der einem Menschen Unrecht tut,
weil er dadurch gar manchem dräut,
der sich dann seines Unglücks freut.
Wer einem Freund ein Leid antut,
der seine Hoffnung, Treu und Mut42
allein gesetzet hat auf ihn,
der ist ein Narr und ohne Sinn. –
Es gibt nicht mehr ein Freundespaar,
wie Jonathan und David war,
Patroklus und Achill dabei,
Orest und Pylades, die zwei,
wie Demades43 und Pythias
oder der Schildknecht Saulis was44,
und Scipio, Laelius, die beiden. –
Wo Geld gebricht, muß Freundschaft scheiden;
die Nächstenliebe so weit nicht geht,
wie im Gesetz45 geschrieben steht:
Der Eigennutz vertreibt das Recht,
die Freundschaft, Lieb’, Sippschaft, Geschlecht;
es lebt jetzt keiner Moses gleich,
an Nächstenlieb’ wie dieser reich,
oder wie Nehemias im Land
und der fromme Tobias waren bekannt. –
Wem nicht der gemeine Nutzen ist wert
wie der eigene Nutzen, den er begehrt,
den halt’ ich für einen närrischen Gauch:
Denn was gemeinsam, ist eigen auch.
Doch Kain lebt jetzt in jedem Stand,
dem leid ist, wenn Glück Abel fand.
Es gehen Freunde in der Not
wohl vierundzwanzig auf ein Lot,
und die am besten wollen sein,
gehn sieben auf ein Quentelein.
Wer jedem Narren glauben will,
da man doch hört von Schrift so viel,
gehört wohl in das Narrenspiel.
11. Verachtung der Hl. Schrift – Wer hier gesündigt, hat dort Pein
will glauben, die das Heil betrifft,
und meint, daß er mit Fuge lebe,
als ob’s nicht Gott noch Hölle gebe,
verachtet Predigt sowie Lehre,
als ob er gar nicht säh’ noch höre. –
Stünd’ einer von den Toten auf,
man liefe hundert Meilen drauf,
damit man hörte neue Märe,
welch Wesen in der Hölle wäre;
ob viele Leut’ dort führen ein,
ob man auch zapfte neuen Wein
und ander ähnlich Affenspiel.
Nun hat man doch der Schrift so viel
vom Alten und vom Neuen Bund,
kein ander Zeugnis zu der Stund’
braucht man, noch Kapell’ und Klausen
des Sackpfeifers von Nickelshausen.46
Denn Gott spricht nach der Wahrheit sein:
»Wer hier gesündigt, hat dort Pein,
und wer sich hier zur Weisheit kehrt,
der wird in Ewigkeit geehrt.«
Gott gab, das leidet Zweifel nicht,
Gehör dem Ohr, dem Auge Licht;
darum ist blind der und betäubt,
der nicht hört Weisheit und ihr gläubt
und lauscht auf neue Mär’ und Sage.
Ich fürcht’, es kommen bald die Tage,
daß man mehr neuer Mär’ werd’ inne,
als uns gefall’ und sei nach Sinne.
Jeremias schrie und hat gelehrt
und ward von niemand doch gehört,
desgleichen andre Weise mehr,
drum kam viel Plage hinterher.
Wer nicht recht gürtet47 vor dem Reiten,
nicht weise Vorsicht übt beizeiten,
des spottet man, fällt er zur Seiten.
12. Von unbesonnenen Narren – Vorher nachdenken
wer spricht: »Das hätt’ ich nicht gemeint!«
Denn wer bedenkt all Ding beizeiten,
der sattelt wohl, eh er will reiten.
Wer sich bedenkt erst nach der Tat,
des Anschlag kommt wohl oft zu spat;
wer in der Tat sich raten kann,
muß sein ein wohlerfahrner Mann,
oder es haben’s ihn Frauen gelehrt,
die solchen Rats sind hochgeehrt.
Hätt’ Adam zuvor bedacht sich baß48,
bevor er von dem Apfel aß,
er wär’ nicht um den kleinen Biß
gestoßen aus dem Paradies.
Hätt’ Jonathas sich recht bedacht,
so nahm der Gab’ er wenig acht,
die Tryphon ihm in Falschheit bot
und ihn darnach erschlug zu Tod.
Guten Anschlag wußte alle Zeit
der Kaiser Julius49 in dem Streit,
doch, als er hatte Fried’ und Glück,
versäumte er ein kleines Stück,
als er den Brief nicht las zur Hand50,
den man zur Warnung ihm gesandt.
Nikanor überschlug gering,
verkaufte das Wildbret, eh er’s fing,
drum fiel sein Anschlag grob genug:
Zung’, Hand und Haupt man ab ihm schlug. –
Ein weiser Plan allzeit gut paßt,
wohl