»Und da gewannen Sie etwas, das mehr wert war als Geld«, ermutigte ihn Dede. »Wissen Sie, was ich tun würde, wenn ich soviel Geld hätte, daß ich zum Weiterspielen gezwungen wäre? Sehen Sie alle diese nackten Hänge dort im Süden und Westen. Ich würde sie kaufen und mit Eukalyptus bepflanzen. Ich würde es nur aus Freude an der Sache tun, gesetzt aber, ich hätte den Spielteufel in mir, so würde ich genau dasselbe tun und die Bäume zu Geld machen. Und da komme ich wieder zu dem andern Punkte. Statt den Kohlenpreis heraufzuschrauben, ohne doch dem Kohlenmarkt auch nur im geringsten mehr zuzuführen, würde ich tausend und aber tausend Klafter Brennholz hervorbringen – aus dem Nichts schaffen. Und jeder, der mit der Fähre übersetzte, würde zu den bewaldeten Bergen hinaufsehen und sich freuen. Wer hat sich darüber gefreut, daß Sie eine Tonne Rock Wells um vier Dollar verteuerten?«
Jetzt war es Daylight, der eine Weile schwieg, während sie auf Antwort wartete.
»Möchten Sie lieber, daß ich derartige Dinge täte?« fragte er schließlich.
»Es wäre besser für die Welt und besser für Sie«, antwortete sie ruhig.
Neunundzwanzigstes Kapitel
Die ganze Woche wußte jeder auf dem Kontor, daß Daylight mit großen Plänen umging. Außer einigen unbedeutenden Geschäften hatte er mehrere Monate nichts gemacht. Aber jetzt ging er tief in Gedanken versunken umher, machte unerwartet längere Fahrten über die Bucht nach Oakland oder saß stundenlang still und unbeweglich an seinem Schreibtisch. Was ihn beschäftigte, schien ihm eine ganz besondere Freude zu bereiten. Manchmal kamen auch Leute und besprachen sich mit ihm – Leute mit neuen Gesichtern und von einem ganz anderen Schlage als die, die ihn sonst aufzusuchen pflegten.
Am Sonntag erfuhr Dede alles.
»Ich habe ein bißchen über unsere Unterhaltung nachgedacht,« begann er, »und ich habe eine Idee bekommen, mit der ich es einmal versuchen möchte. Es ist ein Plan, daß Ihnen die Haare zu Berge stehen werden. Es ist das, was Sie ehrliches Spiel nennen, dabei aber das tollste Spiel, auf das ein Mensch sich je eingelassen hat. Was meinen Sie dazu, Minuten en gros zu pflanzen und zwei wachsen zu lassen, wo früher nur eine Minute wuchs? Ach ja, und auch ein paar Bäume dazu, sagen wir, einige Millionen. Erinnern Sie sich des Steinbruchs, dessen Besichtigung ich vortäuschte? Nun, ich will ihn jetzt kaufen. Ich will die ganzen Berge von Berkeley den Weg hinab bis nach San Leandro kaufen. Ein Teil davon gehört mir übrigens schon. Aber verraten Sie nicht ein Wort davon. Ich will erst noch eine ganze Weile weiterkaufen, ehe etwas bekannt wird, denn ich will nicht, daß die Preise ins Uferlose steigen. Können Sie den Berg drüben sehen? Der gehört mir schon, und er erstreckt sich mit seinen Hängen durch ganz Piedmont bis halbwegs zu den wogenden Hügeln von Oakland. Und das ist noch gar nichts gegen das, was ich erst kaufen will.«
Er hielt triumphierend inne.
»Und das alles, um zwei Minuten wachsen zu lassen, wo früher nur eine wuchs?« fragte Dede und lachte über seine Heimlichtuerei.
Er starrte sie bezaubert an. Sie hatte eine so freie, knabenhafte Art, den Kopf zurückzuwerfen. Und ihre Zähne entzückten ihn immer wieder. Sie waren nicht gerade klein, aber regelmäßig, stark und tadellos, und er war überzeugt, daß es die gesundesten, weißesten und schönsten Zähne waren, die er je gesehen.
Erst als sie aufgehört hatte zu lachen, konnte er fortfahren.
»Das Fährsystem zwischen Oakland und San Franzisko ist der elendeste Einspännerbetrieb in den ganzen Vereinigten Staaten. Sie benutzen die Fähre ja täglich, sechsmal in der Woche. Das macht vierundzwanzig Tage im Monat, oder mehr als dreihundert im Jahr. Wie lange brauchen Sie jedesmal dazu? Wenn Sie Glück haben, vierzig Minuten. Ich will Sie in zwanzig Minuten übersetzen. Wenn das nicht zwei Minuten wachsen lassen heißt, wo früher nur eine wuchs, dann will ich mir den Kopf abhauen lassen. Ich will Ihnen jedesmal zwanzig Minuten ersparen. Das heißt, vierzig Minuten täglich, mal dreihundert, gleich zwölftausend Minuten jährlich – nur für Sie, für einen einzigen Menschen. Das sind rund zweihundert Stunden. Und nun denken Sie, daß wir Tausenden von Menschen ebenfalls diese zweihundert Stunden ersparen – das lohnt sich doch, nicht wahr?«
Dede konnte nur atemlos nicken. Sie ließ sich von seiner Begeisterung mitreißen, wenn sie auch noch nicht verstand, wie diese große Zeitersparnis erzielt werden sollte.
»Kommen Sie«, sagte er. »Lassen Sie uns auf diese Anhöhe reiten, und wenn ich Sie oben habe und Sie etwas sehen können, will ich Ihnen die Geschichte erklären.«
Ein schmaler Pfad führte zu dem trockenen Bette des großen Canjons hinab, den sie überschreiten mußten, ehe sie den Aufstieg beginnen konnten. Der Abhang war steil und mit dichtem Gestrüpp und Buschwerk bedeckt, durch das die Pferde mühsam stolperten. Bob, der solche Verzögerungen nicht leiden konnte, wandte sich plötzlich um und versuchte, an Mab vorbeizukommen. Die Stute wurde seitwärts in das dichte Gestrüpp gedrängt und wäre beinahe gestürzt. Die Schenkel beider Reiter wurden zwischen die Pferde geklemmt, und als Bob nun den Hügel hinunterjagte, wäre Dede fast abgeworfen worden. Daylight zwang sein Pferd auf die Hinterhand und zog gleichzeitig Dede wieder in den Sattel. Zweige und Blätter regneten auf sie herab, und sie kamen aus einer Klemme in die andere, bis sie schließlich, stark mitgenommen, aber glücklich und froh erregt, den Gipfel erreichten. Hier versperrte kein Baum die Aussicht. Der Hügel, auf dem sie standen, sprang aus der Reihe heraus, so daß sie nach drei Seiten freie Aussicht hatten. Auf dem Flachlande zu ihren Füßen lag Oakland, und auf der andern Seite der Bucht war San Franzisko zu sehen. Zwischen den beiden Städten konnten sie die weißen Fährboote auf dem Wasser erblicken. Zu ihrer Rechten befand sich Berkeley, und links lagen die verstreuten Dörfer zwischen Oakland und San Leandro. Gerade vor ihnen war Piedmont, dessen Häuser zwischen Äckern verstreut lagen, und von dort wogte das Land bis nach Oakland hinüber. »Sehen Sie«, sagte Daylight mit einer umfassenden Armbewegung. »Hunderttausend Menschen wohnen dort, aber warum sollte nicht eine halbe Million dort wohnen? Da haben wir die Möglichkeit, fünf Menschen wachsen zu lassen, wo jetzt einer wächst. Das ist in wenigen Worten mein Plan. Warum wohnen nicht mehr Leute in Oakland? Weil die Verbindung mit San Franzisko schlecht, und, nebenbei, weil Oakland eingeschlafen ist. Leben kann man dort viel besser als in San Franzisko. Gesetzt, ich kaufte jetzt alle Straßenbahnen in Oakland, Berkeley, Alameda, San Leandro und den übrigen Orten – brächte sie unter einen Hut, unter eine tüchtige Leitung? Gesetzt, ich verkürzte die Fahrzeit nach San Franzisko um die Hälfte, indem ich einen großen Damm fast bis nach Goat Island hinausbaute und ein Fährsystem mit ganz modernen Booten einrichtete? Nicht wahr, die Leute würden sich daran gewöhnen, auf dieser Seite zu wohnen? Sehr schön. Dann brauchen Sie aber auch Grund und Boden. Augenblicklich ist der Boden noch billig. Warum? Weil es hier noch keine Eisenbahnen, elektrische Bahnen oder andere schnelle Verbindungen gibt, und weil keiner ahnt, daß sie bald kommen werden. Ich will sie bauen. Das wird die Preise für den Boden in die Höhe schrauben. Sobald die Leute dann die verbesserten Fähren und andere Verkehrserleichterungen sehen, werden sie kaufen wollen, und dann verkaufe ich ihnen die Grundstücke.
Sie sehen, ich mache den Boden wertvoll, indem ich die Bahnen baue. Der Verkauf der Grundstücke bringt die Auslagen wieder herein, und dann habe ich noch die Bahnen, die die Leute hin und her transportieren und viel Geld bringen. Ich kann nicht verlieren. Es sind Millionen daran zu verdienen. Ich will mir Grund und Boden am Strande sichern. Vielleicht zwischen dem alten Damm und der Stelle, wo ich den neuen bauen will. Da ist das Wasser seicht. Ich kann es zuschütten und Docks für Hunderte von Schiffen anlegen. Die Reede von San Franzisko