Gesammelte Werke. George Sand. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: George Sand
Издательство: Bookwire
Серия: Gesammelte Werke bei Null Papier
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783962816148
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ihr habt eue­re Freu­de dar­an ge­habt?

      – Sie hat mir an’s Herz ge­grif­fen, sie hat mir Trä­nen ent­lockt; und mit so ein­fa­chen Mit­teln, mit so un­ge­such­ten Ef­fek­ten, dass ich bis heu­te kei­ne Ah­nung von der Mög­lich­keit hat­te. Üb­ri­gens habe ich mich der Wor­te er­in­nert, die ihr mir beim Un­ter­rich­te in eue­rer gött­li­chen Kunst so oft wie­der­holt habt, teu­rer Meis­ter! und zum ers­ten male habe ich de­ren Wahr­heit be­grif­fen.

      – Was habe ich euch denn ge­sagt? ver­setz­te der Mae­stro, in­dem sein Ge­sicht glänz­te.

      – Ihr habt ge­sagt, er­wi­der­te der Graf, das Gro­ße, Wah­re und Schö­ne in den Küns­ten ist das Ein­fa­che.

      – Ich sag­te euch aber auch, dass wir das Bril­lan­te, das Ge­wähl­te, das Kun­strei­che ha­ben, Ei­gen­schaf­ten de­nen man un­ter Um­stän­den eben­falls die Ach­tung und den Bei­fall nicht ver­sa­gen kann?

      – Ohne Zwei­fel. Je­doch zwi­schen die­sen un­ter­ge­ord­ne­ten Ei­gen­schaf­ten und den wahr­haf­ten Of­fen­ba­run­gen des Ge­ni­us ist ein Ab­grund, sag­tet ihr. Wohl­an, teu­rer Meis­ter! eue­re Sän­ge­rin steht auf der einen Sei­te, sie ganz al­lein, und alle die an­de­ren ste­hen drü­ben.

      – Wahr, be­merk­te der Pro­fes­sor sich die Hän­de rei­bend, wahr und gut ge­sagt!

      – Sie heißt? nahm wie­der der Graf das Wort.

      – Wer? frag­te bos­haft der Pro­fes­sor.

      – O, per Dio San­to, jene Si­re­ne, oder viel­mehr der Erz­en­gel des­sen Ge­sang ich hör­te.

      – Und was liegt denn an ih­rem Na­men, Herr Graf? sag­te Por­po­ra mit stren­gem Tone.

      – Und warum wollt ihr aus die­sem Na­men ein Ge­heim­nis ma­chen, Herr Pro­fes­sor?

      – Ich wer­de euch sa­gen: warum, so­bald ihr mir ge­sagt ha­ben wer­det, wes­we­gen ihr so hit­zig seid, ihn zu er­fah­ren.

      – Ist es nicht ein sehr na­tür­li­ches und in der Tat un­wi­der­steh­li­ches Ge­fühl, wel­ches uns an­treibt das zu ken­nen, zu nen­nen, zu er­bli­cken, was un­se­re Be­wun­de­rung er­regt?

      – Sehr wohl, das ist aber nicht euer ein­zi­ger Be­weg­grund; er­laubt mir, teue­rer Graf, euch hier­in Lü­gen zu stra­fen. Ich weiß wohl, ihr seid ein großer Mu­sik­freund und ein Ken­ner, aber ihr seid da­ne­ben auch der Ei­gen­tü­mer des Thea­ters San Sa­mu­el. Es ist euer In­ter­es­se und noch mehr der Ruhm, den ihr dar­ein set­zet, die bes­ten Ta­len­te und die schöns­ten Stim­men Ita­li­ens her­an­zu­zie­hen. Ihr wis­set wohl, dass bei uns die gute Schu­le ist, dass nur bei uns die stren­gen Stu­di­en ge­macht und die großen Sän­ge­rin­nen ge­bil­det wer­den. Die Co­ril­la habt ihr uns schon weg­ge­fischt, und da sie euch viel­leicht nächs­tens durch ein an­der­wei­ti­ges En­ga­ge­ment wie­der weg­ge­nom­men wird, so streicht ihr um un­se­re Schu­le her­um und spü­ret, ob wir nicht wie­der so eine Co­ril­la ha­ben, die ihr dann auf dem Sprun­ge steht, uns weg­zu­schnap­pen. Die­ses ist die Wahr­heit, mein Herr Graf! be­ken­nen Sie, dass ich die Wahr­heit ge­sagt habe.

      – Und wenn auch, teu­rer Mae­stro, ent­geg­ne­te der Graf lä­chelnd, was tut das und was für Übles fin­det ihr dar­in?

      – Was für Übe­les? Ei, ein sehr großes, Herr Graf! Ihr ver­führt, ihr ver­derbt die­se ar­men Ge­schöp­fe.

      – Hol­la, wie meint ihr das, tol­ler Pro­fes­sor? Seit wann habt ihr euch denn zum Pa­ter Guar­di­an die­ser brech­li­chen Tu­gen­den ge­macht?

      – Ich mei­ne das, wie es recht ist, Herr Graf, und ich küm­me­re mich nicht um ihre Tu­gend und nicht um ihre Brech­lich­keit: aber ich küm­me­re mich um ihr Ta­lent, das ihr auf eue­ren Thea­tern ver­bil­det und zu Grun­de rich­tet, in­dem ihr sie ge­mei­nes und ge­schmack­lo­ses Zeug sin­gen las­set. Ist es nicht ein Jam­mer und eine Schan­de, die­se Co­ril­la, die auf dem bes­ten Wege war, die erns­te Kunst groß­ar­tig zu er­fas­sen, die­se Co­ril­la von dem Hei­li­gen zum Pro­fa­nen, vom Ge­bet zu den Pos­sen, vom Al­ta­re zu den Bret­tern, vom Er­ha­be­nen zum Lä­cher­li­chen, von Al­le­gri und Pa­le­stri­na zu ei­nem Al­bi­no­ni und dem Bart­sche­rer Apol­li­ni her­ab­stei­gen zu se­hen?

      – So­mit schlagt ihr es mir aus Ri­go­ris­mus ab, die­ses Mäd­chen zu nen­nen, auf wel­ches ich gar nicht ein­mal Ab­sich­ten ha­ben kann, da ich ja nicht weiß ob sie die üb­ri­gen für das Thea­ter not­wen­di­gen Ei­gen­schaf­ten be­sitzt?

      – Ich schla­ge es euch rund ab.

      – Und ihr meint wirk­lich, dass ich sie nicht ent­de­cken wer­de?

      – Lei­der! ent­de­cken wer­det ihr sie, wenn ihr es euch vor­setz­tet: aber ich wer­de mein Mög­lichs­tes tun, um zu ver­hü­ten, dass ihr sie uns ent­rei­ßet.

      – Wohl­an, Meis­ter, halb seid ihr schon be­siegt: denn eue­re ge­heim­nis­vol­le Göt­tin habe ich ge­se­hen, habe ich er­ra­ten, habe ich er­kannt.

      – So? sag­te der Mae­stro mit ei­ner zwei­feln­den und zu­rück­hal­ten­den Mie­ne, seid ihr eue­rer Sa­che auch ge­wiss?

      – Mei­ne Au­gen und mein Herz ha­ben sie mir ver­ra­ten, und um euch zu über­zeu­gen, will ich euch ihr Bild ent­wer­fen. Sie ist groß ge­wach­sen: sie ist, glaub’ ich, die größ­te von al­len eu­ern Schü­le­rin­nen; sie ist weiß wie der Schnee von Fri­aul und ro­sen­wan­gig wie der Mor­gen­him­mel ei­nes hei­te­ren Ta­ges. Sie hat Haa­re von Gold, Au­gen von Azur, eine lieb­li­che Kör­per­fül­le und am Fin­ger trägt sie einen klei­nen Ru­bin, der mei­ne Hand strei­fend mich in Flam­men ge­setzt hat wie ein ma­gi­scher Fun­ke.

      – Bra­vo, rief Por­po­ra, spöt­tisch lä­chelnd. In die­sem Fal­le habe ich euch nichts zu ver­heim­li­chen. Eue­re Schön­heit ist – die Clo­rin­de. Geht doch hin und macht ihr eue­re ver­lo­cken­den An­trä­ge. Bie­tet ihr Gold, Dia­man­ten, Putz. Ihr wer­det sie ohne Mühe für eue­re Trup­pe ge­win­nen, und sie wird euch auch wohl die Co­ril­la er­set­zen kön­nen. Denn euer heu­ti­ges Thea­ter­pu­bli­kum zieht ja ein paar schö­ne Schul­tern ei­ner schö­nen Stim­me, und ein paar her­aus­for­dern­de Au­gen ei­nem ge­bil­de­ten Geis­te vor.

      – Soll­te ich mich ge­täuscht ha­ben, lie­ber Meis­ter? frag­te der Graf ein we­nig irre ge­wor­den: wäre die Clo­rin­de nichts wei­ter als eine ge­mei­ne Schön­heit?

      – Und wenn nun mei­ne Si­re­ne, mei­ne Göt­tin, mein Erz­en­gel, wie ihr sie zu nen­nen be­liebt, nichts we­ni­ger als schön wäre? ver­setz­te der Mae­stro bos­haft.

      – Wenn sie miss­ge­stal­tet wäre, so will ich euch bit­ten, sie mir nie­mals zu zei­gen; denn mein schö­ner Traum wäre zu grau­sam zer­stört. Wäre sie aber bloß häss­lich, so wäre ich im­stan­de, sie im­mer noch an­zu­be­ten; nur für das Thea­ter wür­de ich sie dann nicht en­ga­gie­ren, denn Ta­lent ohne Schön­heit ist nicht sel­ten für ein Weib ein Un­glück, ein Kampf, eine Mar­ter. Wo­nach seht ihr, Mae­stro, und wes­halb bleibt ihr ste­hen?

      – Hier ist der Platz, wo die Gon­deln hal­ten, und es ist kei­ne da. Aber ihr, Graf, wor­auf hef­tet ihr eue­re Bli­cke?

      – Ich sehe nur, ob nicht der Ben­gel da, der auf den Stu­fen der An­län­de ne­ben ei­nem klei­nen, ziem­lich häss­li­chen Mäd­chen sitzt, mein Schütz­ling An­zo­le­to