Streifzüge an der Riviera. Eduard Strasburger. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Eduard Strasburger
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Путеводители
Год издания: 0
isbn: 4064066117696
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und erfüllte die Luft mit vanilleartigem Wohlgeruch. Es gesellten sich zu diesem die Düfte von Nelken, Reseda und von gelben Theerosen. Die Blätter immergrüner Bäume leuchteten im Garten von Licht überfluthet; sie warfen auf die Wege dunkelblaue Schatten. Unter den Palmen saß ein junges Ehepaar, das ich bei der Heimkehr begrüßte. Ihm ward das Glück zu Theil, seine Flitterwochen am Mittelmeer zu feiern. Jener sonndurchglühte, blumenreiche Ostersonntag, an welchem die Natur alle ihre Schätze so verschwenderisch über die Riviera ausgeschüttet hatte, wird diesem Paar wohl einer der höchsten Feiertage des ganzen Lebens bleiben.

      Nicht weniger als vier Thäler münden in die schmale Ebene, die sich längs des Meeres vom Cap von Ampeglio bis nach [pg 005] Ventimiglia hinzieht. Daher lassen sich von Bordighera zahlreiche Ausflüge unternehmen, täglich fast mit neuer Abwechselung. Da man im Hôtel Angst zugleich vorzüglich aufgehoben ist, wird man seinen Aufenthalt in Bordighera gerne verlängern. Ob Bordighera auch eine geeignete Station für Brustkranke ist, vermag ich nicht zu beurtheilen. Seiner ins Meer weit vorgeschobenen Lage wegen ist der Ort den Winden stark ausgesetzt, doch streifen diese Winde ganz vorwiegend über das Meer, sind daher weniger kalt und trocken als an vielen anderen Plätzen der Riviera. Es herrscht somit in Bordighera die Seeluft vor, welche auf Reisende, die nur Erholung suchen – und deren Zahl wird an der Riviera alljährlich größer – sehr anregend und belebend wirkt.

      Keinesfalls dürfte man, selbst bei kurzem Aufenthalt, in Bordighera es versäumen, einen Ausflug nach Sasso zu unternehmen. Sasso ist ein kleines Dorf, auf dem Bergrücken gelegen, der die Thäler von Sasso und von Borghetto trennt. Der Ort liegt nur vier Kilometer von Bordighera entfernt, und man erreicht ihn sowohl durch das Thal von Sasso, das östlich von Bordighera mündet, als auch dem Bergrücken folgend, auf dem Alt-Bordighera steht. In dem Ort selbst ist nichts zu bewundern: schön erscheint er nur aus der Entfernung. Seine hohen, zu einer Masse verschmolzenen, nach außen nur von wenigen Fenstern durchbrochenen Häuser rufen den Eindruck einer einzigen gewaltigen Festung hervor. Besonders malerisch ist der Blick auf Sasso von dem Wege aus, der zwischen alten Olivenbäumen oben dem Bergrücken entlang läuft. Er überrascht uns ganz plötzlich an einer Straßenwendung, nachdem der steile Pfad die Höhe erklommen hat. Von zahlreichen Stellen des Weges überschaut der Wanderer alsdann die beiden Thäler von Sasso und von Borghetto; er kann mit dem Blick auch weiter dringen bis in das Thal von Vallecrosia, während ihm gleichzeitig über den nahen Hügelreihen die schneebedeckten Häupter der Seealpen entgegenleuchten. – Wie oft habe ich [pg 006] mich stundenlang an diesem Wege aufgehalten, von Zeit zu Zeit den Platz verändernd, um das Bild in anderer Umrahmung zu bewundern. Hier war es nur ein einziger phantastischer Schneepalast, der in lichtes Grün der Oliven gefaßt, mir entgegenstarrte; dort tauchte mein Blick tief in ein Thal hinab, um auf den dichtgedrängten Häusern einer buntscheckigen Ortschaft zu ruhen, oder es folgte auch mein Auge dem Lauf eines Baches, der, zwischen Oleanderbüschen versteckt, in zahlreichen Windungen dem Meer zueilte; oder es war wieder Sasso, welches über Baumwipfeln, wie in einem grünen Meer, zu schweben schien, oder endlich die tiefeingeschnittene Küste und das weite Meer, auf welchem der ermattete Blick Rast machen konnte. Welche Fülle von Motiven für den Landschaftsmaler! Ich mußte mich begnügen, die Bilder in mein Inneres aufzunehmen, wo sie freilich auch jetzt noch farbig-sonnigen Widerschein finden.

      II.

      Die Olivenhaine, durch welche man am Bergrücken entlang nach Sasso wandert, sind von seltener Schönheit: alte, knorrige Stämme, oft auf mehreren Füßen, wie auf Stelzen, in die Lüfte ragend. Man bleibt gern stehen, um einzelne dieser Bäume zu bewundern, erfreut sich dann auch des Gegensatzes, den die dunkel beschatteten Stämme gegen das leuchtende Blau des Himmels und des Meeres bilden. Zauberhaft schön ist es aber in einem solchen Olivenhain des Abends zu wandeln, wenn der Vollmond über dem Meere steht. Da glänzen so eigenartig die mattgrauen Blätter der Bäume, und es blitzt bei jedem Windhauch wie Silber aus den Zweigen. Auch der lange Mondstreifen im Meere scheint sich zu beleben, er wiegt sich auf den Wellen, folgt bebend ihrem Lauf und zerschellt mit ihnen am Strande zu leuchtendem Schaum.

      Die Blüthezeit des Oelbaumes fällt in den Mai oder Juni. Dann ist er dicht bedeckt von kleinen, gelblichweißen Blüthen, die einen lieblichen Geruch verbreiten. Diese Blüthen erinnern [pg 007] an diejenigen unserer Rainweide, des Ligustrum vulgare, eines Strauches, der in Wirklichkeit auch dem Oelbaum nahe verwandt ist. Die Früchte des Oelbaums sind Steinfrüchte von länglich runder Gestalt. Die unreifen Früchte haben grüne Färbung, verschwinden daher im Laub; doch beim Reifen werden sie schwarzblau und treten dann scharf hervor. Ein alter Brauch verlangt, daß die Ernte der Oliven am 21. November beginne; sie dauert im Dezember fort. Ungünstige Witterungsverhältnisse können die Ernte an der Riviera freilich sehr verzögern. So kam es, daß im Frühjahr 1891 die meisten Bäume um Bordighera noch voll Oliven hingen. Manche Bäume waren mit Früchten so stark beladen, daß man das Laub kaum sehen konnte. Die Olivenernte war Anfang April in vollem Gange. Arbeiter und Arbeiterinnen zogen mit Säcken und Körben bepackt in den Olivenhain. Dort sah man die Männer auf die Bäume steigen und mit Stangen gegen die Aeste schlagen. Frauen und Kinder hockten am Boden, um die Früchte aufzulesen. Von allen Seiten schallte dem Wanderer der trockne Ton der Schläge aus den Bäumen entgegen, und überall unter den Bäumen ging die mühevolle Arbeit des Sammelns von statten. Stundenlang verharren die Sammler in gebückter Stellung, um die Oliven einzeln aufzuheben, und doch wäre es so einfach, sich einen großen Theil der Arbeit zu sparen. Westlich von Nizza legen die Olivenbauer große Tücher unter die Bäume und fangen die Oliven mit diesen auf. Freilich wird auch dort noch mit Stangen gegen die Zweige geschlagen, ungeachtet schon Plinius im ersten Jahrhundert nach Christi Geburt vor diesem rohen Verfahren warnt, da es die Bäume schädigt. Gegen althergebrachte Sitte ist eben schwer anzukämpfen, sie setzt zähen Widerstand jeder Neuerung entgegen. In Bordighera warten die Olivenbauer meist, bis ihre Oliven ganz reif sind. Ein großer Theil der Früchte ist dann schon von selbst vom Baum gefallen. Alles das wird zusammen von dem Boden aufgelesen und liefert ein entsprechend schlechtes [pg 008] Öl. Denn feine Tafelöle preßt man aus solchen Früchten, die erst zu reifen beginnen. Diese müssen auch mit der Hand vom Baume gepflückt werden, um weder Quetschung noch Verwundung zu erleiden. Aus solchen Früchten gewinnt man jene Öle, die wir als Provencer Öle bezeichnen. Der Provence entstammen sie freilich nur zum kleineren Theil, zum größeren Theil Italien. Dort ist es vornehmlich Apulien und zwar die Gegend südlich von Bari, welche diese feinen Sorten erzeugt. Sie liefert jetzt sehr gute Öle, während in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts das apulische Öl noch ebenso schlecht und ranzig schmeckte, wie andere süditalienische Sorten. Auch in Apulien betrieb man die Ernte der Oliven damals ganz lässig und verfügte nur über sehr schlechte Ölpressen. Charakteristisch genug, als das antike Modell einer Ölpresse in Pompeji aufgefunden wurde, begrüßte man es in Apulien als einen Fortschritt und führte es an verschiedenen Orten ein. – Von Bordighera bis zum Esterel wird vorwiegend nur geringwerthiges Öl gewonnen, das als Maschinenöl Verwendung findet oder der Seifenfabrikation dient; Nizza bezieht die feinen Öle, die es vertreibt, vorwiegend aus der Ferne.

      Die Früchte, die man zum Zwecke feinster Ölgewinnung sorgsam pflückte, breitet man zunächst in dünnen Lagen auf Horden aus. Dort trocknen sie an der Luft oder bei künstlicher Wärme, bis sie runzlich werden. Haben sie einen Theil ihres Wassers in solcher Weise eingebüßt, so kommen sie in die Ölmühlen. Es sind das meist steinerne Behälter, in welchen die Oliven durch Mühlsteine zermalmt werden. Schon bei diesem Verfahren fließt etwas Öl ab, das als das feinste Tafelöl gilt, kaum aber in den Handel kommt. Der in der Mühle hergestellte Brei wird in Bast- oder Jutesäcke gefüllt und in einer Kelter gepreßt. Bei schwachem Druck fließt jetzt zunächst das beste, dann etwas weniger gutes Speiseöl ab. Dieses Oel wird als Jungfernöl »huile vierge« bezeichnet. Dann gelangen die Trester in hydraulische Pressen und liefern ein Öl, das der Seifenfabrikation [pg 009] oder auch gewerblichen Zwecken dient. Dann werden die Trester mit warmem Wasser angerührt und nochmals gepreßt, wandern schließlich oft noch in Fabriken, wo man ihnen den Rest ihres Öles durch chemische Mittel entzieht.

      Das Speiseöl, das aus der Kelter fließt, muß sorglich geklärt werden, bevor es zum Verkauf gelangt. Man bringt es in dunkle kühle Räume, wo über einander die nöthigen Bottiche zur Aufnahme des Öls sich befinden. Das unklare Öl gelangt in das oberste Gefäß, fließt aus dem Spundloch desselben durch einen durchlöcherten Zinkkasten, der mit