Herzmord. Dietmar Wolfgang Pritzlaff. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Dietmar Wolfgang Pritzlaff
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783965087491
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Ich mochte ihren Mundgeruch nicht und der Duft aus dem Aschenbecher schlug mir auch auf den Magen. Warum um alles in der Welt wollte ich trotzdem rauchen?

      Die älteren Schüler sahen so erwachsen mit Zigarette aus. Das bewunderte ich und im Fernsehen lief die HB-Werbung. Ein kleines Zeichentrickmännchen wollte irgendein Regal aufbauen, dabei ging alles schief, was nur schiefgehen konnte. Er ging in die Luft und dann kam schon der Werbeslogan: „Wer wird denn gleich in die Luft gehen? Wer wird sich denn aufregen...? Greife lieber zur HB, dann geht alles wie von selbst!“

      Ahh... Rauchen beruhigt also und alles geht wie von selbst. Das wollte ich doch haben.

      Der Marlboro-Mann saß nach getaner Arbeit, auf irgendwelchen Gäulen Rindviecher durch die Steppe treiben, am Lagerfeuer mit einem Pott schwarzen Kaffee und einer Zigarette. Das war Entspannung. Das schmeckte.

      Noch besser der Camel-Mann, der meilenweit für eine Camel-Filter ging und sich dabei sogar ein Loch in die Ledersohle latschte. Später kamen die Camel-Trophys und der Dschungel lud alle Abenteurer zum Durchqueren mit Jeeps ein. Wer wollte nicht dabei sein?

      „Der Duft der großen weiten Welt“ versprach Peter Stuyvesant beim Rauchen der Zigaretten und lud zum Abheben mit einem Flugzeug ein: „Take-off, der Freiheit entgegen!“

      R1 war nie meine Zigarettenmarke, aber der Werbespruch: „Ich rauche gern!“, passte auf mich wie die Faust aufs Auge.

      So gesehen war die Zeit meiner Jugend absolut durchdrungen von Zigarettenwerbung. Man paffte wo man nur konnte und man konnte überall. Bei manchen Fernsehsendungen, wie „Der Frühschoppen“ konnte man kaum noch die Redner durch den Qualm erkennen. Man paffte, das war halt so.

      Und Ärzte sagten in dieser Zeit immer zu mir: „Ach, eine Packung am Tag, das macht gar nichts.“ Wirklich, das sagten die einfach so einem 16-Jährigen.

      Aber ich war ja erst 13 und durfte erst mit 16 vor meinen Eltern rauchen. Mit 13 wurden die Kippen nur selten geraucht, weil das Geld fehlte. Gerne stand ich dann mit den schon älteren in der Raucherecke der Schule. Man tat was Verbotenes und kam sich so groß dabei vor. Herrlich!

      Meine Mutter fand ein durch Brand entstandenes Loch in meiner Parkatasche. Wieso kramte sie auch daran herum? Ach so, ja, sie wollte das Schätzchen, welches ja ständiger Begleiter der Jugendlichen damals war, auch mal wieder waschen. Und dann fand sie noch ein paar Tabakreste in einer Tasche.

      „Du magst doch den Geruch gar nicht. Wie kannst du anfangen zu rauchen?“

      Ja, wieso?

      Weil ich damit einfach integrierter in der Welt der Jugendlichen sein und ein ganzer Kerl sein wollte. Ich fühlte mich mit Glimmstängel männlicher und stärker. Ganz einfach und es beruhigte doch so schön. Na ja, alles Einbildung, wie wir ja alle wissen.

      Aber mit 16 durfte ich ja und dann habe auch ich gepafft ohne Ende. Ich wollte damit gar nicht aufhören. Mein Patenonkel rauchte damals noch Kette, also rauchte auch ich. Das war doch selbstverständlich und wenn die Ärzte der Meinung sind, dass es gar nicht schadet – immer rein mit dem Rauch. Und dann konnte ich es einfach nicht mehr lassen.

      Kapitel 16: Er hat immer gebohrt!

      Ich weiß nicht warum, aber Zähne waren mir immer wichtig. Sie sollten schön weiß und gepflegt sein. Zahnarztbesuche gehörten zum Erhaltungsprogramm einfach dazu. Erst mit Mama, dann alleine, aber mindestens einmal im Jahr zum Zahnarzt musste einfach sein.

      Entweder man hat gesunde Zähne von Natur aus, oder nicht. Da spielen wohl auch Gene eine entscheidende Rolle. Zuviel Süßes konnte es doch gar nicht sein. Oder doch? Nein, ich wuchs noch nicht mit den vielen überzuckerten Brausen auf und nein, wir Kinder bekamen nur manchmal zu besonderen Feierlichkeiten eine Tüte Süßes. Ob Schokolade, Bonbons und lecker Eis, immer hieß es gleich: „Nicht so viel Süßes.“

      Meine Zähne jedenfalls waren alles andere als gesund. Ständig hieß es schon in frühester Jugend: „Da muss ich aber bohren!“

      Und wieder ein Loch in einen Zahn gebohrt und wieder eine neue Füllung. Und als Füllung natürlich nur das Beste: Amalgam!

      Als Jugendlicher hatte ich schon 13 Zähne mit dem Zeug voll. Das gute an Amalgamfüllungen war nur die Haltbarkeit. Unendlich. Die Zahnärzte klärten über Gefährdungen nicht auf. Für sie gab es wohl keine gefährlichen Stoffe in diesen Füllungen. Also rein damit in die jugendliche Schnauze. Tapfer wie ich sein wollte, ging ich trotzdem immer wieder hin.

      Dabei putzte ich immer schön fleißig die Zähne. Für mich waren Zahnschmerzen das Schlimmste was es geben konnte. Schmerzen im Kopfbereich – nein danke!

      Ein Zahnarzt war ein richtiger Pferdemetzger. Der bohrte am liebsten ohne Betäubung und fuhrwerkte mal ordentlich mit seinem blanken Stahlbesteck im Maul rum. Der nahm keine Rücksicht auf Schmerzen beim Bohren. Das musste man aushalten, ob man wollte oder nicht.

      Nach dem Besuch bei diesem Arzt zog ich mich vom gerne-zum-Zahnarzt-gehen etwas zurück. Soll heißen, ich ging wirklich nur noch einmal im Jahr zum Zahnarzt.

      Mit einem neuen Zahnarzt wurde das dann nach 3 Jahren wieder anders. Da war ich schon über 18 und ich ließ mich nicht mehr so gerne quälen.

      Kapitel 17: Schloss mit einem Auge

      Es war im Sommer 1978, ich war gerade 15 Jahre alt geworden und fuhr mit meinen Eltern nach Waging am See in Oberbayern.

      Meine 6 Jahre ältere Schwester Gunilla mit ihrem Freund Franz kamen nach Waging nach und luden mich auf eine Sight-Seeing-Tour zum Schloss Neuschwanstein ein. Ab ging es im Auto des Freundes nach Füssen.

      Es war ein heißer Sommer damals. Klimaanlagen im Auto gab es noch nicht. Wir mussten alle Fenster des Autos runterkurbeln um nicht zu ersticken. Ich saß auf der Rückbank und ließ mir den Fahrtwind von allen Seiten um die Birne wehen.

      Endlich angekommen, Parkplatz gesucht – gefunden und dann ging es auf einem Fußweg weiter. Erstmal marschierten wir durch die schwüle Hitze auf einem Waldweg zu der sagenumwobenen Marienbrücke von wo man einen herrlichen Blick auf das Schloss Neuschwanstein hat. Die Eisenbrücke klemmt zwischen zwei steilen Berghängen neunzig Meter über dem Pöllatfall, einem Wasserfall. Nein, wie idyllisch!

      Meine Schwester Gunilla betrat die Brücke und konnte der Idylle kaum etwas abgewinnen. Sie hielt sich am Geländer fest und starrte in die Tiefe. Ihr Freund Franz wollte sie am Arm nehmen und weitergehen, aber Gunilla konnte nicht. Sie verkrampfte am Geländer und konnte keinen Schritt weitergehen. Franz musste ihre Finger einzeln vom Geländer hebeln, sonst würde sie noch heute dort kleben. Seitdem leidet sie unter Höhenangst. Oder entdeckte dort zum ersten Mal ihre Höhenangst. Dass meine Schwester trotzdem noch auf das Schloss wollte war schon eine Leistung für sich.

      Dann ging es zum Schloss. Neuschwanstein, herrlich anzusehen, von unten, von oben, vom weiten, vom nahen, von überall. Im Burghof schlossen wir uns einer Besuchergruppe an und marschierten durch das Schloss hinterdrein. Wir erklommen über eine Steinwendeltreppe den ersten Turm da geschah es: Mir tanzten blitzende Punkte vor dem linken Auge. Komisch. Nur das linke Auge. Dann anhaltende linksseitige Kopfschmerzen und plötzlich sah ich gar nichts mehr außer tanzenden Punkten vor dem Auge und mir wurde kotzübel. Ich unterdrückte das Kotzen. Ich hielt mich an der Steinwand fest und rief nach meiner Schwester, die vorausgeeilt war. Ich wurde immer langsamer und fühlte mich schwindelig. Ich konnte nicht mehr weiter.

      Meine Schwester und ihr Freund Franz waren sofort zur Stelle. Sie sahen, dass ich keinen Meter mehr weiterkam und wir traten den Rückzug an. Na klasse, einmal im Leben bin ich im Schloss Neuschwanstein und dann konnte ich nicht mehr. Immer wieder stand mir schon die saure Kotze im Hals und musste sie wieder runterwürgen.

      Zwischen Franz und meiner Schwester eingeklemmt, schleppten sie mich zum Auto.

      „Oh, nein, nicht jetzt fahren“, sagte ich noch, aber ich musste. Ich legte mich sofort auf die Rückbank und stieß wieder und wieder aus: „Ich