Er lehnte sich mit verständnislosem Blick zurück und breitete die Arme aus. »Mal im Ernst, Cara, sieh mich doch an. Welches von den Mädels da draußen ist denn schon auf mich scharf, wenn so jemand wie Carlos, Fernando, Andy oder Oliver hier herumhängt?«
»Hm.« Es war nicht leicht, die richtigen Worte zu finden. Sebastian war einer der liebsten Menschen, die ich kannte. Als Mann aber eben durchschnittlich. Nicht schön, aber auch nicht hässlich. Sein kurz geschnittenes, braunes Haar, das er in Rockermanier nach oben frisierte, lichtete sich schon an manchen Stellen, und wo die anderen ihre Muskeln spielen ließen, war er mit einem durchschnittlichen Körper mit winzigem Bauchansatz gesegnet.
»Sebastian, nun hör aber auf. Du bist ein ganz normaler Mann, du bist ein toller Schwimmer, du hast einen ausgesprochen feinen Humor, du kannst echt super singen und überhaupt. Stell dein Licht nicht dauernd so unter den Scheffel.« Ich trank meinen Saft aus und stand auf.
Sebastian tat es mir gleich, blickte schmunzelnd zu mir auf und meinte ironisch: »Und ich habe ein paar Jahre zu früh mit dem Wachsen aufgehört.«
Ich klopfte ihm nur tröstend auf den Rücken und wir machten uns gemeinsam auf den Weg zu unserem Teammeeting.
Da Leon bei diesen Meetings anwesend war, gaben sich wirklich alle Angestellten Mühe, pünktlich zu sein – alle bis auf Carlos. Drei Minuten nach elf wurde die Tür aufgerissen und unser Schwerenöter stürzte heftig atmend in den Raum.
»Es tut mir leid, ich bin aufgehalten worden, war leider wichtig.«
Ich verschränkte die Arme und lehnte mich genüsslich zurück, während ich ihn nicht aus den Augen ließ. »Du Ärmster, nie lassen sie dir auch nur eine freie Minute. Immer hängen alle an dir …«, ich legte eine Kunstpause ein, »… mit ihren zahllosen Problemen.«
Nachdem aus Silvies Richtung ein unterdrücktes Röcheln kam, warf Carlos mir einen warnenden Blick zu, dem ich problemlos und mit ernster Miene standhielt. »Dann komm, sobald du wieder bei Atem bist, könnten wir loslegen.« Ich zauberte ein verständnisvoll-gönnerhaftes Lächeln auf meine Lippen.
Au weia, das war sein »Na warte«-Blick. Ich sollte heute den Rest des Tages auf der Hut sein.
Immerhin legte er nun tatsächlich los. »Nun denn, heute Abend gegen zehn Uhr kommen die neuen Gäste aus England. Aktuell wissen wir, dass wohl alle, die angekündigt sind, auch kommen. Wir ziehen von acht bis halb zehn die Karaoke-Show durch. Danach begrüßen bitte Silvie, Cara, José und Andy die Neuankömmlinge.«
Ich biss mir auf die Zunge. Da war sie schon, meine Retourkutsche. Nun ja, wahrscheinlich hatte ich sie mir redlich verdient.
Carlos fuhr unbeirrt, und ohne mich eines Blickes zu würdigen, fort. »Morgen, Freitag, sammelt ihr bitte die Anmeldungen für die Fahrt zum Hippie-Markt in Ibiza-Stadt ein. Ich will sie bis spätestens fünf Uhr vorliegen haben, damit ich sagen kann, ob am Samstag ein oder zwei Busse nötig sind. Dazu will ich bitte morgen im Laufe des Vormittages, die Liste der Kandidatinnen für die Miss-Costa-Azul-Wahl morgen Abend haben. Lise und Silvie schnappen sich schnellstmöglich die Mädels und bereiten sie auf das vor, was am Abend passieren wird. Ihr wisst, es darf keine Show der Peinlichkeiten werden. Das überlassen wir anderen Clubs. Die Mädels sollen Spaß haben und sich gut fühlen. Königinnen für eine Nacht!«
Nun kam er doch, der schnelle Seitenblick in meine Richtung. Ich verweigerte das Lächeln. Schließlich musste ich pflichtschuldig schmollen.
»Generalprobe für die Show am Samstag ist um drei Uhr nachmittags. Roberta und Lise, ihr lasst die Gäste wissen, dass sie ihre Knirpse in eurer Obhut lassen dürfen. Bestandteile werden sein: Footloose, A Chorus Line, Grease und die Rocky Horror Picture Show. » Nach jedem Programmpunkt warf Carlos einen Blick zu Leon, der immer automatisch nickte. Ein leicht diabolisches Lächeln erschien auf Carlos‹ Lippen, als er fortfuhr. »Und ab Sonntag habt ihr alle drei Tage bezahlten Urlaub.«
»Hey! Habe ich etwas verpasst?« Leons Kopf ruckte blitzschnell hoch.
»Nein.« Carlos grinste ihn entwaffnend an. »Ich wollte nur testen, ob du noch zuhörst.«
»Also, dann noch mal zu Sonntag. Bis auf die Rettungsschwimmer habt ihr alle bis um sieben Uhr frei und danach helfen bitte alle beim Aufbau für unsere Flamenco Show. Die Truppe der Tänzer kommt um halb neun und braucht keine Vorbereitung. Noch Fragen? Abendessen für euch gibt es nachher, okay?«
Er warf einen Blick in die Runde. »Dass der Montag, bis auf Badminton und Gymnastik am Vormittag, komplett frei ist, muss ich wahrscheinlich nicht erwähnen.«
»Bis auf die Rettungsschwimmer! Den Spruch kenn ich.«
Carlos grinste entschuldigend in Sebastians Richtung. »Du sagst es, bis auf die Rettungsschwimmer.«
»Abgesehen davon ist für Mittwochabend wieder die Tour durch die Cafés und Bodegas in Ibiza Stadt angesagt. Bitte, vergesst mir ja nicht bei den Anmeldungen zu erwähnen, dass der Bus um sieben hier losfährt und um Punkt Mitternacht zurück ist. Wer in einen Club möchte, soll uns das sagen. Wir gehen nicht mit in Clubs. Jedes Mal der gleiche Mist. Wir reservieren unten am Strand in der Beach Bar und von dort aus geht es nach Sonnenuntergang quer durch die Kneipen der Altstadt. Keine Diskotheken, es sei denn einer von euch legt gesteigerten Wert darauf.«
Einhelliges Kopfschütteln antwortete ihm. Es war nicht amüsant, Gäste zu betreuen, die irgendwann so sternhagelvoll waren, dass sie ihre Namen in die weiße Kiesauffahrt eines Nobelclubs pinkelten. Nach Mitternacht war keiner von uns mehr bereit, irgendwo hinzugehen. Das hatte die Erfahrung uns gelehrt.
Carlos war offensichtlich zufrieden. »Sehr schön, das wäre geklärt. Dieses Mal begleiten Cara, Roberta, Fernando und ich die Gäste. Cara und Roberta in den Bussen, Fernando und ich im Jeep hinterher. Wir parken auf dem Parkplatz am Hafen – dahin könnt ihr eventuelle Totalausfälle eskortieren, die wir den Busfahrern nicht mehr zumuten können.« Sein Blick wanderte zu Roberta und mir. »Besoffene Kerle ab einem gewissen Level sofort zu uns.«
Wir nickten gehorsam. Im vergangenen Jahr, als wir unseren ersten Sommer als Team auf Ibiza verbrachten, hatte ein total betrunkener Engländer versucht, sich an mir zu vergreifen. Carlos warnte ihn – vor Zeugen – zwei Mal. Als er dann noch immer probierte, seine Hände unter mein Shirt zu schieben und mich zu küssen, dauerte es keine zwei Minuten und er verbrachte den Rest seines Aufenthaltes im Krankenhaus. Bis dahin war mir nicht bewusst gewesen, dass Carlos tatsächlich ausrasten konnte.
Dios mío, und wie er das konnte!
»Gut, das war’s dann für jetzt. Noch Fragen?«
Leon erhob sich. »Weil ich den Großteil von euch gerade hier habe, möchte ich die Gelegenheit nutzen und mich für den exzellenten Job bedanken, den ihr alle macht. Ich bin der Meinung, dass ihr das beste Team seid, das ich je hatte. Das muss auch mal gesagt werden. Und aus diesem Grund stelle ich am Sonntag ab Mittag die Jeeps zur Verfügung. Wer also Lust hat und die Nase voll davon, andauernd nur hier herumzuhängen, der darf sich an diesem Tag gerne einmal in die Berge oder sonst wohin aufmachen.«
Carlos unterhielt sich noch mit Clive und Leon, als ich mich zur Tür hinausstahl. Schnellen Schrittes ging ich zu unserer Wohnung, holte mein Badehandtuch, schlüpfte in meine Flip-Flops, packte mein Strandzeug in meine riesige Basttasche, setzte mir die Sonnenbrille auf die Nase und machte mich auf den Weg zum Strand.
Besonders weit kam ich nicht. Was machte Lupe denn um diese Zeit noch im Restaurant? Die Frau sollte seit mindestens einer Stunde zuhause sein. Ich bog scharf links ab, umrundete den Pool und tippte ihr auf die Schulter. »Lupe, was ist los? Hast du vergessen, dass du um zehn Feierabend hast?«
Sie klatschte seufzend den Lappen,