Albin. Wie hat er das gemeint, daß Sie zu glücklich sind?
Herzog. Er meint, Chevalier . . .
Albin. Ich bitte, sagen Sie mir nicht Chevalier. Alle nennen mich Albin, einfach Albin, weil ich nämlich so jung ausschaue.
Herzog lächelnd. Schön . . . aber da müssen Sie mir Emile sagen, ja?
Albin. Wenn Sie erlauben, gern, Emile.
Herzog. Sie werden unheimlich witzig, diese Leute.
François. Warum unheimlich? Mich beruhigt das sehr. Solange das Gesindel zu Späßen aufgelegt ist, kommt's doch nicht zu 'was Ernstem.
Herzog. Es sind nur gar zu sonderbare Witze. Da hab' ich heut wieder eine Sache erfahren, die giebt zu denken.
François. Erzählen Sie.
Flipotte. Michette. Ja, erzähle, süßer Herzog!
Herzog. Kennen Sie Lelange?
François. Freilich – das Dorf . . . der Marquis von Montserrat hat dort eine seiner schönsten Jagden.
Herzog. Ganz richtig; mein Bruder ist jetzt bei ihm auf dem Schloß, und der schreibt mir eben die Sache, die ich Ihnen erzählen will. In Lelange haben sie einen Bürgermeister, der sehr unbeliebt ist.
François. Wenn Sie mir einen nennen können, der beliebt ist –
Herzog. Hören Sie nur. – Da sind die Frauen des Dorfes vor das Haus des Bürgermeisters gezogen – mit einem Sarg . . .
Flipotte. Wie? . . . Sie haben ihn getragen? Einen Sarg getragen? Nicht um die Welt möcht' ich einen Sarg tragen.
François. Schweig doch – es verlangt ja niemand von Dir, daß Du einen Sarg trägst. Zum Herzog. Nun?
Herzog. Und ein paar von den Weibern sind darauf in die Wohnung des Bürgermeisters und haben ihm erklärt, er müsse sterben – aber man werde ihm die Ehre erweisen, ihn zu begraben. –
François. Nun, hat man ihn umgebracht?
Herzog. Nein – wenigstens schreibt mir mein Bruder nichts davon.
François. Nun also! . . . Schreier, Schwätzer, Hanswürste – das sind sie. Heut brüllen sie in Paris zur Abwechslung die Bastille an – wie sie's schon ein halbes Duzend Mal gethan . . . . .
Herzog. Nun – wenn ich der König wäre, ich hätte ein Ende gemacht . . . längst . . . .
Albin. Ist es wahr, daß der König so gütig ist?
Herzog. Sie sind Seiner Majestät noch nicht vorgestellt?
François. Der Chevalier ist ja das erste Mal in Paris.
Herzog. Ja, Sie sind unglaublich jung. Wie alt, wenn man fragen darf?
Albin. Ich sehe nur so jung aus, ich bin schon siebzehn . . . .
Herzog. Siebzehn – wie viel liegt noch vor Ihnen. Ich bin schon vierundzwanzig . . . . ich fange an zu bereuen, wie viel von meiner Jugend ich versäumt habe.
François lacht. Das ist gut! Sie, Herzog . . . für Sie ist doch jeder Tag verloren, an dem Sie nicht eine Frau erobert oder einen Mann todtgestochen haben.
Herzog. Das Unglück ist nur, daß man beinah' nie die richtige erobert – und immer den unrichtigen todtsticht. Und so versäumt man seine Jugend doch. Es ist ganz, wie Rollin sagt.
François. Was sagt Rollin?
Herzog. Ich dachte an sein neues Stück, das sie in der Comédie geben – da kommt so ein hübscher Vergleich vor. Erinnern Sie sich nicht?
François. Ich habe gar kein Gedächtniß für Verse –
Herzog. Ich leider auch nicht . . . . ich erinnere mich nur an den Sinn . . . Er sagt, die Jugend, die man nicht genießt, ist wie ein Federball, den man im Sand liegen läßt, statt ihn in die Luft zu schnellen.
Albin altklug. Das find' ich sehr richtig.
Herzog. Nicht wahr? – Die Federn werden allmählich doch farblos, fallen aus. Es ist noch besser, er fällt in ein Gebüsch, wo man ihn nicht wiederfindet.
Albin. Wie ist das zu verstehen, Emile?
Herzog. Es ist mehr zu empfinden. Wenn ich die Verse wüßte, verstünden Sie's übrigens gleich.
Albin. Es kommt mir vor, Emile, als könnten Sie auch Verse machen, wenn Sie nur wollten.
Herzog. Warum?
Albin. Seit Sie hier sind, scheint es mir, als wenn das Leben aufflammte –
Herzog lächelnd. Ja? Flammt es auf?
François. Wollen Sie sich nicht endlich zu uns setzen?
Unterdessen kommen zwei Adelige und setzen sich an einen etwas entfernten Tisch; der Wirth scheint ihnen Grobheiten zu sagen.
Herzog. Ich kann nicht hier bleiben. Aber ich komme jedenfalls noch einmal zurück.
Michette. Bleib' bei mir!
Flipotte. Nimm mich mit!
Sie wollen ihn halten.
Wirth nach vorn. Laßt ihn nur! Ihr seid ihm noch lang nicht schlecht genug. Er muß zu einer Straßendirne laufen, dort ist ihm am wohlsten.
Herzog. Ich komme ganz bestimmt zurück, schon um Henri nicht zu versäumen.
François. Denken Sie, als wir kamen, ging Henri eben mit Léocadie fort.
Herzog. So. – Er hat sie geheiratet. Wißt ihr das?
François. Wahrhaftig? – Was werden die Andern dazu sagen?
Albin. Was für Andern?
François. Sie ist nämlich allgemein beliebt.
Herzog. Und er will mit ihr fort . . . . was weiß ich . . . . man hat's mir erzählt.
Wirth. So? hat man's Dir erzählt? – Blick auf den Herzog.
Herzog Blick auf den Wirth, dann Es ist zu dumm. Léocadie ist geschaffen, die größte, die herrlichste Dirne der Welt zu sein.
François. Wer weiß das nicht!
Herzog. Giebt es etwas Unverständigeres, als jemanden seinem wahren Beruf entziehen? Da François lacht. Ich meine das nicht im Scherz. Auch zur Dirne muß man geboren sein – wie zum Eroberer oder zum Dichter.
François. Sie sind paradox
Herzog. Es thut nur leid um sie – und um Henri. Er sollte hier bleiben – nicht hier– ich möchte ihn in die Comédie bringen – obwohl auch dort – mir ist immer, als verstünd' ihn keiner so ganz wie ich. Das kann übrigens eine Täuschung sein – denn ich habe diese Empfindung den meisten Künstlern gegenüber. Aber ich muß sagen, wär' ich nicht der Herzog von Cadignan, so möcht' ich gern ein solcher Komödiant – ein solcher . . .
Albin. Wie Alexander der Große . . .
Herzog lächelnd. Ja – wie Alexander der Große. Zu Flipotte. Gieb mir meinen Degen. Er steckt ihn in die Scheide. Langsam. Es ist doch die schönste Art, sich über die Welt lustig zu machen; einer, der uns vorspielen kann, was er will, ist doch mehr als wir alle.
Albin betrachtet ihn verwundert.
Herzog. Denken Sie nicht nach über das, was ich sage: Es ist alles nur im selben Augenblick wahr. – Auf Wiedersehen!
Michette. Gieb mir einen Kuß, bevor du gehst!
Flipotte. Mir auch!
Sie hängen sich an ihn, der Herzog küßt beide zugleich und geht. – Währenddem:
Albin.
Ein wunderbarer Mensch! . . . .
François. Das ist schon wahr . . . . aber daß solche Menschen existiren, ist beinah' ein