Streifzüge an der Riviera. Eduard Strasburger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Eduard Strasburger
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Путеводители
Год издания: 0
isbn: 4064066117696
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lybischen Sandes und der Meereswellen. Man trank in Rom meist schon ungemischte Weine, das heißt ohne den einst üblichen Zusatz von Wasser; man kühlte sie mit Eis, versetzte sie öfters mit Gewürzen und fing an, nach alten Jahrgängen zu trachten. Guter Wein mußte acht bis zehn Jahre alt sein, um geschätzt zu werden, und selbst von zweihundertjährigen Weinen sind uns Berichte erhalten. So mundete dem Kaiser Caligula (37–41 n. Chr.) Wein vom Jahre 121 v. Chr., dem besten Weinjahre, dessen sich Italien zu erinnern wußte. Es war Italien selbst, das zu Plinius' Zeiten die geschätztesten Weinsorten producirte, so daß Plinius wohl behaupten durfte, Italien nehme mit seinen Weinen die erste Stelle unter allen Ländern ein und sei nur in der Erzeugung von Wohlgerüchen von einigen derselben übertroffen: es gebe übrigens, fügt er hinzu, keinen Wohlgeruch, der denjenigen des blühenden Weinstocks übertreffe. – Auch in der römischen Zeit wurde der Weinstock bereits in kunstgerechter Weise zugeschnitten, doch ließ man ihn je nach der Gegend in verschiedener Weise wachsen. In Campanien schlang er sich empor an der Pappel, umfing sie wie seine Gattin, streckte seine üppigen Arme auf gewundenen Bahnen zwischen ihre Aeste, bis er ihren Gipfel erreichte. Da pflegte der Winzer, zur Arbeit gemiethet, sich außer dem Lohne vom Gutsherrn einen Scheiterhaufen und ein Grabmal auszubedingen, falls ihn bei der Weinernte ein Unfall treffen sollte. Anderswo waren ganze Landhäuser von den schmiegsamen Aesten eines einzigen Weinstocks umflochten, und in Rom lustwandelte man in den Säulenhallen der Livia im Schatten eines Weinstocks, der zwölf Amphoren Wein lieferte. In manchen Theilen Italiens zog man den Weinstock an Pfählen, in noch anderen ließ man ihn auf dem Boden kriechen, in all' jener Mannigfaltigkeit der Behandlung, die auch heut noch dem Wanderer in Italien auffällt. [pg 015] Hier, meint Plinius, schimmerten purpurne Trauben aus dem grünen Laub hervor, dort leuchteten sie in rosenrothem Glanz, dort endlich in saftigem Grün. An dem einen Orte sah man runde, an dem anderen längliche, hier kleine, dort große, hier harte und dickschalige, dort saftige und dünnschalige Beeren. Manche Trauben hing man im Zimmer an einem Faden auf, um sie länger zu erhalten, andere versenkte man in süßen Wein und ließ sie sich so im eigenen Safte berauschen. Auch gab es Trauben, die man räucherte, ähnlich wie es mit manchen Weinen geschah. Plinius erzählt, daß Kaiser Tiberius geräucherte afrikanische Trauben ganz besonders liebte.

      Nach dem Sturze Roms zerfiel auch der Weinbau in Italien. Nachlässig wurden die Trauben geerntet, sorglos gekeltert, und der Most lange auf den Trestern gelassen, damit der Wein jene dunkle Farbe erlange, wie sie im Lande beliebt war. Solche Weine konnten sich nicht lange halten, wurden von fremden Ländern daher auch nicht begehrt. Doch in neuester Zeit beginnt sich das zu ändern; Weinbau und Weinbereitung in Italien sind in erfolgreichem Aufschwung begriffen.

      Die alte Sitte, den Wein in Schläuchen zu befördern und dann in Amphoren aufzubewahren, hat sich jetzt auch im Süden verloren. Hölzerne Tonnen, die zur Römerzeit bei den cisalpinischen Galliern und den Alpenvölkern in Gebrauch waren, fanden ihren Weg damals schon nach Italien.

      III.

      Das Bild von Bordighera schwebt der Erinnerung stets umrahmt in Palmen vor, so wie man sich einst die alte syrische Stadt Palmyra nicht anders als im Palmenschmuck vorstellen konnte. In der That gedeihen nirgends an der Riviera die Dattelpalmen besser als in Bordighera. An der Ostseite des Cap d'Ampeglio sind wahre Palmenwäldchen zu sehen. Diese östliche Bucht ist ganz besonders gegen die Nordwestwinde geschützt. Zwischen den Mauern palmenreicher Gärten, über [pg 016] welchen schlanke Stämme ihre Krone neigen, empfangen wir ganz afrikanische Eindrücke und können vergessen, daß uns die volle Breite des Mittelmeeres von dem Lande der Oasen trennt. Pietätvoll wandern deutsche Reisende zu jener malerischen Palmengruppe hin, die in einer halben Stunde Entfernung, östlich von Bordighera, zu Madonna della Ruota den Meeresstrand schmückt. Es sind das die Palmen, die Scheffel in seinem Liede »Dem Tode nah« besang, und unter welchen er ein Grab sich träumte. Sie stehen, einige zwanzig an der Zahl (nicht zwölf, wie es in dem Liede heißt), um eine alte Cisterne und erwecken an dem einsamen, wilden Orte, von Meereswellen umspült, in der That poetisches Empfinden. Daß dieses hier nicht allein ein deutsches Gemüth ergreift, geht aus der Schilderung hervor, welche Charles Garnier, der Erbauer der Pariser Großen Oper und des Casinos in Monte Carlo, von diesem Ort in seinen »motifs artistiques de Bordighera« entwirft. Der Stil der Schilderung ist freilich etwas überschwänglich und erinnert an jene Verzierungen, welche die Garnier'schen »Prachtbauten« überreich schmücken: »Das ist der Ort, wohin ihr ziehen müßt, ihr Künstler; das ist die Stätte, die ihr sehen müßt, ihr Poeten; das ist der Erdwinkel, der euch fesseln muß, ihr Alle, die ihr nach lebendigen und mächtigen Eindrücken strebt, und die ihr findet, daß unser Herz höher schlägt im Anblick der Natur! Werden Erinnerungen an den Orient in euch schon wachgerufen, wenn ihr das alte Bordighera und seine Umgebung durchwandert, so steht ihr hier nicht mehr vor dem Vergleich, nicht mehr vor Ähnlichkeiten, nein, ganz Judäa findet sich in diesem Eindruck verkörpert. Das ist der Brunnen der Samariterin, der Brunnen der Rebecca; das sind die Juden, die Apostel, das ist Jerusalem, Nazareth, Bethlehem, die sich euch offenbaren in jenem bescheidenen Flecken bordigherischen Vorgebirges.« – Die sturmgepeitschten Palmen um diese alte Cisterne, mit dem unvergeßlichen Hintergrund des Meeres, haben zahlreichen Malern schon das Motiv zu stimmungsvollen Bildern gegeben. Es verursachte daher in Künstlerkreisen einige [pg 017] Aufregung, daß der Ort, vom deutschen Kunstgärtner Ludwig Winter angekauft, in einen Garten verwandelt werden sollte. Die endliche Verwerthung des Grundstückes in so dicht bevölkerter Gegend war aber nicht zu vermeiden; es muß noch als ein besonders glücklicher Zufall angesehen werden, daß dieser schöne Flecken Erde in kunstsinnige Hände gelangte. Herr Winter hat dem äußersten Vorsprung des Vorgebirges, das die Scheffel-Palmen trägt, seinen ursprünglichen Charakter gelassen und den Garten harmonisch zu der Umgebung gestimmt. – Anemonen, Reseda, Nelken und üppig blühende Rosensträucher decken jetzt den Abhang; große Palmen, die man hierher verpflanzte, entspringen dem zuvor so kahlen Boden; um einen weiten Wasserbehälter, wie man sie an der Riviera oft sieht, ist eine Pergola errichtet, zu deren Säulen die Palme den architektonischen Gedanken gab.

      Im alten Testament werden die Dattelpalmen mit stolzen Königstöchtern verglichen. Nicht allen Dattelpalmen in den bordigherischen Gärten kommt aber so edle Gestalt zu. Es hängt das mit der Behandlung zusammen, welche die meisten Dattelpalmen hier erfahren. Man nimmt ihnen alljährig einen Theil ihrer Wedel. Die Familie Bresca in San Remo erhielt schon im sechzehnten Jahrhundert vom Papst Sixtus V. das Privilegium, Palmenwedel für den Palmsonntag nach Rom zu liefern, angeblich eine Belohnung für den Schiffscapitän Bresca, der im Jahr 1586, während der Aufstellung des Obelisken auf dem Sanct Petersplatz, als die trockenen Taue zu versagen drohten, durch den rechtzeitigen Ruf: »Wasser auf die Taue!« dem Baumeister Fontana aus schwerer Verlegenheit half. Die Familie Bresca ließ ihre Palmen in Bordighera ziehen, in dessen sandig-lehmigen Boden die Dattelpalme besser als in dem schweren Lehmboden von San Remo gedeiht. So reicht die Palmenindustrie Bordigheras bis in das Mittelalter zurück, und auch heute noch ist es dieser Ort, der die meisten Palmenwedel zur Feier des Palmsonntags nach Rom entsendet. Den Palmenwedel [pg 018] hat die christliche Kirche, wie so viele andere Symbole, der Bildersprache des Orients, des Heidenthums und des Judenthums entnommen, und wie Palmenwedel bei den Festen des Osiris in Ägypten, bei dem feierlichen Einzuge der Könige und der Königshelden in Jerusalem und bei den olympischen Spielen prangten, so schmücken sie heute noch am Palmsonntag die Altäre katholischer Kirchen.

      Statt frei in den Lüften ihre Wedel zu schaukeln, müssen die meisten Palmen zur Herbstzeit es erdulden, daß ihre Krone im Innern pferdeschweifartig zusammengebunden werde. Diese Behandlung bezweckt eine bestimmte Ausbildung der neu hervorwachsenden Wedel. Nicht alle Palmstämme sind für diese Behandlung gleich geeignet, und unter den geeigneten werden noch solche unterschieden, die mehr für den katholischen und solche, die mehr für den jüdischen Ritus sich schicken. Denn auch die Juden brauchen Palmenwedel bei dem Laubhüttenfest. Der Bordighese bezeichnet kurzweg die eine Dattelpalme als »Cattolica«, die andere als »Ebrea«. – Die Blätter der katholischen Palme sind schlanker, die der jüdischen kürzer und gedrungener. An der katholischen Palme bindet man die mittleren Wedel fest zusammen, damit die neuen Wedel bei thunlichstem Lichtabschluß sich entwickeln und so möglichst farblos bleiben. Denn bei der Feier des Palmsonntags sollen sie nicht allein ein Siegeszeichen, sie sollen auch ein Bild himmlischer Reinheit sein. Im Dunklen werden solche Wedel auch schlank und lang; sie laufen spitz an ihren Enden aus und bleiben biegsam und