Wir Seezigeuner (Abenteuer-Klassiker). Robert Kraft. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Robert Kraft
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788075836182
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möglich bekommen, vielleicht handelte es sich nur um einen einzigen Becher, der konnte schon ein Menschenleben retten, und blieb einer zurück, so hätte ein anderer drei Wasserschläuche tragen müssen, und das war eine große Last, der kam dann nicht mit uns fort… kurz und gut, hier handelte es sich um Leben und Tod von sechsundzwanzig Menschen, und eine Gefahr für die zurückbleibende Blodwen gab es hier ja nicht.

      So trug ich sie schnell noch unter einen Felsvorsprung, falls es regnen sollte, wonach der Himmel nämlich fast aussah, was den Schiffbrüchigen ja nun allerdings ausgezeichnet zupasse kommen würde, ein anderer trug schon die noch brennenden Aeste herbei, die anderen sammelten Holz, einen Revolver und Patronen hatte sie selbst, ich ließ noch mein Gewehr zurück, und nun fort, fort!!

      Was für einen Marsch wir in dieser stockfinsteren Nacht gemacht haben, kann ich gar nicht schildern. Es war ein fortwährendes Straucheln und Stürzen.

      Ein Glück nur, daß der Hund, den ich am Halsband hielt, meiner Aufforderung gehorchte und Goliaths Spur willig rückwärts verfolgte. Für diesen Neger hatten die beiden bissigen Köter überhaupt eine gewisse Neigung gewonnen. Ferner ein Glück, daß der Bullenbeißer eine ziemlich feine Nase besaß, und daß er mich nicht mehr direkt biß. Schlagen oder nur unfreundlich ansprechen hätte ich ihn freilich nicht dürfen.

      Nein, war das ein Marsch in dieser stockfinsteren Nacht! Noch heute wundert mich, daß ich damals nicht sämtliche Knochen brach. Immer auf den blutigen Knien und auf der einen blutigen Hand, die andere am Halse des Hundes, und der riesige Köter schleifte mich wie ein Kind über die spitzen Steine weg.

      Dabei hatte mich Beyer auch noch hinten gepackt, und der lag wohl auch mehr auf dem Bauche als er auf den Füßen stand, und so mochte es allen anderen gehen, die sich so Hand in Hand fortbewegten.

      Mehrmals stürzte ich auch wirklich, verlor gleich den Boden unter den Füßen, schlug mit dem Kopfe auf, die hinter mir Gehenden auf mich drauf. Aber alles nevermind!

      »Aufgepaßt auf die Wassersäcke!!«

      »Allright, Käpten!«

      Das war unsere einzige Sorge.

      Endlich, endlich brach die Morgendämmerung an. Wir konnten uns betrachten. Na, wie wir aussahen, das ist gar nicht zu schildern. Am Körper nur noch ein paar Fetzen, und sonst alles eine blutige Schmiere, der ganze Körper schon mit Grind bedeckt. Ingenieur Beyer hatte überhaupt keine Hose mehr, nicht mehr eine Andeutung davon, der schon ältliche Knabe paradierte mit seinen nackten Storchbeinen, und dabei versicherte er, daß er auch Unterhosen angehabt hätte. Und das Hemd war ihm bis zur Brust abgerissen.

      Das sagt mehr als alles andere, was für ein Marsch das gewesen war!

      Aber die Hauptsache war doch, daß wir sonst noch intakt waren, noch marschieren konnten – und mehr noch, daß die Wassersäcke unverletzt waren. Noch keiner hatte einen Schluck davon genommen.

      Jetzt, da es hell wurde, lag vor uns die freie Ebene, zwischen den Hügeln hindurch bequem zu begehen. Dafür aber begann die Sonne wieder zu brennen. Aus dem Regen war nichts geworden.

      Wir marschierten unverdrossen in der Sonnenglut weiter, und wenn jemand seinen Durst unbedingt löschen mußte, so tat er es offenbar mit einer gewissen Scham, weil er dabei an seine Kameraden dachte.

      Da, es war in der Mittagsstunde, vielleicht noch drei Stunden von der Küste entfernt, brach Achilles in ein röchelndes Heulen aus, es wurde beantwortet, noch röchelnder, hinter einem Hügel brach Diomedes hervor, dem man gleich an dem klappernden Felle ansah, wie es mit ihm stand, und dann kamen die ersten des Zuges, von Goliath geführt.

      Auch ihnen sah man an, was sie schon ausgestanden hatten, nur daß sie nicht wie die Hunde die Zunge heraushängen ließen.

      Auch den Klabautermann hatten sie schnell, von dem sinkenden Schiff heruntergebracht; der Bootsmann, der seit einiger Zeit wieder völlig hergestellt war und sich mit dem zweiten Bootsmann, Goliath, ganz gut vertrug, hatte ihn sich auf den Buckel geschnallt. Ich unterdrückte jetzt und später jede Bemerkung, daß dieser heilige Klabautermann ja doch nicht das Schiff vor dem Untergang hatte bewahren können, und die Matrosen, wie ich dann hörte, legten sich das einfach so aus, daß sie ohne den Klabautermann eben noch einen ganz anderen Untergang erlebt hätten. Denn was untergehen muß, philosophierte mir dann der Bootsmann vor, das muß eben untergehen, und die Hauptsache ist nur, daß man dabei selbst mit heiler Haut davonkommt – und da hatte er ja auch ganz recht.

      Zunächst wurden natürlich die Wasserschläuche geöffnet. Ich will nicht gerade von einem Tropfen auf den heißen Stein sprechen, jeder Mann bekam eine tüchtige Portion – aber zu einer zweiten langte es nicht, und jeder hätte gern mehr getrunken.

      Ich hatte zuerst die Absicht, mich allein nach der Bucht zu begeben, die Unglücksstelle zu besichtigen. Das gesunkene Schiff sollte in dem klaren Wasser deutlich zu erkennen sein.

      Aber wir waren von der Bucht noch gut drei Stunden entfernt, und ich ohne einen Tropfen Wasser hin und dann die Weitermarschierenden wieder einholen? Die hatten ja allerdings auch kein Wasser mehr – und eben deswegen gab ich meine Absicht auf, wir hatten noch längst nicht den Tod des Verschmachtens hinter uns.

      Vorwärts, den Bergen zu! Unterwegs ließ ich mir von den Steuerleuten und wer sonst noch ausführlich erzählen konnte, Bericht erstatten. Aber ich bekam nichts anderes zu hören, als was mir schon Goliath mitgeteilt hatte, so kurz sich dieser damals auch gefaßt.

      Ueber die Hälfte der Mannschaft war an Land gewesen, mit Ausgraben von Ambra beschäftigt, mit der sie schon ein gut Teil des Zwischendecks gefüllt hatten, als sie plötzlich das Schiff sich senken sahen, bis es ganz verschwunden war – und wer nicht gerade hingesehen hatte, durch das Schreien der an Bord Befindlichen nicht aufmerksam gemacht worden war, der hatte überhaupt nichts davon bemerkt. Es sollte nicht einmal fünf Minuten gedauert haben.

      Und die an Bord Befindlichen konnten auch nichts weiter sagen, als daß sie eine starke Erschütterung verspürt hatten, von einem heftigen Stoß kaum zu sprechen, nur ein Ruck – und zusehends sank das Schiff. Auch nicht das geringste war zu retten gewesen, kein Kleidersack, von Schiffspapieren, wozu der erste Steuermann, dem ich die Schlüssel übergeben, erst den Panzerschrank hätte öffnen müssen, gar nicht zu sprechen.

      Die Schuld schoben sämtliche auf die Walfische, welche sich, heftig spielend, wahrscheinlich der Liebe nachgehend, in der Bucht aufgehalten hatten, und dann weiter, daß sich eine Platte gelockert hatte, wenn sie sonst auch noch wasserdicht gewesen war. Diese große Platte war von einem Walfisch eingedrückt worden, daher das so furchtbar schnelle Sinken, das Wasser war in mächtigem Strome eingedrungen.

      Ein Glück war gewesen, daß sich niemand im Heiz- und Maschinenraum aufgehalten hatte, er hätte schwerlich Zeit gehabt, sich nach oben zu retten.

      »Jungens,« sagte ich, »die Hauptsache ist, daß wir alle noch mit heilen Knochen beieinander sind.«

      »Un dat jeder sien Piep un Tobak un Rietstück hädd,« entgegnete ein Matrose schmunzelnd, und wie auf Kommando zeigte mir jeder seine Pfeife und mehr oder weniger Tabak und wohl auch solchen zum Kauen und außerdem Streichhölzer. Eine Stunde zuvor hatte der Steuermann nämlich Tabak und Streichhölzer verteilt, für eine Woche.

      Für eine Woche? Würde da der Tabak ausreichen?

      Ich hatte unterwegs Zeit, unsere Lage zu überlegen. Ja, heile Knochen hatten wir noch, aber sonst … es sah verdammt trostlos aus!

      Unser Aufenthalt konnte nur dort an der Quelle sein. Eier hatten wir ja zu essen-vorläufig! und schließlich ist auch das tranige Möwenfleisch zu verdauen.

      Das schlimmste war, daß wir gar keine Umschau halten konnten. Ja, wir konnten wohl immer eine Wache auf einen Berggipfel postieren, aber von dort war auch mit dem besten Fernrohr kein nahendes Schiff zu erspähen, und Posten an der Küste konnten wieder kaum mit Wasser versehen werden, abgesehen davon, daß es sich um eine Küstenlängs von zirka dreißig geographischen Meilen handelte.

      Und nach was für einem Schiffe sollte denn hier in der Fucusbank ausgespäht werden?

      Karlemann!