»Und wie! Ich will in meinem Schiffe nur Platz haben für dreihundert Tonnen, wobei ich Raumtonnen meine, oder nach Wassergewicht berechnet. Die Tonne hat zwanzig Zentner oder zweitausend Pfund, für das Pfund rohe Ambra bekomme ich überall mindestens hundert Pfund Sterling – Blodwen, das sind allein schon sechzig Millionen Pfund Sterling, was ich an dieser einen Fahrt verdienen kann!!«
Blodwen blickte mich mit großen Augen an. Sie rechnete offenbar nach, und stimmen mußte das.
»Das hätten wir mit Karlemann zu teilen,« sagte er dann.
»Na, wenn man so viel hat, da kommt es nicht drauf an,« lachte ich, »da bleiben für uns immer noch dreißig Millionen Pfund Sterling – das ist ein hübscher Feng Geld, sagt Karlemann.«
»Und der Bedarf an Ambra wäre wirklich so groß? Das könnte man mit einem Male verkaufen?«
»Na, mit einem Male will ich nicht gerade sagen. Aber jedenfalls haben nur hier eine unerschöpfliche Goldquelle. Ein paar Millionen können wir sicher jedes Jahr ausgeben.«
»Und der andere Mann, der ebenfalls schon um dieses Festland weiß?«
Das war ein kleiner bitterer Tropfen in meine Freude.
»Der bezieht seine Geldmittel sicher ebenfalls von hier,« entgegnete ich dann, »mit dem müssen wir dann eben Kompanie machen, daß wir nicht gegenseitig konkurrieren, den Preis für die Ambra nicht zum Sinken bringen.«
Zunächst aber wurde ich wieder der Kapitän. Ich ließ die ›Sturmbraut‹ herandampfen, sie wurde dicht am Ufer an den Felsen vertäut.
Als die Leute hörten und sahen, um was es sich handelte, wurden sie ebenfalls von einer Art Taumel erfaßt. Denn diese Seeleute wußten durchweg, was Ambra zu bedeuten hat, und daß ich nicht etwa phantasierte, das bewies, daß auch der nüchternste Kopf, wie z. B. der des zweiten Ingenieurs, ganz genau dieselbe Berechnung anstellte wie ich.
Nein, daß wir uns jetzt zu den reichsten Menschen der Welt zählen konnten, daß wir hier wenigstens eine unerschöpfliche Goldquelle besaßen, das war und blieb eine reelle Tatsache.
Sofort wurde mit dem Ausgraben der Ambra begonnen. Dazu brauchte ich die Leute ja nicht erst anzustellen, jeder wollte erst einmal sehen, ob denn wirklich überall solche zu finden sei. Und der Traum zerrann nicht. So weit sich die Matrosen und Heizer auch zerstreuten, wo sie in dem graugrünen Seetang auch gruben, überall brachten sie kleine und große Stücke zum Vorschein, und je tiefer sie kamen, desto größer wurden die Stücke, einfach aus dem Grunde, weil die klebrige Ambra sich immer zu vereinigen sucht, und in den tieferen Schichten stand sie nun auch schon unter einem Drucke.
Ab und zu ward auch weiter drinnen auf dem Lande ein Stück gefunden, welches aber nur durch irgendeinen Zufall dorthingelangt sein konnte, vielleicht von einer Woge aufs Land geschleudert.
Zunächst war noch genug Raum vorhanden, um die gefundene Ambra gleich im Schiffe unterzubringen, schon so eine enge Kabine faßt doch gewaltig viel, wenn sie ausgefüllt werden soll, und ich dachte zuerst daran, dieses jungfräuliche Land weiter zu untersuchen.
Wirklich, dies reizte mich mehr noch, als der Anblick der Ambra, die sich bald in Gold verwandeln sollte, und mehr noch vielleicht schien Blodwen so zu denken.
Wir aßen Mittag und waren fertig zur Expedition. Der Berg sollte unser erstes Ziel sein, von seinem Gipfel wollten wir Umschau halten. Galt es doch auch die Wasserfrage zu lösen.
Als Träger für Proviant und Wasserschläuche dienten vier Matrosen, den ersten Maschinisten nahm ich mit, weil er etwas von Geologie verstehen wollte, und wir marschierten ab, alle wohlbewaffnet, Blodwen im kurzgeschürzten Kleide.
Ich habe über diese Expedition eigentlich gar nichts zu melden. Hügelige Steppe, ab und zu ein trostloser, kaum schattenspendender Baum, nichts weiter. Tiere schienen gänzlich zu fehlen. Insekten, wie Fliegen, Bienen, Hummeln und dergleichen, ja – aber keine solchen Tiere, die man essen kann. Auch von Vögeln war gar nichts mehr zu sehen.
»Das sieht nicht gerade aus, als ob die Wasserverhältnisse besonders günstig wären,« meinte ich.
»Und ich glaube,« setzte der Ingenieur hinzu, »in der heißen Jahreszeit stirbt hier selbst die ganze Pflanzenwelt ab; denn das sind solche Bäume, die zu ihrer Existenz nur der Feuchtigkeit der Luft bedürfen.«
Zunächst also wollten wir dort den isolierten Berg erklimmen. Dann aber und nicht nur nebensächlich kam die geographische Ortsbestimmung in Betracht, welche wir auf Doktor Selos hinterlassenem Papier gefunden hatten. Denn diese bezog sich auf einen Punkt, der schon auf dieser Insel lag, mochte sie auch noch so klein sein, daran war nun kein Zweifel. Jedenfalls, das konnten wir schon ungefähr berechnen, lag er noch hinter jenem Berge, und umsonst war dieser Punkt doch wohl nicht bestimmt worden, da war sicher etwas Besonderes zu finden.
Bis zu dem Berge, d. h. ehe nur der Aufstieg begann, war es noch eine bedeutende Strecke, die wir unterschätzt hatten. Bis auf den Abend konnten wir uns gefaßt machen.
Beobachtungen waren also kaum anzustellen. Ich forderte meine Leute auf, nur Obacht zu geben, ob sie Spuren entdeckten, daß schon Menschen vor uns hier gewesen seien. Es wurde nicht das geringste davon bemerkt.
Immer hügeliger wurde die Gegend, die Bäume traten näher zusammen, bis ein Wald daraus wurde.
Der Anbruch der Dunkelheit gebot uns, Halt zu machen. Wir suchten Aeste zusammen, bemerkten sofort, daß diese beim Brennen entsetzlich stanken, wärmten unser mitgenommenes Abendbrot, ich teilte Wachen ab, und bald lag ich selbst neben Blodwen in Morpheus’ Armen, träumte von Ambrabergen, die sich aber nicht in Gold, sondern bei meiner Berührung immer in ganz ordinäre Misthaufen verwandelten, welche die Freude jedes Bauern erweckt hätten, nur die meine nicht.
Beim ersten Sonnenstrahl waren wir wieder auf den Beinen, die Wanderung wurde fortgesetzt.
Der Wald trat zurück, vor uns erhob sich ein sonnenverbranntes Gestein, das wir auf gut Glück zu erklimmen begannen.
Nach einiger Zeit kam wieder Wald, welcher fast bis zum Gipfel anhielt, so daß wir bis zuletzt fast gar nichts vom Meere zu sehen bekamen.
Es war gegen Mittag, als die Bäume wieder aufhörten, wir hatten den Gipfel erreicht, hatten freie Umschau.
Das heißt, das will ich hier gleich bemerken, wenn man so einen fremden Berg besteigt, kann man natürlich nicht wissen, ob das auch gerade der Gipfel ist, den man erreicht hat. Da gibt man doch immer nur acht, daß man aufsteigt, nicht abwärts, oder doch mehr aufwärts als abwärts, und wir hatten manche Schlucht mühsam zu umgehen gehabt.
Kurz, wir befanden uns auf einer freien Stelle, von welcher wir nach allen Seiten Umschau halten konnten, und zwar war überall das Meer oder vielmehr eine grüne Wiese zu erblicken – eben die Fucusbank.
Nein, da hatte Karlemann übertrieben, als er von einem ganzen Erdteil sprach, mindestens so groß wie Großbritannien. Ich schätzte den Durchmesser dieser ziemlich kreisrunden Insel auf höchstens acht geographische Meilen.
Doch was heißt das, ein ›ganzer Erdteil‹? Mit welchem Rechte bezeichnen wir denn Europa als einen selbständigen Erdteil? Hierüber habe ich schon früher gesprochen. Uebrigens war ja gar nicht gesagt, daß es in der Fucusbank nicht noch ein weit größeres Festland gab, von dem dies hier im Verhältnis nur eine kleine Insel war.
Anderes Land war von hier aus nicht zu erblicken. Vier geographische Meilen, die ich nach jeder Seite überschauen konnte, indem dieser Berg, ziemlich in der Mitte der Insel lag, sind doch schon eine beträchtliche Entfernung. Wäre der Unterschied zwischen der hellgrünen Farbe des Seetangs und der grauen Steppe nicht so auffallend gewesen, ich hätte die Grenzen des Landes überhaupt nicht unterscheiden können. So erkannte ich auch erst nach längerem Beobachten durch das Fernrohr den freien Wasserstreifen, der sich im grünen Grunde wie ein Silberfaden um die ganze Insel herumzog, obgleich er doch mindestens einen Kilometer breit war. Daß ich da etwa auch noch mein Schiff hätte erkennen können, daran war bei solch einer weiten Entfernung natürlich nicht zu denken.
Unser