Den »Florentiner Novellen« war auch äußerlich ein schneller und durchschlagender Erfolg beschieden. Ein unternehmender junger Verleger, der die alte Firma Göschen gekauft und nach Stuttgart verlegt hatte, brachte das Buch heraus und war begeistert von dem glückhaften Griff: am liebsten hätte er gleich einen zweiten Band »Florentiner Novellen« gedruckt. Der Empfang bei der Kritik war der günstigste, man ging sogar von der damals noch weitverbreiteten Gewohnheit ab, jede Besprechung eines Buches aus Frauenfeder mit Erörterung der Frage von dem weiblichen Hirngewicht einzuleiten und günstigen Falls eine ehrenvolle Ausnahme festzustellen. Ich war ja schon im Vorjahr bei der Herausgabe meiner Gedichte mit offenem Visier erschienen, statt mein Geschlecht nach damals noch geübtem Brauch hinter ein männliches Pseudonym zu verstecken, ein Brauch, aus dem bei der verschiedenen Einstellung der Geschlechter sich leicht etwas Hermaphroditisches ergibt, denn der Mann sagt ich, wo die Frau du sagt. Und wie hätte ich den Namen meines Vaters verleugnen können, durch den ich mich zu der strengsten Forderung an mich selbst verpflichtet fühlte.
Als die Freude meines jungen Verlegers und meine eigene auf dem Gipfel war, wurde dem Armen ein kalter Guß Wasser verabreicht. Auf der Königstraße in Stuttgart trat ihn, wie er mir betroffen mitteilte, ein »Herr I.« (den vollen Namen nannte er nicht) mit dem Vorwurf an, wie er so etwas Unmodernes wie die »Florentiner Novellen« habe drucken können; so groß wie sie als Fortsetzung der Tradition seien, so klein seien sie als modern. Der Einwurf machte ihm schwer zu schaffen und zerstörte sichtlich die Hälfte seines Glücks. Er knüpfte die ernstliche Mahnung daran, mich lieber doch zu ändern und von jetzt an in modernem Stil zu schreiben. Ich sagte zu mir selbst: Was ist modern? Das Wort kommt von Mode. Mode ist, was einen Tag glänzt und am nächsten alt wird. Und was ist Stil? Lässt er sich ändern? Mein Stil kommt aus meinem Blutkreislauf und dem Rhythmus meines Lebens. Ich werde ihn wohl behalten müssen, solange ich da bin. Dem Verleger gab ich – in anderer Fassung, versteht sich, – die Antwort Mörikes, als ihn ein Rezensent ermahnte, sich doch ja eine Tendenz zuzulegen, weil es anders nicht ginge: Will mir gleich einen Knopf in mein Sacktuch machen.
Aber im stillen wurmte mich’s doch gewaltig, dass mein Sosius, dessen Begeisterung ich für Kunstverständnis gehalten hatte, bei dem ersten Zwischenruf umgefallen war und sich einreden ließ, eine eben herrschende Stilform, die allerdings für die Darstellung von Berliner Hinterhäusern sich als die rechte erwies, könne ebenso auf italienische Fürstenhöfe des Quattro- und Cinquecento angewendet werden. Fiedlers, die sich damals in Florenz aufhielten, trösteten mich, die »Florentiner Novellen« würden noch lange gelesen werden, wenn von »Herrn I.« kein Lied, kein Heldenbuch mehr melden würde. Ich gab nun acht, ob vielleicht am schwäbischen Dichterhimmel ein Gestirn mit dem Anfangsbuchstaben I. aufsteige, entdeckte aber nichts dergleichen, und so schöpfte ich die Hoffnung, dass meine Freunde wohl recht behalten und die Konjunkturpropheten zuschanden werden dürften.
Auch eines Fehlurteils der offiziellen Kritik soll hier gedacht werden, das unzählige Male widerlegt, sich dennoch nicht nur in den Köpfen der Laien, sondern auch in Literaturgeschichten festgesetzt hat. Ich meine das immer wieder einmal auftauchende Missverständnis, das mich wegen der ähnlichen Stoffwahl eine Schülerin Konrad Ferdinand Meyers nannte, ohne zu beachten, dass ich durch meine florentinische Umgebung, in der ich wie gefangen saß, zu dieser Stoffwahl geradezu gezwungen war. Es half nichts, dass ich auf den großen Unterschied zwischen meinem angeblichen Vorbild und meinem eigenen Wollen hinwies: dass der Schweizer Dichter die Geschichte selber darstellte, während ich die Geschichte nur zum Rahmen für frei erfundene Gestalten und Vorgänge machte, die ich zu der Höhe des Geschichtlichen hinaufsteigerte. Es half auch nichts, dass ich wiederholt versicherte, die Renaissancenovellen C. F. Meyers gar nicht gekannt zu haben, als ich die meinigen schrieb (mit einer einzigen Ausnahme: der »Versuchung des Pescara«, die mir zu kurzem