Josuah Parker pirschte sich vorsichtig an das kleine Küchenfenster heran und warf einen Blick in die Hütte. Auf dem Fellteppich vor dem Kamin, aus seinem Blickwinkel heraus gerade noch zu erkennen, entdeckte er einige nasse Fußabdrücke. Sie wurden vom flackernden Feuer im Kamin deutlich angestrahlt.
Mehr wollte der Butler nicht sehen.
Er beeilte sich, zurück zu seinem jungen Herrn zu kommen. Mike Rander trat hinter dem Fichtenstamm hervor. Fragend sah er seinen Butler an.
»Wie ich mir zu vermuten erlaubte, Sir, Besuch in der Hütte!«
»Wie viele Personen?«
»Das konnte ich mit Sicherheit nicht feststellen, Sir. Ich möchte allerdings vermuten, daß es sich wenigstens um zwei Personen handelt.«
»Wollen die uns aussperren?«
»Kaum, Sir. Ich glaube, sie warten auf Sie und meine Wenigkeit voller Ungeduld.«
»Lassen wir sie nicht zu lange warten, Parker!«
»Es kann unter Umständen zu einer mehr als unerquicklichen Auseinandersetzung kommen, Sir.«
»Wenn schon, dann wird mir wenigstens warm, Parker.«
Parker folgte seinem jungen Herrn. Beide taten so, als wüßten sie nichts von ihrem Besuch in der Hütte. Scheinbar arglos sperrten sie die Tür auf. Dann betraten sie die Hütte. Mike Rander ging voraus … Josuah Parker folgte.
»Na endlich …!«
Eine rauhe Stimme sprach sie aus der Dunkelheit neben dem Kamin an. Wenig später erschien eine bekannte Gestalt. Sie war identisch mit der, die Parker und Rander erst vor einigen Stunden vor dem Straßenhindernis gesehen hatten.
Diesmal trug der untersetzte, stämmige Mann keine Sonnenbrille. Dafür aber einen soliden 45er, dessen Mündung auf Mike Rander gerichtet war. Der Gangster baute sich neben dem Kamin auf.
»Sie sind verdammt hartnäckig«, meinte Anwalt Rander, ohne sich aus der Ruhe bringen zu lassen. »Was wollen Sie denn diesmal von uns?«
»Das, was Sie in Rastons Hütte gefunden haben.«
»Sie wissen mehr als wir.«
»Wir haben doch schließlich Augen im Kopf«, gab der Gangster zurück. »Ihr komischer Diener da hat doch ein kleines Päckchen eingesteckt, oder? Schön, das wollen wir haben. Nicht mehr und nicht weniger. Sobald wir das Ding haben, verschwinden wir. Dann haben Sie endlich Ruhe.«
»Parker, haben Sie ein Päckchen eingesteckt?« fragte Rander, sich an seinen Butler wendend.
»Gewiß, Sir …!« Parkers Stimme klang etwas verlegen.
»Ohne mich zu fragen, Parker?« Mike Rander drehte sich halb zu Josuah Parker um.
»Raus mit dem Päckchen«, schnarrte der Gangster. Er tat einen Schritt vor und baute sich vor dem Butler auf. In diesem Augenblick erschien ein zweiter Mann. Er kam aus der Schlafkammer und gab seinem Partner die notwendige Rückendeckung. Auch er hatte einen Revolver in der Hand.
»Wenn Sie gestatten, greife ich in meine Manteltasche«, sagte der Butler und wandte sich an den Gangster.
»Mach’ schon, komischer Bursche.« Der Gangster grinste amüsiert. Er ließ die Hand mit dem 45er sinken, zumal sein Partner Mike Rander unter Kontrolle hielt.
Parker zierte sich noch ein wenig, dann griff er in die Manteltasche und holte ungeniert einen 38er hervor, dessen Mündung er auf den Gangster richtete.
»Was … was soll das?« fragte der Mann überrascht und wütend.
»Sie sehen hier eine Schußwaffe, Kaliber 38, System Colt«, erwiderte der Butler höflich. »Wenn ich den Stecher durchziehe, wird sich nach Lage der Dinge unbedingt ein Schuß lösen, eine Tatsache, die Ihnen wahrscheinlich nicht sonderlich fremd ist.«
»Sind … sind Sie verrückt?« brauste der Gangster auf. Er wollte vorsichtig die Hand heben.
»Ich rate dringend davon ab, den 45er zu heben«, redete Parker höflich und überzeugend weiter. »Zwingen Sie mich nicht, auf Sie zu schießen. Aus dieser Nähe wäre ein Treffer mehr als nur ein Treffer.«
»Was ist denn los?« fragte der zweite Gangster vom Kamin her.
»Dieser … dieser komische Bursche hat ’ne Kanone in der Hand«, keuchte der erste Gangster.
»Werf’ das Ding weg, sonst knalle ich deinen Chef nieder«, rief der Gangster vom Kamin her. »Los, schnell, ich mache keine dummen Sprüche …!«
»Falls Sie Ihre Worte wahrmachen wollen, muß ich leider Ihren Partner ebenfalls niederschießen«, erklärte Parker. »Weder Sie noch ich würden also einen echten Vorteil aushandeln können.«
»Mann, nehmen Sie das Ding runter«, schrie der Gangster vom Kamin her.
»Ich schlage vor, Sie gehen und verlassen die Hütte«, erwiderte der Butler. »Wie ich meinen Herrn kenne, möchte er seine Ruhe haben. Zudem muß ich das Abendbrot richten.«
»Ich kann los …!« Der Gangster am Kamin visierte Mike Rander an, der unbeweglich neben dem Tisch stand.
»Sie wissen, wie ich dann handeln werde«, entgegnete der Butler. »Für Ihren Partner hier vor mir wäre das dann äußerst peinlich.«
Es wurde still in der Hütte. Nur das Knistern der Holzscheite war hin und wieder zu hören. Die Sekunden schlichen wie träge Schildkröten dahin.
»Auf diese Art und Weise bringen wir zwar die Zeit hinter uns«, sagte Parker endlich, »doch möchte ich sehr bezweifeln, ob wir auch zu einem Resultat kommen werden.«
»Steck’ auf!« kommandierte der Gangster, der vor Parker stand. Er meinte damit seinen Partner. »Wir verschwinden. Aber wir kommen wieder. Darauf könnt ihr euch verlassen.«
»Würden Sie uns nicht sagen, wonach Sie eigentlich suchen?« Mike Rander tat so, als würde er überhaupt nicht bedroht.
»Das wißt ihr ganz genau …!« Der Gangster vor Parker ließ den jungen Anwalt nicht aus den Augen. »Sie kommen aus diesem Tal erst wieder raus, wenn wir die Pläne haben.«
»Die Mr. Raston gehörten, nicht wahr?«
»Wir bekommen sie …!«
»Schön, aber nicht jetzt und hier.« Mike Rander verließ seinen Platz am Tisch. Er schien die Waffe in der Hand des anderen Gangsters nicht zu sehen. »Trennen wir uns. Ich möchte wirklich einen Happen essen.«
»Darf ich Sie hinausbegleiten?« Parker öffnete mit der freien linken Hand die Tür hinter sich und trat ins Freie. Er hoffte in diesem Moment nur, daß er es nicht noch mit einem dritten Gangster zu tun hatte, der draußen wartete. Mit seinem 38er dirigierte er den Gangster unter das Vordach. Er paßte scharf auf, daß er vom Körper des Gangsters immer gedeckt wurde.
Nach knapp einer Minute erschien der zweite Gangster.
Er drückte sich an seinem Partner vorbei. Beide Gangster hofften noch immer auf eine Chance. Sie wollten das Spiel nicht so schnell aufgeben. Aber Parker gab sich keine Blöße.
Sein 38er beherrschte die Szene. Die beiden Gangster wußten genau, daß wenigstens einer von ihnen getroffen würde, falls es auch jetzt noch zu einer Schießerei kam.
Rückwärts schob Parker sich wieder zurück in die Hütte. Mike Rander schmetterte blitzschnell die Tür ins Schloß. Er und auch Parker rechneten damit, daß die beiden Gangster nun das Feuergefecht eröffneten. Doch es blieb zu ihrer Überraschung aus. Das Schneetreiben war zu ungemütlich, als daß sie noch irgendwelchen Ärger gemacht hätten.
»Warten wir noch etwas mit dem Licht«, warnte Mike Rander. »Bleiben Sie vom Kamin weg, Parker.«
»Ich hoffe, Sir, Sie waren mit meinen Maßnahmen einverstanden.«
»Prächtig gemacht, Parker.« Mike Rander lachte