»Danke.«
»Arbeiten Sie für diesen Kerl?«, fragte der Barkeeper weiter, während er die Spirituose einschenkte und das Glas hinüber schob.
»Ja, schon lange.«
»Im Vertrieb? Ich frage nur, weil ich einen dieser neuen Zeta-Computer für meinen Sohn haben will, Sie wissen schon, diese schnittigen Geräte, die wie Gehirne aussehen. Ich habe sie in jeder CompWorld-Filiale der Stadt gesucht, aber überall herrscht seit Ewigkeiten Lieferrückstand.«
»Nein, ich arbeite leider nicht im Vertrieb.«
»Ach, egal. Möchten Sie noch einen?«
»Etwas, das Smirnoff heißt, kann nur gut sein, oder?«
Paddy schob das Glas zum Nachreichen zurück. »Ihr Boss muss ziemlich pfiffig sein, hab ich recht?«, fuhr der Barkeeper fort. »Immerhin hat er den Zeta und all dieses Zeug erfunden. Ist er nicht Russe? Wie heißt er noch gleich?«
»Die Leute, die ich bisher von ihm reden gehört habe, nannten ihn nur Zar Iwan. Heute Abend bekomme ich ihn tatsächlich zum ersten Mal aus nächster Nähe zu sehen.«
»Na, schau an«, entgegnete der Mann hinterm Tresen, trat zurück und legte seinen Kopf in den Nacken. »Ich glaube, gleich ist es soweit. Heiliges Kanonenrohr, hat man so was schon mal erlebt?«
Paddy ließ ebenfalls von der Theke ab und blickte auf. Was er sah, erschreckte und bezauberte ihn derart, dass er sein Glas fallenließ. Es zerbrach auf dem Marmorfußboden, was er im Jubel der Menge jedoch nicht hörte.
Der Anblick dessen, was hoch über der Glasdecke schwebte, war mit nichts weniger als einem fliegenden Wunder gleichzusetzen. Es handelte sich weder um ein Flugzeug noch ein Luftschiff im engeren Sinn, obwohl es sich so bewegte. Folglich musste es ein neuer Typ eines Fluggeräts sein. In jedem Fall sahen Paddy und alle anderen so etwas zum ersten Mal.
Dieses Ding, das einem Zeppelin ähnelte, maß wohl 400 Fuß und hatte einen silbern glänzenden Rumpf. Seitlich am Bug stand in riesigen Buchstaben rot beleuchtet TSAR. Am Heck hingegen prangte der Rote Stern Russlands, den Präsident Putin wieder zu einem angesehenen Symbol gemacht hatte, bevor er auf rätselhafte Weise spurlos verschwunden war.
Die Form dieser Flugmaschine entsprach indes keinem Luftschiff nach Paddys Verständnis. Erstens besaß sie vorne eine sehr weite Öffnung, zweitens lief die Form zum Heck hin spitz zu. An einen Goodyear-Zeppelin erinnerte sie somit keineswegs – nicht im Geringsten.
Sie war merkwürdig geformt, echt verrückt, wirkte aber irgendwie vertraut. Das Einzige, womit Paddy es vergleichen konnte – so sah es tatsächlich aus –, war das gewaltige Triebwerk eines Düsenjägers. Es hätte glatt von einem Flügel eines übergroßen Jets gefallen sein und ein Eigenleben entwickelt haben können. Seitlich zogen sich drei Fensterreihen entlang, sodass man alle Passagiere sah, die wiederum auf die Menschen unter ihnen schauten.
Genau, das war's: Ein gigantischer, silberner Flugzeugmotor, der sich sehr langsam auf die lange Antenne an der Spitze des Empire State Building zubewegte.
Strelnikow trat weiter zurück, um mehr davon zu erkennen, bis er jemanden anrempelte, der dabei stürzte und seinen Drink verschüttete.
»Oh je, tut mir leid«, entschuldigte er sich und bot dem Mann eine Hand an, um ihm aufzuhelfen. Der Kerl war klein, weshalb Paddy ihm fast wieder den Boden unter den Füßen wegriss, als er ihn hochzog. Er trug eine getönte Brille mit dicken Gläsern, die jetzt schief auf seiner Nase saß. Paddy rückte sie für ihn gerade und fuhr ihm über die Brust seines dicken Wollsakkos, als könne er so den Fleck wegwischen, den das verschüttete Getränk hinterlassen hatte – Bloody Mary, wie man anhand der Stange Staudensellerie sehen konnte, die an seiner Schulter hing. Nicht gut.
»Macht nichts«, versicherte der Kerl jedoch. »Ist nicht weiter schlimm, war ja keine Absicht.«
Paddy streckte seine Hand aus und stellte sich vor. »Paddy Strelnikow. Freut mich, Sie kennenzulernen.«
»Dr. Sergei Schumajew«, gab der Mann mit breitem russischen Akzent zurück, während er weiter an seiner Brille herumnestelte, deren Gläser an die Böden von Colaflaschen erinnerten.
»Ganz schön beeindruckend, was? Das Ding da oben meine ich.«
»Ja. In welcher Position arbeiten Sie bei uns, Mr. Strelnikow?«
»Ich? In der, äh … Prüfungsabteilung.«
Schumajew lächelte angesichts dieser extremen Beschönigung. Jeder russische Großkonzern schuf sich ein eigenes Mini-KGB, dem üblicherweise eine Prüfungsfunktion angedichtet wurde. Das Personal verstand sich aufs Sammeln von Informationen, Abhörmaßnahmen gegen Branchenkonkurrenten und Dokumentendiebstahl. Ferner erledigten sie weniger glimpfliche Pflichten, die zeitgenössische Thriller-Autoren gemeinhin als Schmutzarbeit bezeichneten.
»Worin besteht Ihre genaue Aufgabe in dieser Abteilung, Mr. Strelnikow?«
»Nun ja, ich bekomme besondere Weisungen zugeteilt, meistens im Sicherheitsdienst. Ich beschäftige mich mit Industriespionage und Ähnlichem. Hier in den USA stelle ich zudem Personenschutz für einige unserer Führungskräfte bereit, sowohl vor Ort als auch während der Auslandsreisen.«
»Ah, sehr gut. Ein Bodyguard.«
»So etwas in der Art, ja.«
»Das ist ein sehr ungewöhnlicher Ring, den Sie da tragen. Ist der irgendwie von Belang für Ihre Tätigkeit?«
Das brachte Paddy zum Lachen. Er freute sich immer, wenn sein Ring jemandem auffiel. »Nein, Sir. Ich habe ihn für 50 Dollar in einer Pfandleihe in Hoboken gekauft. Dort wusste niemand, woher er stammt. Sehen Sie den Blitz und das Kürzel TCB? Also, es steht für taking care of business. Genau den gleichen Ring schenkte Elvis Presley damals in den Sechzigern jedem in seiner Entourage. So lautete ihr Motto – sich ums Geschäftliche kümmern –, und das habe auch ich mir zu eigen gemacht.«
»Interessant.«
»Wie sieht's mit Ihnen aus, Doktor? Was tun Sie?«
»Ich bin Luftfahrtingenieur. Das da oben ist meine Schöpfung.«
Die beiden schauten zu, wie vorne und an den Seiten des fliegenden Kolosses dicke Trossen hinuntergeworfen wurden, um es am Ankerturm des Gebäudes zu vertäuen. Wie es so von den Strahlen der Scheinwerfer umspielt in den Wolken hing, fand Paddy es schöner als alles andere, was je durch Menschenhand geschaffen wurde.
»Wirklich? Hut ab! Sie haben daran mitgearbeitet?«
»Es heißt Vortex I. Entworfen wurde es von mir – freilich mit kräftiger technischer Unterstützung seitens unseres Vorsitzenden. Er allein hatte die Vision, schlug das ursprüngliche Konzept vor. Mir wurde die Ehre zuteil, es für ihn umzusetzen.«
»Ich will Ihnen ja nicht zu nahe treten, aber wie kommt es, dass Sie nicht dort oben unter den anderen hohen Tieren stehen, die ihn willkommen heißen?«
Jetzt war das Kerlchen wirklich verärgert. »Offiziell sollte ich das natürlich. Dummerweise habe ich aber meine Frau in der Menge aus den Augen verloren. Sie verschwand vor 20 Minuten auf der Damentoilette und ist seitdem unauffindbar. Sie würde mich umbringen, wenn ich sie nicht mit nach oben nähme.«
Paddy zwinkerte ihm zu. »Ich weiß, was Sie meinen. So sind die Frauen eben, hm? Ich selbst könnte ein Buch darüber schreiben. Darf ich fragen, was es mit dem großen Loch am Bug auf sich hat? Sieht irre aus.«
»Es ist ein sogenannter Luftsammler«, erklärte Schumajew. »Dort wird Luft aus der Atmosphäre durch einen konisch gewundenen Wirbelgenerator angesogen, daher auch der Name Vortex. Daraufhin beschleunigt ein Pumpsystem von BDP mit Scheibenläuferturbine die Strömung. Der komprimierte Luftzug wird schließlich durch einen geschlitzten Mittelring an der Seite des Schiffs geführt. Können Sie mir noch folgen?«
»Einigermaßen.«
»Denken Sie dabei an Fischkiemen.«
»Ach