. Laß sie in Frieden ruhn. Nie klagte sie – laß sie ruhn.

      Der Vater. Nie klagte sie . . . mit Worten nicht . . . mir ins Gesicht nicht . . . ganz wie du. O ihr, ihr . . . Doch wenn ich nach Hause kam und fand euch dort zusammen auf dem Divan sitzen, aneinander gedrängt wie böse Katzen – oder ich wartete eurer am Fenster, abends, bis ihr von eurem Spaziergang auf den Basteien zurückkamt . . . da habt ihr auch nicht geklagt? . . . Nicht über euer verpfuschtes Leben gesprochen? . . . Nicht über mich, dem ihr die Schuld daran gabt? Verschworen wart ihr gegen mich, stumm verschworen – ich weiß es wohl! Nichts war euch recht: Zu armselig die Wohnung, das Essen schmeckte nicht und ich war euch nicht lustig genug. Was, ich hätte wohl Späße treiben sollen, wenn ich müde von meiner Schreiberei nach Hause kam aus dem Amt, wo ich mich geplagt hatte um die lumpigen paar Gulden für euch . . . für euch, weil die Pension nicht reichte? Mir hätte sie gereicht – mir allein wohl! Und ihr habt mich verflucht! Meinst du, ich weiß es nicht? Meinst du, ich habe deine Mutter nicht gekannt und ich kenne dich nicht? . . . Stundenlang sitzest du stumm neben mir, sprichst nur, wenn ich dich frage, aber dein Blick . . . dein Blick, wenn du dich fortschleichst von mir, zum Fenster hin . . . Denkst du, ich weiß nicht, was sich da in dir rührt, – was für Wünsche, was für Klagen? Meinst du, ich weiß es nicht? . . . Aber wünsche du und klage, wie du willst, – keine Minute mehr lass' ich dich von meiner Seite. Ich will nicht allein sein! Habe Geduld, habe Geduld! Du bist jung. Vielleicht werde ich nicht neunzig, vielleicht nur fünfundachtzig – oder am Ende dauert's gar nur mehr drei, zwei Jahre, dann bist du frei, kannst deinen Adjunkten haben – oder den Doktor – oder beide und noch andere dazu . . . wenn's dir lieber ist, dich ans Fenster stellen und hübschen jungen Leuten winken.

      Marie auf. Vater! Vater!

      Der Vater. Marie! . . . Marie! In plötzlicher Angst. Nimm's mir nicht übel. Ich bin krank . . . ich bin alt . . . und ich hab' Angst – verstehst du? Angst! . . . Nein, du verstehst es nicht! . . . Wer versteht denn das, so lang er jung ist und sich rühren kann, was das heißt, nutzlose Angst und ohnmächtiger Zorn? . . . Wasser! Mir sind die Lippen trocken!

      Marie entfernt sich.

      Der Vater. Wohin gehst du?

      Marie. Der Krug mit dem frischen Wasser steht in der Küche.

      Der Vater. Laß die Türe offen.

      Marie rechts hinaus. Von unten das Geräusch trabender Pferde.

      Marie bringt das Wasser, bleibt stehen, lauscht.

      Der Vater. Gib . . . gib!

      Marie rasch zu ihm, reicht ihm das Wasser, schnell zum Fenster und öffnet es. Entsprechende Verstärkung des Geräusches.

      Der Vater. Was tust du? Bist du toll? Ich kann den Tod davon haben!

      Marie. Die Luft ist warm; auch sagt der Doktor immer, daß es zu dumpf hier innen ist.

      Der Vater. Zu dumpf! Darum reißest du das Fenster auf mit einem Male? Zu dumpf! Meinst du, ich weiß nicht, wonach dir der Sinn steht? Vor sich hin. Ja, da reiten sie, stramm, jung, gesund . . . heut noch gesund und jung! . . . Nun, beklagst du dich, daß die Aussicht von unseren Fenstern nicht schön ist? Ho! Mitten in der Stadt haben wir unsere Wohnung – nur ein Blick um die Ecke – und das Leben treibt vorbei . . . Marie!

      Marie. Vater?

      Der Vater. Ich will zum Fenster!

      Marie. Du willst –?

      Der Vater. Her zu mir! Führ' mich hin . . . es wird schon gehn . . . Ich will sie auch sehen, die da unten vorüberreiten und vielleicht nicht einmal neunundsiebzig alt werden. Den Mantel her!

      Marie nimmt den Mantel vom Kleiderständer, breitet ihn um den Vater und führt diesen zum Fenster rechts.

      Der Vater höhnisch. O es ist eine Plage! Armes Kind! Aber nein, sie klagt nicht! Am Fenster, wo er gleich auf den Sessel sinkt; er hält sich mit beiden Händen ans Fensterbrett und beugt sich vor. Manche von denen . . . alle vielleicht . . . wer weiß – – – und sind nicht einmal neunundsiebzig.

      Marie etwas mühsam. Vater, man kennt die Farben nicht recht . . . sind es die Schwarzen oder die Blauen?

      Der Vater. O, mein Töchterchen läßt sich herab zu fragen! Sollt' ich bessere Augen haben als du? . . . Ja, es sind die blauen Kürassiere.

      Marie. Ist es nicht dein Regiment gewesen, Vater?

      Der Vater. Was geht's dich an? – Wo ist die Zeit?! . . . Gefallen sie dir? . . . Was siehst du von ihnen? Doch nichts als ihr Wiegen auf den trabenden Pferden, und der Geruch ihrer Jugend steigt dir von der Straße empor in die Nase. Sollte man denken, daß ich einmal geradeso aussah, geradeso wie die? . . . Mein Regiment – ja. Schöne Jungen, wie? Stramm, stramm! . . . Ho, wird der künftige Gatte sich freuen – ob Adjunkt oder Doktor – daß du dafür so regen Sinn hast! . . . Es klopft leise. Klopft es nicht?

      Marie. Ich hörte nichts. Es klopft nochmals.

      Der Vater. Herein

      Zweite Szene

       Inhaltsverzeichnis

      Der Vater, Marie. Der Forstadjunkt tritt ein.

      Der Adjunkt im grünen Jagdrock, kaum dreißig, sieht etwas älter aus; er scheint ernster, als es seinen Jahren zukommt. – An der Türe. Guten Abend.

      Marie leise. Guten Abend.

      Der Vater. Der Herr Adjunkt! Grüßt mit der Hand.

      Der Adjunkt zum Fenster. Guten Abend, Fräulein Marie.

      Marie. Man hat Sie lange nicht gesehen, Herr Adjunkt.

      Der Adjunkt. Seit Weihnachten war ich nicht hier. – Ich freue mich, Herr Rittmeister, Sie so wohl zu finden.

      Der Vater. Was geht es Sie an, daß ich Rittmeister war? Moser heiße ich.

      Der Adjunkt. Sie befinden sich besser? . . . Sie sind auf, und gar am Fenster.

      Der Vater. Ja, Herr Adjunkt, man will eben auch noch seinen Teil vom Dasein haben. Er fällt beinah vom Sessel. Halte mich doch! Führ' mich zurück.

      Marie führt ihn.

      Der