»Ja, bis auf den letzten Schilling«, bestätigte er barsch.
»Wenn Sie doch nur den Gatten und Geliebten auch so spielen könnten –.«
Ihre Stimme zitterte, und sie schwieg, während eine warme Röte in ihre Wangen stieg, und sie schlug vor seinem Blick die Augen nieder.
»Und jetzt sage ich kein Wort mehr«, fügte sie hinzu. »Ich habe schon vielzuviel gesagt.«
Dann legte sie sich offen und ehrlich in seine schützenden Arme, und beide vergaßen den Sturm, der in immer heftigeren Stößen an ihnen vorbeijagte. Der Regen war noch nicht losgebrochen, aber die nebelähnlichen Schauer wurden immer häufiger. Daylight verbarg seine Verwirrung nicht, und er war noch verwirrt, als er zu sprechen begann.
»Ich weiß nicht, was tun, aber etwas muß getan werden. Ich kann Sie nicht lassen. Ich kann nicht. Und ich will auch nicht.
Sie haben mir kein Argument übriggelassen. Ich weiß, daß ich nicht mehr derselbe bin, der aus Alaska kam. Ich könnte heute nicht mehr mit meinen Hunden fahren wie in jenen Tagen. Meine Muskeln sind weich, und mein Gemüt ist hart geworden. Ich pflegte Männer zu achten. Jetzt verachte ich sie. Sehen Sie, ich verbrachte mein ganzes Leben draußen, und ich glaube, dafür bin ich geboren. Ich habe übrigens den schönsten kleinen Bauernhof, den Sie sich denken können, in Glen Ellen. Dort, wo ich mit der Ziegelei hereinfiel. Ich habe den Hof nur ein einziges Mal gesehen, aber ich habe mich so in ihn verliebt, daß ich ihn auf der Stelle kaufte. Ich ritt nur so durch die Berge und freute mich wie ein Junge, der die Schule schwänzt. Ich wäre ein besserer Mensch, wenn ich auf dem Lande lebte. Die Stadt hat mich nicht besser gemacht. Sie haben ganz recht, das weiß ich. Aber gesetzt, ich verkrachte jetzt und müßte als Tagelöhner arbeiten?«
Sie antwortete nicht, obgleich jede Fiber ihres Körpers zuzustimmen schien.
»Gesetzt, ich hätte nichts als den kleinen Hof und ein paar Hühner und begnügte mich, ein bißchen zu graben und zu pflanzen – würden Sie mich dann heiraten, Dede?«
»Dann wären wir ja immer zusammen!« rief sie.
»Aber ich müßte zwischendurch fortgehen und pflügen«, warnte er, »oder Vorräte aus der Stadt besorgen.«
»Es wäre jedenfalls kein Kontor und kein Mensch, mit dem Sie in einer Unendlichkeit über Geschäfte reden müßten. Aber das ist ja alles dummes Zeug und ganz unmöglich, und jetzt müssen wir machen, daß wir nach Hause kommen, wenn wir nicht naß werden wollen.«
Dann kam ein Augenblick unter den Bäumen vor dem Abstieg, wo Daylight sie hätte an sich ziehen und küssen können. Aber er war zu verwirrt über all das Neue, das sie ihm zu denken gegeben hatte, als daß er die Situation ausgenutzt hätte. Er faßte sie nur am Arm und half ihr über die unebene Stelle.
»Es ist verflucht schön da oben bei Glen Ellen«, sagte er überlegend. »Ich möchte, Sie könnten es mal sehen.« Als sie den Waldrand erreichten, trennten sie sich.
Fünfunddreißigstes Kapitel
Als das Fährsystem in Gang kam und es sich zeigte, daß die Fahrt zwischen Oakland und San Franzisko nur die Hälfte der Zeit kostete, trat in Daylights drückender Geldknappheit eine Wendung zum Bessern ein. In seinen Wohnvierteln wurden Tausende von Grundstücken verkauft und Tausende von Häusern gebaut. Im Herzen Oaklands wurden Fabriken und Geschäftsgrundstücke verkauft, und alles das hatte natürlich eine ständige Wertsteigerung seiner gewaltigen Besitzungen zur Folge. Aber wie früher nahm er seine Chance wahr und nutzte sie aus. Schon hatte er begonnen, bei den Banken Anleihen aufzunehmen. Der fabelhafte Verdienst an den Grundstücken wurde wieder in Grundbesitz und in neue Unternehmungen gesteckt, und statt die alten Schulden abzuzahlen, machte er neue. Wie früher in Dawson City, so ging er auch jetzt wieder aufs Ganze; aber er tat es in dem Bewußtsein, daß es ein solideres Unternehmen war, als eine Goldgräberstadt zu bauen.
In kleinerem Maßstabe folgten auch andere seinem Beispiel, kauften und verkauften Grundstücke und zogen Nutzen aus den Verbesserungen, die er durchgeführt hatte. Aber das war ja zu erwarten gewesen, und die kleinen Vermögen, die sie auf seine Kosten verdienten, ärgerten ihn nicht.
Auch die Arbeit an Daylights Docksystem schritt rasch vorwärts; aber es war nur eines jener Unternehmen, die riesige Summen verschlangen und nicht so schnell wie die Fähren betriebsfähig wurden. Es waren große technische Schwierigkeiten zu überwinden. Ein unablässiger Strom von Geld floß in tausend hungrige Magen. Aber es war alles so gesund und gesetzlich, daß Daylight mit seinem klaren Weitblick nicht vorsichtiger und sicherer hätte spielen können. Auch sein einziger Vertrauter, Larry Hegan, ermahnte ihn nicht zur Vorsicht.
Im Frühling aber begann eine große Panik. Als erstes Anzeichen kündigten die Banken die Kredite, für die sie keine genügende Sicherheit hatten. Daylight bezahlte prompt ohne Einwände die ersten Wechsel, die ihm präsentiert wurden, dann wurde er sich darüber klar, daß diese Mahnungen nur zeigten, woher der Wind blies, und daß einer der schrecklichsten finanziellen Stürme, von denen er je gehört hatte, über die Vereinigten Staaten hinwegfegen würde. Er traf jede Maßregel, die in seiner Macht stand, und machte sich keine Sorge, daß er den Sturm überstehen würde. Das Geld wurde immer knapper. Zuerst machten verschiedene der größten Bankhäuser des Ostens Bankerott, die Knappheit wuchs, bis jede Bank im ganzen Lande ihre Kredite kündigte. Daylight saß in der Falle, weil er zum erstenmal rechtmäßiges Spiel gespielt hatte. In alten Tagen wäre eine derartige Panik mit der dazugehörigen ungeheuren Entwertung eine reiche Erntezeit für ihn gewesen. Jetzt sah er die Spieler, die auf der großen Wohlstandswoge geritten und ihre Maßnahme für die schlechten Zeiten getroffen hatten, sich in aller Eile in ihre sicheren Schlupfwinkel zurückziehen oder darangehen, eine doppelte Ernte einzuheimsen. Ihm blieb nichts übrig als festzustehen und durchzuhalten.
Er durchschaute die Situation. Als die Banken ihre Guthaben einforderten, wußte er, daß sie das Geld dringend brauchten. Aber er brauchte es noch dringender.
Was er nötig hatte, war Bargeld, und wenn ihm alle ständig eingehenden Gelder zur Verfügung gestanden hätten, so wäre nichts zu befürchten gewesen. So aber mußte er um das Geld kämpfen, das er brauchte. Sein Privatkontor war beständig voll von Leuten, denn alle wollten ihn, oder er wollte sie sprechen. Es gab Arbeit, Arbeit von morgens bis zum Abend, und er war der einzige, der sie zu leisten imstande war. So ging es Tag für Tag, während die ganze Geschäftswelt um ihn her wankte und ein Handelshaus nach dem andern stürzte.
Der Morgen sah ihn um acht an seinem Schreibtisch. Um zehn saß er in seinem Auto und machte die Runde bei seinen Banken. Und gewöhnlich hatte er im Auto die zehntausend und mehr Dollar bei sich, die seine Fähren und Eisenbahnen am Tage zuvor eingenommen hatten. Dies Geld sollte die ärgsten Löcher stopfen. Und mit einem Bankdirektor nach dem andern wurde dieselbe Szene aufgeführt. Sie waren vor Schrecken gelähmt, und zuerst spielte er dann seine Rolle als der große Optimist. Die Zeiten würden besser. Selbstverständlich. Die Anzeichen wären schon da. In den östlichen Staaten sei das Geld schon flüssiger geworden. Haben Sie gesehen, was für Geschäfte in den letzten vierundzwanzig Stunden in Wall Street gemacht sind? Hatte Ryan nicht dies und jenes gesagt? Und hieß es nicht, daß Morgan dies und jenes vorhatte?
Und was ihn selbst betraf: Trotz der Panik kamen immer mehr Leute nach Oakland. In den Verkauf der Grundstücke kam Fahrt. In eben diesem Augenblick unterhandelte er über den Verkauf von mehr als tausend Grundstücken in den Vororten. Natürlich war es ein Opfer, aber es würde doch den Druck, der auf ihnen allen lag, erleichtern und die Zagen ermutigen. Hätte es keine Zagen gegeben, so wäre es nicht zur Panik gekommen.
Daylights Schachzüge waren fabelhaft. Nicht das geringste entging seinen scharfen Blicken. Der Druck, in dem er sich befand, war schrecklich. Er hatte keine Zeit mehr zu frühstücken. Wenn der Tag zu Ende war, so war er vollständig fertig, und mehr als je suchte er Schutz hinter der schirmenden Mauer des