In vielen Klöstern besorgte der Sakristan die Uhr. In den „Gebräuchen” von Hirschau (10. und 11. Jahrhundert) wird von ihm berichtet:[23] „Er besorgt und richtet die Uhr sorgfältig; weil es aber vorkommen kann, daß diese unrichtig geht (Wasseruhr), so soll er die Zeit abschätzen an der Kerze (in cereo) oder nach dem Lauf der Sterne oder des Mondes, damit er die Brüder zur bestimmten Zeit wecken könne. Es läute aber niemand mit der Schelle zur Mette, als nur er.” Fast genau mit denselben Worten wird das Amt des Sakristan geschildert in dem sog. Ordo Cluniacensis (Cluny), von einem Mönch Bernard im 11. Jahrhundert verfaßt (Herrgott: Ordo Clun. c. 51).
Erwähnt sei hier noch ein anderer interessanter Zeitmesser, die Oeluhr, welche Speckhart (Geschichte der Zeitmeßkunst, Bautzen, Verlag von E. Hübner, S. 175 u. ff.) folgendermaßen beschreibt: „Die Oeluhr besteht eigentlich nur aus einer Lampe, deren Glasbehälter unten eine kleine Abflußöffnung besitzt, durch die das Brennöl von einem Dochte angesaugt wird. Das Gestell der Lampe ist aus Zinn gearbeitet, ebenso die am Oelbehälter angebrachte Stunden-Skala. Letztere trägt die Stunden von abends VI bis morgens VIII Uhr. Die Stärke des Dochtes war so gewählt, daß das Oel in der Lampe von der Flamme in 14 Stunden aufgezehrt wurde. Füllte man abends VI Uhr den Oelbehälter bis zum obersten Teilstrich und brannte die Lampe an, so hatte man während der ganzen Nacht nicht nur Beleuchtung, sondern annähernd auch die Zeit, welche durch die Spiegelfläche des langsam sinkenden Oeles angezeigt wird.
Fig. 4.
Der Oelbehälter bekam später die Form einer Birne, damit auch die einzelnen Stunden in möglichst gleicher Länge angezeigt wurden, weil der Druck des Oeles, wenn es aufgefüllt war, einen zu raschen Brand des Lichtes in einem ganz cylindrischen Glase erzeugte.” Unsere Abbildung Fig. 4 zeigt diesen eigenartigen Zeitmesser, der, wenn wir nicht irren, 1900 in Paris ausgestellt war und der berühmten Junghansʼschen Sammlung in Schramberg angehört.
Eine andere vielgebrauchte Methode, die Zeit zu messen, bestand in der Rezitation bekannter Gebete, die sich noch erhielt, als die Räderuhren schon lange im Gebrauch waren. Petrus Damiani († 1072) sagt, die Mönche möchten sich an eine bestimmte Methode des Psalmengebetes gewöhnen, wenn sie täglich wissen wollten, wie viel es an der Zeit sei. Wenn dann die Sonne nicht scheine oder die Sterne verdeckt seien durch Wolken, so hätte doch jeder eine Uhr, an der Art und Weise, wie er die Psalmen bete. In den Schriften der Mystiker treffen wir häufig auf ähnliche Zeitbestimmungen; es mögen hier nur einige Proben genannt werden. Die Nonne Adelheid Langman († 1375 im Kloster Engelthal bei Nürnberg) erzählt: „do sweig (er) und sprach ein wort niht, wohl als lang als daz man ein fünftzig Ave Maria gesprechen moht.” Oder: „etwan gestillet ich, als umb einen de profundis,” (war ich still, so lang als man ein de profundis beten mag). Mechthild von Magdeburg[24] († 1291) schreibt: „daß ich so lang gedenke daran, als daß man gesprechen mag Ave Maria”; „kum eines Ave Marien lang,” oder: „sie pruft es wol, daz diu stund als lang wert, als daz man rasch ein Ave Maria gesprech oder lanksam ein halbs,” u. s. w. Daraus ergibt sich, daß Uhren um diese Zeit entweder selten waren, oder daß man von der altgewohnten Weise, die Zeit zu messen, noch nicht abging. — Wenn wir aber in Christian Wolfs (1679–1754) Elementa Pyrotechniæ, Problem. XI, bei einem Rezept für Anfertigung von Feuerwerkskörpern und als Prüfmittel derselben, die Angabe finden, die Probe solle nicht eher aufhören zu brennen, „bis schnell das Apostolische Glaubensbekenntnis gebetet ist,” so kann man sich kaum eines Lächelns erwehren beim Gedanken an die Mienen moderner Chemiker, denen bei einer analytischen Arbeit derartige Kriterien vorgeschlagen würden! — Nach dieser kleinen Abschweifung kehren wir zurück zur Geschichte der Uhren in den Klöstern des früheren Mittelalters.
Wo eine Wasseruhr vorhanden war, wandte man sie selbstverständlich an als die beste Zeitmessung. Hildemar (9. Jahrhundert) sagt in seiner Erklärung der Benediktinerregel: wer das nächtliche Psalmengebet vernünftig (rationabiliter) machen will, hat eine Wasseruhr nötig.
In Ermanglung von Wasser- oder andern Uhren gebrauchte man auch den Haushahn als Wecker. Schon Chrysostomus beschreibt in seiner 59. Homilie an die Antiochener das Leben der Mönche seiner Zeit mit den Worten: nachdem der Hahn gekräht, kommt sofort der Obere und weckt alle, mit festem Tritte den gemeinsamen Schlafsaal durchwandernd; doch ohne allzuviel Lärm zu machen, wie der gleiche an einer andern Stelle sagt.
Auch ein Brett, auf das geschlagen wurde, oder eine Schelle wurde als Weckvorrichtung gebraucht; eine kleine Glocke bezeichnet auch der Ausdruck „index,” den Martene also umschreibt (Index. onomastic. t. IV): ein Zeichen, durch welches die Brüder zum göttlichen Dienste gerufen wurden. Es ist also unrichtig, wenn übersetzt wird „Uhrzeiger,” wie Dufresne und Muratori tun.
Papst Paul I. übersandte an Pipin eine Nachtuhr, von deren Beschaffenheit wir jedoch leider gar nichts Näheres wissen. Eine Seltenheit war das Geschenk zweifelsohne, wenn es auch nicht, wie man schon angenommen hat, eine Räderuhr war.
Bekannt ist die Beschreibung der Uhr, welche Karl d. Gr. von dem Kalifen Harun Al-Raschid erhielt. Das Chronicon Turonense berichtet darüber: Im 7. Jahr der Regierung Kaiser Karls (807) schickte der König von Persien eine große Menge kostbarer Geschenke und eine Uhr, an welcher man die 12 Stunden ablesen konnte; es ertönte nämlich eine Cymbel und nach Verlauf der einzelnen Stunden traten nach und nach zwölf Reiter aus den Türen heraus; nach Ablauf der letzten Stunde zogen sich alle wieder zurück, indem sie die Türen schlossen. Diese Uhr hatte zwar Räder, da sich sonst der komplizierte Mechanismus nicht leicht erklären ließe, im übrigen war es eine Wasseruhr.
Als Erfinder der Räderuhren wird vielfach der Archidiakon Pacificus von Verona († 846) genannt. Muratori führt seine Grabschrift an,[25] worin es heißt, daß niemand vorher je eine Nachtuhr gesehen, und daß er sie als Erster erfunden habe.
Es scheint, um mit Muratori zu reden, seltsam, daß hier gesagt wird, man habe nie zuvor eine Nachtuhr gesehen, da doch, wie wir soeben gezeigt, Pipin eine solche erhielt, und Cassiodor gerade für nächtliche Zeitbestimmungen eine Wasseruhr verfertigt hatte. Vielleicht ist es nicht unrichtig, in dieser Inschrift eine Uebertreibung zu sehen, die also nicht so wörtlich zu nehmen wäre; eine Uhr konnte zu jener Zeit immerhin etwas so Seltenes sein, daß man sie verewigen wollte. Neu aber war die Erfindung kaum, und an eine Räderuhr zu denken, fehlen uns alle Anhaltspunkte. Wie der Ausdruck „Nachtuhr” zu erklären sei, ist schwer zu sagen, denn wenn z. B. irgend ein Ton oder Geräusch die Stunden angab, so geschah dies doch bei Tag und Nacht, warum also „Nachtuhr?”
Räderwerke gab es in Verbindung mit Uhren schon frühe, sie dienten zum Betrieb der künstlichen Beigaben an den Uhren. Schon die Araber hatten solche. Gelcich (Geschichte der Uhrmacherkunst, S. 17 und 18) beschreibt eine derartige Uhr von Damaskus ausführlich.
Vom 11. Jahrhundert an findet man bald diesem, bald jenem Gelehrten die Erfindung der Räderuhr zugeschrieben, ohne daß mit auch nur einiger Wahrscheinlichkeit auszumachen wäre, wem wir diesen so wichtigen Schritt in der Herstellung der Zeitmesser verdanken. Sicherlich kannten die Alten das Räderwerk und verwendeten es auch. Eine Räderuhr unterscheidet sich aber von der Wasseruhr nicht etwa bloß durch die Räder, auch nicht dadurch allein, daß ein Gewicht oder eine Feder Ursache der Bewegung sei, sondern vor allem durch die Hemmung (échappement). Verbinden wir mit einer durch Gewichte in Umlauf versetzten Welle Räder und Getriebe, so haben wir ein durch Gewichte bewegtes Räderwerk, das aber so schnell abläuft, daß es zur Zeitmessung untauglich wird. Kommt aber die Hemmung hinzu, d. h. eine Vorrichtung, welche den Gang des Räderwerkes mäßigt und gleichförmig macht, dadurch, daß ein Hindernis von einem Zahn des letzten Rades weggestoßen wird, aber immer wiederkehrt, so haben wir eine Räderuhr, welche sich im Prinzip von den heutigen nicht wesentlich unterscheidet. Die Frage nach dem Erfinder der Räderuhr läuft also darauf hinaus: wer hat die Hemmung erfunden? Es bedurfte dazu jedenfalls eines mechanischen Talentes ersten