Er verbrachte mehrere Stunden in ihrer Gesellschaft, und sie war die ganze Zeit dieselbe wie früher, natürlich, ungekünstelt, munter, lächelnd und lachend, ein guter Kamerad, der mit unverminderter Begeisterung von Pferden sprach und sich mit dem mürrischen Wolf zu befreunden suchte. Sie sprach den Wunsch aus, Bob reiten zu dürfen, in den sie, wie sie erklärte, mehr verliebt sei, als sie es je sonst gewesen. Aber Daylight erhob Einwände. Bob hätte die gefährlichsten Einfälle, und er könnte keinen darauf reiten lassen, es sei denn seinen schlimmsten Feind.
»Sie meinen, ich verstehe nichts von Pferden, weil ich ein Mädchen bin«, ereiferte sie sich. »Aber ich bin so oft abgeworfen worden, daß ich mir etwas darauf einbilden kann. Und ich bin nicht gerade auf den Kopf gefallen. Ich würde nie versuchen, ein Pferd zu reiten, das ausschlägt. Soviel habe ich doch gelernt. Aber sonst fürchte ich nichts. Und daß Bob nicht ausschlägt, sagen Sie ja selbst.«
»Aber Sie haben noch nicht gesehen, was er für Geschichten macht«, beharrte Daylight.
»Vergessen Sie nicht, daß er nicht der erste ist, mit dem ich zu tun habe. Ich habe Mab an die elektrische Bahn, an Lokomotiven und Automobile gewöhnt. Als ich sie bekam, war sie ein ganz rohes Füllen vom Lande. Sie hatte eben gelernt, den Sattel zu tragen, das war alles, übrigens werde ich Ihrem Pferd keinen Schaden zufügen.«
Halb wider Willen gab Daylight nach, und an einer verkehrslosen Stelle des Weges tauschten sie Sättel und Zügel.
»Denken Sie daran, daß er läuft wie ein geölter Blitz«, warnte er, als er ihr in den Sattel half.
Sie nickte, während Bob die Ohren spitzte in dem Bewußtsein, einen fremden Reiter auf dem Rücken zu haben. Seine Späße begannen schnell genug – zu schnell für Dede, die sich mit den Armen um Bobs Hals klammern mußte, während er herumwirbelte und in entgegengesetzter Richtung davonstob. Daylight folgte ihr auf dem Pferde und sah zu. Einen Augenblick später hielt sie das Pferd und schwang es mit dem auf dem Hals liegenden Zügel und unter Gebrauch des linken Sporns wieder in seine frühere Richtung herum.
»Halten Sie die Peitsche nur bereit, um ihm eins über die Nase zu geben«, rief Daylight.
Aber Bob kam ihr zuvor und wirbelte wieder herum. Mit einem kräftigen Ruck befreite sie sich aus ihrer unwürdigen Stellung. Seine Bewegung war diesmal noch schärfer, aber sie nötigte ihn durch den Zügel zu einer Art Tanzschritt und zwang ihn durch schonungslosen Gebrauch der Sporen, wieder umzuwenden. Es war nichts Weibliches in der Art, wie sie ihn behandelte; und diese einleitende kleine Kraftprobe zeigte ihm Dede ein wenig von der richtigen Seite. Wie sie mit zusammengepreßten Lippen und ein wenig unzufrieden mit sich dasaß, genügte ihm ein Blick in ihre grauen Augen, es zu erkennen. Daylight machte ihr keine weiteren Vorschläge, folgte ihr aber fast mit Freude in den Augen und wartete darauf, wie es Bob nun ergehen würde. Und es erging Bob schlecht. Als er das nächste Mal herumwirbelte oder es vielmehr versuchte, war er noch nicht halb herum, als die Peitschenschnur ihn schon mitten auf die Nase traf. Da ließ er die Vorderfüße, die er gerade erhoben hatte, in seiner Verblüffung, seiner Überraschung und seinem Schmerz wieder fallen.
»Großartig!« applaudierte Daylight. »Noch ein paarmal – dann tut er es nicht wieder.«
Bob versuchte es noch einmal. Aber diesmal hatte er noch keine Viertelwendung gemacht, als die zusammengelegte Peitschenschnur seine Füße schon wieder auf den Boden zwang. Und dann gehorchte er Dede ohne Zügel oder Sporen, wenn sie ihm nur mit der Peitsche drohte.
Dede sah Daylight triumphierend an.
»Darf ich ihn einmal laufen lassen?« fragte sie.
Daylight nickte, und sie schoß den Weg entlang. Er sah ihr nach, bis sie hinter der Wegbiegung verschwand, und blickte hin, bis sie wieder zum Vorschein kam. Sicher: sie konnte reiten, und sie war ein Prachtkerl. Herrgott, das war eine Frau für einen Mann! Und die mußte die ganze Woche auf der Schreibmaschine herumhämmern! Das war nicht der richtige Platz für sie. Sie mußte einen Mann haben, der sie in Samt und Seide kleidete und mit Diamanten behängte (so stellte er sich in seiner Hinterwäldlerart vor, was einer geliebten Frau gebührte), und ihr Hunde und Pferde und dergleichen mehr hielt – »Wir wollen sehen, Herr Burning Daylight, was sich machen läßt«, murmelte er. Und laut sagte er:
»Großartig, Fräulein Mason, großartig. Für Sie ist kein Pferd zu schade – eine Frau, die reiten kann wie Sie. Nein; behalten Sie ihn, wir traben zum Steinbruch hinunter.« Er lachte, »Wissen Sie, ich glaube, als Sie ihn zum erstenmal schlugen, stöhnte er. Haben Sie es gehört? Und wie er die Füße fallen ließ – gerade als wäre er gegen eine Steinmauer geprallt. In Zukunft weiß er Bescheid.«
Als er sie am Nachmittag an dem Gattertor, das nach Berkeley führte, verließ, zog er sich in den Schatten einer Baumgruppe zurück, wo er ihr, ohne selbst gesehen zu werden, mit den Augen folgen konnte, bis sie außer Sicht war. Als er dann sein Pferd wandte, um nach Oakland zurückzureiten, kam ihm ein Gedanke, bei dem er reuevoll lächeln mußte, und er murmelte: »Jetzt ist also nichts zu machen, ich muß den verdammten Steinbruch kaufen. Das ist der einzige Vorwand, den ich habe, um mich in diesen Bergen herumzutreiben.«
Aber er mußte seine Pläne mit dem Steinbruch für einige Zeit verschieben, denn am nächsten Sonntage ritt er allein. Keine Dede kam auf einem kastanienbraunen Pferd den Weg von Berkeley geritten, weder an diesem Tage noch eine Woche später. Daylight war außer sich vor Ungeduld und Ärger, obwohl er sich im Kontor beherrschte. An ihr bemerkte er keine Veränderung und gab sich Mühe, sich selbst auch nichts merken zu lassen. Es war dieselbe monotone Arbeit, aber sie regte ihn jetzt auf und machte ihn beinahe verrückt. Daylight war erbittert über eine Welt, die es ihm nicht erlaubte, mit seiner Sekretärin ebenso zu verkehren wie andere Männer mit andern Frauen. Was nützen mir meine Millionen? fragte er eines Tages den Kalender auf seinem Schreibtisch, als sie nach dem Diktat hinausging.
Ais die dritte Woche sich ihrem Ende näherte und Daylight wieder einem traurigen Sonntag gegenüberstand, entschloß er sich trotz allem zu reden. Seiner Natur gemäß ging er ohne Umschweife auf die Sache los. Sie hatte gerade ihre Arbeit beendet und nahm ihr Stenogrammheft und ihre Bleistifte, als er sagte:
»Noch eins, Fräulein Mason, und ich hoffe, Sie werden es mir nicht übelnehmen, wenn ich geradeheraus rede; denn ich habe Sie immer für ein vernünftiges junges Mädchen gehalten. Sie wissen, wie lange Sie bei mir im Geschäft sind – mehrere Jahre schon; und ich bin immer ehrlich und offen gegen Sie gewesen. Ich habe mir Ihnen gegenüber nie etwas, wie man so sagt – herausgenommen. Eben weil Sie bei mir waren, habe ich versucht, vorsichtiger zu sein, als wenn – wenn Sie nicht bei mir gewesen wären – Sie verstehen. Aber deshalb bin ich doch auch nur ein Mensch. Ich bin ein einsamer Bursche – nein, glauben Sie nicht, daß ich um ein freundliches Wort bitten will. Ich möchte Ihnen nur sagen, wie wohl mir diese Ausritte mit Ihnen getan haben. Und nun hoffe ich, werden Sie es mir nicht verdenken, wenn ich Sie frage, warum Sie die beiden letzten Sonntage nicht ausgeritten sind?«
Er hielt inne und wartete, aber es überkam ihn warm, und der Schweiß stand in kleinen Tropfen auf seiner Stirn. Sie sprach nicht gleich, und er schritt durch den Raum und schob das Fenster höher.
»Ich bin ausgeritten,« antwortete sie, »nur in einer anderen Richtung.«
»Aber warum denn ...« Er konnte die Frage nicht beenden. Seien Sie nun ebenso ehrlich gegen mich, wie ich gegen Sie«, bat er. »Warum sind Sie nicht in den Piedmont-Bergen geritten? Ich habe überall nach Ihnen gesucht.«
»Eben deswegen.« Sie lächelte und sah ihm einen Augenblick gerade in die Augen, dann senkte sie den Blick. »Das müssen Sie doch verstehen, Herr Harnish.« Er schüttelte verdrießlich den Kopf.
»Ja und nein. Es gibt Dinge, die man nicht tun darf, und solange ich nicht Lust habe, sie zu tun, ist es mir auch einerlei.«
»Wenn Sie aber Lust haben?« fragte sie schnell.
»Dann tue ich sie.« Bei dieser Willenserklärung hatte er die Lippen zusammengepreßt, aber im nächsten Augenblick schränkte er seine Behauptung etwas ein: »Das heißt, meistens. Aber ich verstehe nicht,