Warum Eugenius den ganzen Teil des Tages, den ihm der Schlaf übrigläßt, nichts tun kann als sich füttern? Warum er, ehe noch ein gemeiner Magen das genoßne kaum zu verdauen angefangen hätte, schon wieder hungert und also die abwechselnde Beschäftigung des Essens und der Verdauung sein ganzes tägliches Leben allen andern menschlichen Verrichtungen wegnimmt? – Was zu verwundern? Der große Stifter seiner Familie, Adelbertus, der Dicke, hat von dem Mäusegifte gegessen, das der griechische Kaiser – wenn doch keine Namen in der Welt wären! Sie sind nur eine Folter für das Gedächtnis, und wenn man sie braucht, so sind sie niemals bei der Hand –, also, das der griechische Kaiser N. im Jahre N. bei einem Kreuzzuge durch seine Länder unter das Mehl mischte, womit er seine lieben Nebenchristen aus dem Okzident bewirtete. Die davon starben, litten weiter keinen Schaden; allein, die davonkamen, waren desto schlimmer daran. Das Gift brachte in allen ihren Säften eine solche Schärfe hervor und zog besonders in den Magendrüsen eine solche beißende Feuchtigkeit zusammen, daß die armen Leute schon verdauten, sobald nur der Bissen hinuntergeschluckt war. Unter diesen Unglücklichen befand sich der obgenannte glorreiche Adelbert, der durch diesen unmenschlichen Streich des Kaisers so sehr litt, daß er, um sich nur des Hungers zu erwehren, täglich dreißig Pfund Speise zu sich nehmen mußte, da ihm in seinem vorigen natürlichen Zustande die Hälfte zureichend gewesen war; und demungeachtet wurde er nicht eher satt als nach seinem Tode. Seinem Sohne, den er nach seiner Rückkunft von diesem blutigen Feldzuge modo legitimo zeugte, wurde durch die Zeugung die ganze Anlage des väterlichen Magens nebst allen scharfen und beißenden Säften desselben mitgeteilt; diese Anlage nebst allem Zubehör pflanzte sich von Sohn zu Sohne fort, und immer hing sich bei jedem neuen Transporte eine Vermehrung an wie an einem Schneeballen, der im Schnee fortgewälzt wird, bis endlich die Werkzeuge der Verdauung und die dazugehörigen Säfte denjenigen Grad der Vollkommenheit erreichten, zu welchem sie in der Person des Eugenius gelangt sind.
Warum Amasius alles in der Welt tun kann, essen, trinken, schlafen, h++, liegen, stehen, gehen, etc. etc., genug alles, was menschliche Gliedmaßen verrichten können, nur nicht – denken? Warum ihm der Kopf wehe tut, sobald er nur ein Buch sieht, wenn es auch ein Gesangbuch wäre? – Und das ist ein Wunder? Empfing nicht einer seiner größten Vorfahren, der tapfre Hollfried, zu Anfange des fünfzehnten Jahrhunderts nach dem Turnierspiele von dem Meistersänger Othobald einen gewaltsamen Stoß auf das Hinterteil des Hauptes mit dem Siegesliede, das ihm dieser in einem saubern schweinsledernen Bande zum Glückwunsche überreichte und wofür er aus Verachtung gegen die göttliche Dichtkunst nur die Hälfte des gewöhnlichen Preises geben wollte? Der verachtete Dichter geriet in eine poetische Wut, rief die sämtlichen Truppen des Apolls zu Hülfe und schlug seinen geizigen Held gerade auf den Ort, unter welchem das Gehirnmark liegt. Das Siegeslied war ungeheuer dick, der Schlag heftig, und eine Nerve im Gehirne zersprang; die Lebensgeister liefen heraus und ließen ihr altes Bette ganz leer. In seinen Nachkommen traten sie noch mehr über ihre Ufer, bis endlich im Amasius alle Dämme durchrissen, die Überschwemmung allgemein wurde und zuletzt ein völliger Abfluß derselben aus dem Kopfe erfolgte. Wenn man überdies bedenkt, daß bei dem außerordentlichen Anstoße des Gedichts an den Kopf etliche von den poetischen Gedanken aus dem Buche herausgefahren und, durch welchen Weg es auch immer geschehen sein mag, vielleicht in den Kopf des Hollfrieds geschlichen sind – denn poetische Gedanken sind feiner als Geruchstäubchen, feiner als ein Atom –, wer kann sich nun nicht völlige Ursache von dem Verhalten des Amasius geben? Diese fremden Gäste verursachten eine große Gärung in den Lebensgeistern, und vermöge der bekannten Assoziation der Ideen erfolgt in allen Nachkommen des Hollfrieds bei dem Anblick eines jeden Buchs diese Gärung von neuem und macht die guten Leute schwindlicht.
So viel Licht könnte eine solche Sammlung über die moralische Geschichte unsrer Zeit verbreiten; freilich gehörte ein übermäßiger Fleiß, eine unumschränkte Geduld und oft ein mikroskopisches Auge zu einem solchen Sammler; indessen, wenn man meinen Landsleuten, den Herren Deutschen, das letztere erlassen wollte – welches aber auch alle unsre Nachbarn nicht gern sich würden zumuten lassen –, so würde keine Nation, außer der unsrigen, in der Welt sein, von der man mit besserm Erfolge dieses Werk zustande gebracht sehen könnte. Ließen meine Landsleute nach so vieler Ehre, die sie unsrer Nation schon erworben haben, mich – minimam partem nationis in jedem Verstande – das Glück und zwar noch vor der Vollendung dieser Geschichte erleben, unter dem Artikel Knaut die ganze umständliche Deduktion von der Familientugend meines Helden zu erblicken – was täte ich denn für Freuden? – was denn nun geschwind? –
Ja, dieses Dintenfaß, woraus auf dieses Blatt
In kleinen Bächelchen sich Scherz und Ernst ergießen,
Dem mit der Bitte stets sich meine Feder naht:
Laß weisen Unterricht durch meinen Schnabel fließen!
Für Narren bessernden Spott, für Weise lächelnden Scherz!
Für den, der mich regiert, Unsterblichkeit!
Dies Dintenfaß sei dann – Entzücken fühlt mein Herz! –
Den Musen insgesamt zum Nachttopf dankbar geweiht.
Und meinem Satyr sei dann dieser Kiel geweiht,
Der Stolz der weisesten, der Schmuck der schönsten Gans
Im schönsten Flügel einst. – Mit ernster Gravität
Und schwerem Gang schritt sie, des Dorfes schönste Gans,
So stolz ein Philosoph, gemästet mit Weisheit, kaum geht.
An jedem Tag bewundert daher:
Die Kirmse kam, es kam, ich weiß nicht, wer?
Gevatter Just, Gevatter Hans,
Man schlachtete, man aß des Dorfes schönste Gans.
Aus ihrem Fittich ward denn diese Feder gerissen,
Am Feuer gehärtet, geschnitzt mit dem Stahl
Für meine Grillen zu einem Kanal,
Und könnt' ich sie auch kaum noch missen,
Doch sei sie meinem Satyr geweiht,
Sobald uns solch ein Werk des deutschen Fleißes erfreut!
Sie mag, wenn ihm mit dem Kopf ein schüchternes Nymphchen erschienen
Und er am Wasser laurt, in seinem Herzeleid
Dem armen Kauz zum Mückenwedel dienen.
6
Ja, im völligen Ernst tue ich dieses Gelübde. Wenn mir nur auch die Natur ein so kaltes, ruhiges Blut wie meinem Helden verliehen hätte, um die Erfüllung meines Wunsches gelassen abwarten zu können! Zwar in meinem Helden hatte die knautische Familientugend schon durch eine fremde Vermischung gelitten, und sein ältrer Bruder Melchior war der letzte aus seinem Stamme, der sie unverfälscht besaß, und folglich war das Ende seines Lebens das Ende dieser so merkwürdigen Familie, und die zahlreiche Nachkommenschaft von ihm und den übrigen Brüdern kann nicht dazu gerechnet werden, weil sie das Gepräge derselben nicht an sich haben, ebensowenig als ein silberner Pfennig unter die Groschen gehört, wenn er auch gleich die Größe dazu hätte.
Bei unserm Tobias mochten sich etliche Tropfen von dem mütterlichen Blute in die Adern geschlichen haben, und wenn diese aus dem Herze in die große Pulsader übergehen sollten, so drängten sie sich so hastig durch, daß eine unordentliche Erschütterung in der ganzen Maschine entstand, und alsdann war er kein Knaut mehr. Inzwischen hielt ihn