Uebrigens mochte schon von Anfang an der Magen die Stelle einer ersten Tageseinteilung vertreten, wie denn auch nach Aulus Gellius[2] Plautus in einer verloren gegangenen Komödie einen Schmarotzer sagen läßt: „Daß die Götter den verdammen, der zuerst die Stunden erfand und deshalb diese erste Sonnenuhr setzte, die mir Armen stückweise den Tag verkürzt. Als Knabe war der Bauch meine Sonnenuhr, unter allen die beste und richtigste. Ueberall mahnte diese zum Essen, außer wo nichts zu essen war; jetzt aber wird auch was da ist, nicht gegessen, wenn es der Sonne nicht gefällt” u. s. w. — Das Kriegswesen der Römer brachte bald auch die Einteilung der Nacht in sog. Vigilien, vier an der Zahl[3].
Als weiteres Mittel der Zeitbestimmung diente auch schon früher der Haushahn. Die Römer führten ihn mit sich auf ihren Kriegszügen, daher war er dem Mars geweiht. Weil er zweimal kräht, das erstemal um Mitternacht, dann vor Tagesanbruch, so ließ sich mit dieser Uhr allenfalls auskommen, so lange keine große Genauigkeit erforderlich war, wie ja auch jetzt noch der Hahn bei den Landleuten vielfach als Wecker dient. Uebrigens blieb dieses streitbare Tier noch lange Begleiter der Heere; so führten in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts die Burgunder bei der Belagerung von Calais unter Philipp dem Guten viele Hähne mit sich, damit sie ihnen die Mitternacht und den Beginn der Dämmerung anzeigten. Zum gleichen Zwecke nahmen auch die Seefahrer Hähne mit sich[4].
Viel leichter aber und genauer läßt sich irgend eine Tageszeit aus der Länge des Schattens, d. h. aus der Sonnenhöhe bestimmen. So finden wir auch tatsächlich in den ältesten Nachrichten neben den später zu erwähnenden Wasseruhren Sonnenuhren genannt. Sonnen- und Wasseruhren sind also die ältesten Zeitmesser.
Die Erfindung der Sonnenuhr liegt vollständig im Dunkeln; vielleicht benutzten die Aegypter die Obelisken als Sonnenzeiger, vielleicht ist sie babylonischen Ursprungs. Gewöhnlich wird als ihr Erfinder der Chaldäer Berosus (ca. 600 v. Chr.) genannt,[5] der seine Heimat verlassend, auf der Insel Kos, gegenüber Milet, eine Schule errichtete und so die Kenntnis der Sonnenuhr den Griechen vermittelt hätte.[6]
Ursprünglich diente ein Stab oder eine Säule als Sonnenzeiger (Gnomon), auch der menschliche Körper wurde dazu benützt. Eine der ältesten Sonnenuhren, die erwähnt wird, ist jene des Königs Achaz (4. Könige 20, 9–11; Is. 38, 8.), welche für den Gebrauch des Hofes bestimmt war; nach und nach kamen auch auf die öffentlichen Plätze der Städte Sonnenuhren. Von derartigen Uhren haben uns die alten Schriftsteller viele Nachrichten überliefert. So läßt z. B. Aristophanes in den „Ecclesiazusen” die Praxagora, eine Schwärmerin für Frauenemanzipation, ihrem Manne auf die Frage, wer denn unter dem neuen Regiment das Feld bestellen müsse, antworten: „Die Sklaven. Du aber hast nichts zu besorgen, als gebadet und gesalbt zum Essen zu kommen, wenn das Stoicheion (der Schattenzeiger) 10 Fuß mißt.” Der Erklärer sagt dazu, daß man damals die Tageszeit, zu der man sich zum Essen bestellte, durch die Länge des Schattens angab. Ebenso hat uns Athenäus ein Fragment des Menander aufbewahrt, worin ein Schmarotzer geschildert wird, dem das Ungeschick widerfährt, morgens beim Aufstehen den hellen Mondschein für die Nachmittagssonne anzusehen; eiligst mißt er den Schatten, und da er ihn länger als 12 Fuß findet, so läuft er aus Leibeskräften, um — bei Tagesanbruch an dem Orte anzukommen, wohin er auf den Abend geladen ist. — Der Komiker Eubulos (Athen. I, 8.) läßt den Philokrates den Schatten, statt vor Sonnenuntergang, nach Sonnenaufgang messen; dieser mißt 22 Fuß. Er ist aber auf 20 Fuß zum Mahle bestellt, und entschuldigt sich mit Geschäften, die ihn zurückgehalten hätten.[7]
Der Schatten wurde ursprünglich durch Abschreiten, Fuß vor Fuß, gemessen, nachdem man sich vorher genau die Stelle merkte, wo der Schatten des Kopfes war. Salmasius bemerkt hiezu, daß die Ungleichheit des Schattens bei verschiedener Körperlänge sich durch das Fußmaß zum guten Teile wieder ausgleiche, indem ein konstantes Verhältnis bestehe zwischen der Körperlänge eines Menschen und seiner Fußlänge. Diese Meßmethode findet sich sogar bis ins Mittelalter hinein, so z. B. in der Gnomonik von Schoner, einem im 16. Jahrhundert erschienenen Werke über Sonnenuhren. Später verzeichnete man die Grenzen des Schattens auf dem Boden vor dem Sonnenzeiger, wie dies der Fall war bei dem Obelisken, den Augustus auf dem Marsfelde errichten ließ. Plinius berichtet hierüber:[8] „Den Obelisk auf dem Marsfelde hat der göttliche Augustus auf eine merkwürdige Art nutzbar gemacht: er dient nämlich als Zeiger der Länge des Sonnenschattens und also der Tag- und Nachtlängen. Er ließ nach Verhältnis der Höhe des Obeliskus einen Stein legen (nordwärts) von solcher Länge, daß ihm der Sonnenschatten am kürzesten Tage in der 6. Stunde (zu Mittag) gleich wurde. Auf diesem waren metallene Linien eingelegt, nach welchen man das Ab- und Zunehmen der Schattenlänge wahrnehmen konnte. Was dabei besonders merkwürdig ist und dem erfinderischen Genie des Mathematikers Facundus Novus Ehre macht, ist dieses: Auf die Spitze (des Obelisken) setzt er eine vergoldete Kugel, weil sich der Schatten am Scheitel einer Kugel beisammen hält, während er, von einer Spitze geworfen, sich regellos zerstreut; der menschliche Kopf soll ihn, wie man sagt, auf diese Idee gebracht haben.”
Aus dieser Stelle geht hervor, daß vor dem Obelisk eine Art Zifferblatt angebracht war, mit Ziffern aus Erz; daß ferner die Spitze desselben mit einer Kugel versehen war, welche den Schatten sammelte, d. h. genauer abgrenzte als die Spitze, und daß endlich diese Messung des Schattens analog war jener, bei welcher als Endpunkt der Kopf des Menschen genommen wurde. — Selbstverständlich gibt aber ein und derselbe Schattenzeiger zu verschiedenen Jahreszeiten auch verschiedene Schattenlängen; man mußte also den Zeiger öfters auswechseln, wenigstens zweimal im Jahre. Leicht ließ sich auch für einen bestimmten Sonnenzeiger der Schatten ein für allemal feststellen durch Kreise, die man konzentrisch zum Gnomon zog, wodurch das Abschreiten wegfiel. Aber auch so war die Zeitbestimmung noch eine sehr rohe, und es trat an Mechaniker und Mathematiker die schwierige Aufgabe heran, eine Sonnenuhr zu konstruieren, welche den zu verschiedenen Zeiten ungleichen Bogen der Sonne in gleiche Teile teilte und so den Schattenweg zu einem getreuen Abbild des Sonnenweges machte. Bald wurden auch Schattentabellen für alle Monate des Jahres angefertigt, woraus man jederzeit eine beliebige Tagesstunde aus der Länge des Schattens berechnen konnte.
Ohne hier auf Einzelheiten in der Konstruktion näher einzugehen, sei nur noch bemerkt, daß Sonnenuhren in Form hohler Halbkugeln im Altertum sehr verbreitet waren. Vitruv (l. IX c. 8) bezeichnet eine solche Uhr als „halbe Hohlkugel viereckig und in einem der Polhöhe entsprechenden Winkel geschnitten.” Es möge hier die Abbildung (Fig. 1) einer antiken Sonnenuhr folgen, mit der Beschreibung, wie Bilfinger sie gibt (l. c. S. 25). „Man denke sich eine ausgehöhlte Halbkugel, genau wagrecht gestellt und mit der Höhlung dem Zenith zugewendet. Im Zentrum sei irgend ein kleiner schattenwerfender Gegenstand, etwa ein Kügelchen (oder wie gewöhnlich ein gegen die Mitte der Höhlung ragender Stift) angebracht. Sobald die Sonne am Horizont erscheint, wird sich auch am Horizont der hohlen Halbkugel, nur an der entgegengesetzten Seite der Schatten des Kügelchens zeigen und dieser wird dann bis zum Untergang der Sonne im Inneren der Hohlkugel genau denselben Kreis beschreiben, den die Sonne am Himmel macht, nur in umgekehrter Richtung. Bezeichnet man im Inneren des Hemicycliums den Weg des Schattens durch eine bleibende Linie und wiederholt dieses an beliebig vielen Tagen, so hat man ebenso viele Tageskurven für die zu entwerfende Uhr gewonnen. Man wird sich aber nach der Gewohnheit der Alten mit drei Schattenkurven, für das Aequinoktium, für den längsten und den kürzesten Tag, begnügen und darf dann nur noch jede dieser Kurven in zwölf gleiche Teile teilen, die Schnittpunkte durch Stundenlinien miteinander verbinden, und im Prinzip ist die Uhr fertig.”
Fig. 1.
Die hier abgebildete Sonnenuhr stammt aus der „casa dei capitelli figurati” und wurde von Avellino (Descrizione di una casa Pompeiana. Napoli