Wie stolz war ich, sobald wir im Jardin d'Acclimatation ausgestiegen, an Frau Swanns Seite zu gehen! Während sie lässig schreitend ihren Mantel wallen ließ, warf ich bewundernde Blicke auf sie, die sie kokett mit einem langen Lächeln erwiderte. Trafen wir irgendeinen Kameraden Gilbertes, Mädchen oder Knaben, welcher uns von weitem grüßte, so war jetzt ich an der Reihe, von andern als eins der Wesen betrachtet zu werden, wie ich sie früher so beneidet hatte, als einer der Freunde Gilbertes, die ihre Familie kannten und mit der andern Hälfte ihres Lebens verknüpft waren, mit der, die sich nicht in den Champs-Élysées abspielte.
Oft kreuzten wir in den Alleen des Bois oder des Jardin d'Acclimatation eine oder die andere große Dame aus Swanns Freundeskreis, und sie grüßte uns; manchmal bemerkte Swann sie nicht, dann machte seine Frau ihn aufmerksam: »Charles, sehen Sie Frau von Montmorency nicht?« Auf seinem Gesicht erschien das vertrauliche Lächeln langjähriger Freundschaft, doch zog er tief den Hut mit einer Eleganz, wie sie nur ihm eigen war. Bisweilen blieb die Dame stehen und freute sich, Frau Swann eine Höflichkeit erweisen zu können, die zu sonst nichts verpflichtete; sie wußte, Frau Swann würde nicht weiteren Nutzen daraus zu ziehen suchen, Swann hatte sie ja an Reserve gewöhnt. Gleichwohl hatte sie alle Manieren der großen Welt angenommen, und so elegant und vornehm die Haltung der Dame sein mochte, Frau Swann kam ihr darin immer gleich; sie blieb einen Augenblick bei der Freundin, die ihr Gatte getroffen hatte, stehen, stellte Gilberte und mich ungezwungen vor und bewahrte dabei soviel Freiheit und Ruhe, daß es schwer gewesen wäre zu sagen, wer von den beiden die große Dame war, Swanns Frau oder die aristokratische Passantin. Am Tage, an dem wir bei den Singhalesen waren, bemerkten wir auf dem Rückweg, in unserer Richtung kommend, von zwei andern gefolgt, die sie zu geleiten schienen, eine bejahrte, aber noch schöne Dame, in einen dunklen Mantel eingehüllt und mit einen kleinen Kapotthut auf dem Kopf, der unter dem Kinn mit zwei Bändern befestigt war. »Ah, da kommt jemand, der Sie interessieren wird«, sagte Swann zu mir. Jetzt war die alte Dame drei Schritt von uns; sie lächelte süß. Swann zog den Hut, Frau Swann machte einen Hofknix und wollte die Hand der Dame küssen, die einem Porträt von Winterhalter ähnlich sah. Sie hob Odette auf und küßte sie. »Wollen Sie wohl Ihren Hut aufsetzen, Sie«, sagte sie mit lauter, etwas mürrischer Stimme im Ton einer vertrauten Freundin zu Swann. »Ich werde Sie Ihrer Kaiserlichen Hoheit vorstellen«, sagte Frau Swann zu mir. Swann zog mich, einen Augenblick beiseite, während Frau Swann mit der Hoheit vom schönen Wetter und den neu eingetroffenen Tieren im Jardin d'Acclimatation plauderte. »Es ist die Prinzessin Mathilde«, sagte er zu mir. »Sie wissen, die Freundin von Flaubert, Sainte-Beuve und Dumas. Denken Sie, die Nichte Napoleons I! Um ihre Hand hat Napoleon III angehalten und der Kaiser von Rußland. Ist das nicht interessant? Sprechen Sie ein wenig mit ihr. Aber ich wollte, daß sie uns nicht eine Stunde auf den Beinen hielte.« »Ich habe Taine getroffen, der mir sagte, daß Hoheit mit ihm böse sind,« sagte Swann. »Er hat sich aufgeführt wie ein Schwein«, erwiderte sie derb. »Nach dem Artikel, den er über den Kaiser geschrieben hat, habe ich ihm eine Karte mit p.p.c. abgeben lassen.« Es war für mich eine Überraschung, wie wenn man etwa die Briefe der Herzogin von Orleans, der geborenen Prinzessin von der Pfalz, aufschlägt. Wohl empfand die Prinzessin Mathilde sehr französisch, doch mit der ehrenwerten Derbheit, die dem Deutschland von Einstmals eigen war und die sie gewiß von ihrer württembergischen Mutter geerbt hatte. Sobald sie aber lächelte, wurde ihre etwas karge, fast männliche Freimütigkeit durch italienisches Schmachten gemildert. Und die ganze Erscheinung steckte in einem Aufzug, der ganz Zweites Kaiserreich war. Die Prinzessin kleidete sich gewiß nur aus Anhänglichkeit an die Moden, welche sie einst geliebt hatte, so; aber es wirkte, als habe sie die Absicht, keinen Fehler im historischen Kolorit zu begehen und der Erwartung derer zu entsprechen, die von ihr die Beschwörung einer anderen Zeit erhofften. Ich flüsterte Swann zu, er solle sie fragen, ob sie Musset gekannt habe. »Sehr wenig, Herr Swann«, antwortete sie mit scheinbar verdrossener Miene, es war ein Scherz, daß sie zu ihrem alten Freunde Herr sagte. »Ich hatte ihn einmal zum Diner bei mir. Auf sieben Uhr hatte ich ihn eingeladen. Um halb acht setzten wir uns, da er noch nicht kam, zu Tisch. Um acht erscheint er, begrüßt mich, setzt sich, spricht kein Wort und geht nach dem Essen fort, ohne daß ich den Klang seiner Stimme gehört hätte. Er war schwer betrunken. Das hat mich nicht gerade ermutigt, es noch einmal mit ihm zu versuchen.« Swann und ich standen etwas abseits. »Ich hoffe, diese kleine Sitzung wird sich nicht in die Länge ziehen,« meinte er, »mich schmerzen die Fußsohlen. Ich weiß auch gar nicht, warum meine Frau das Gespräch so belebt. Nachher wird sie wieder über Erschöpfung klagen, und ich kann das lange Aufrechtstehen