So überreife, abgeschlagene und am Boden faulende Oliven, wie wir sie in Bordighera hatten ernten sehen, können nur ranzige Öle ergeben. Die kleinen Besitzer, welchen die Ölhaine hier gehören, liefern ihre Früchte an fremde Mühlen ab und pflegen für die Pressung in Oliven oder in Öl zu zahlen. Aus den Ölpressen der Mühlen floß zur Zeit unseres Besuches eine Flüssigkeit ab, welche alle Bäche von Bordighera in braunen Tönen färbte. Bei ruhigem Wetter zeichnete sich die Mündungsstelle jedes Flüßchens als brauner Streifen ziemlich weit im Meere ab.
Im Alterthum hieß es allgemein, daß der Ölbaum nur in der Nähe des Meeres gedeihe. Man rechnete aus, daß er sich von demselben nicht über dreihundert Stadien, somit nicht über 7-1/2 geographische Meilen entferne. Es ist nicht zu leugnen, daß der Ölbaum den Seestrand bevorzugt, doch hängt das nicht mit dem unmittelbaren Einfluß der großen Wasserfläche, vielmehr mit dem gleichmäßigen Klima zusammen, welches durch dieselbe gefördert wird. Denn der Ölbaum kann anhaltenden [pg 010] Frost nur sehr schlecht vertragen. Auch bevorzugt der Ölbaum den Kalkboden, den er hier an der Riviera reichlich vorfindet. Ein besonders günstiges Zusammenwirken von Klima und Boden, verbunden mit sorglichster Behandlung der Früchte, ist aber erforderlich, damit der Ölbaum ein so feines Öl, wie etwa in Apulien, erzeuge.
Die Mühlen, in welchen das Öl gepreßt wird, sind fast immer alte malerische Bauten. Sie suchen oft steile Stellen in den Schluchten auf, um die Kraft des Baches, der dort abwärts braust, zu nutzen. Wie Schwalbennester kleben sie an den Felsen.
Wer zur Frühjahrszeit durch die Olivenwälder um Bordighera streift, muß darauf bedacht sein, nicht in die Schußlinie der »Cacciatori« zu gerathen. Denn um diese Zeit bewegen sich jene durch alle Haine, Gärten und Fluren, um als einziges Wild die kleinen Vögel zu erlegen. Für die italienische Riviera, wie für Italien überhaupt, hat dieser Sport ganz bedenkliche Folgen, da die Vernichtung der Vögel eine entsprechende Vermehrung der Insekten nach sich zieht. Nicht nur verschwinden aus Italien die heiteren Sänger, welche die Wälder und Gärten in anderen Ländern in so lieblicher Weise beleben, sondern es nimmt auch die Zahl schädlicher Insekten in bedenklicher Weise dort zu. Dem Ölbaum besonders nachtheilig ist Decus oleae, der sich von dem Fruchtfleisch der Oliven nährt. Er wird von den Franzosen la Mouche, von den Italienern Macha del Olivo genannt. Die Fliege legt ihre Eier in ganz junge Fruchtanlagen, und die Maden, welche diesen Eiern entschlüpfen, leben dann auf Kosten der sich entwickelnden Frucht. Sie verpuppen sich schließlich in derselben und verlassen sie als fliegende Brut. Gelangen sie mit den Oliven in die Mühle, so leidet der Geschmack des Öls von denselben.
Von einer Wanderung durch die Olivenhaine kehrt man wohl stets, mit einem Blüthenstrauß geschmückt, nach Hause. Denn sie sind zu verlockend, diese Frühlingsgaben der Flora, [pg 011] zu lieblich, als daß man an ihnen so flüchtig vorbeieilen sollte. Ueberall stehen unter den Bäumen die dunkelblauen Traubenhyacinthen, die bisamartigen Duft verbreiten; besonders schön ist die eine Art (Muscari comosum), die einen amethystfarbigen Schopf über dem sonst unscheinbaren Blüthenstande trägt. Hier und dort schaut aus dem Rasen eine blühende Orchidee hervor. Meist ist es eine Art der Gattung Ophrys, jener merkwürdigen Orchideen-Gattung, deren Blüthen ganz den Insekten gleichen. Bei Ophrys aranifera erinnern sie an Spinnen: man meint die vorgestreckten Beine und den aufgedunsenen braunen Leib eines solchen Thieres zu sehen. Auch Ophrys Arachnites ist spinnenähnlich und zeigt einen purpurbraunen, grün verzierten Leib. Die schönste dieser Ophryden scheint mir aber die Ophrys Bertolonii, mit dunkelrothen Blüthen, zu sein. Doch Ophrys-Arten hat der Nordländer vielleicht schon in seiner Heimath gesehen und fesselt ihn daher mehr eine andere Orchidee von ungewohnter Gestalt: die Serapias Lingua, vielleicht gar Serapias longipetala, deren rothbraune Blüthen, von rothen Deckblättern fast verhüllt, nur ihre Lippen nach außen vorstrecken. Mit Freuden begrüßt er eine wilde Tulpe (Tulipa Celsiana), deren hellgelbe Blüthen sich auf langen Stielen wiegen. Die Siegwurz (Gladiolus segetum) mit rosenrothen, einseitig aufgereihten Blüthen tritt ihm auch an zahlreichen Stellen entgegen. In seinem Strauß nimmt er dann noch gern das weißblüthige Allium neapolitanum auf, denn gehört jene Pflanze auch zu den Laucharten, so duften doch ihre weißen Blüthenstände in angenehmer Weise. Hauptsächlich sind es aber die gelben Tazetten, welche dem Strauß Wohlgeruch verleihen, während seine Farbenpracht gehoben wird durch eine reiche Auswahl bunter Anemonen (Anemone coronaria und hortensis).
Ebenso alt als Kulturpflanze wie der Ölbaum ist der Weinstock, die beide daher von Alters her zusammen genannt werden. – »Zwei Flüssigkeiten thun dem menschlichen Körper besonders wohl,« heißt es in der Naturgeschichte des Plinius, [pg 012] »innerlich der Wein, äußerlich das Öl; beide stammen aus dem Pflanzenreiche und sind vorzüglich, doch das Öl ist das nothwendigere.« Das trifft für das Öl heut nicht mehr zu. Im Alterthum rieb man sich mit demselben nach dem Bade den Körper ein; jetzt wird es äußerlich allenfalls nur noch als Marseiller Ölseife angewandt. – Wie in dem Werke des Plinius tritt uns auch an der Riviera der Weinstock vielfach neben dem Ölbaum entgegen. Doch an der Küste selbst herrscht der Ölbaum vor. Denn im Gegensatz zum Ölbaum meidet der Weinstock die nächste Nähe des Meeres. Andererseits verträgt er viel stärkere Gegensätze der Temperatur, so daß seine Cultur selbst weit im Norden versucht werden konnte. Im vierzehnten Jahrhundert drang der Weinbau bis in das preußische Ordensland, selbst bis nach Tilsit vor, und wenn er sich heute, um so viel weiter, nach Westen und Süden zurückgezogen hat, so geschah dies nur, weil er in nördlicheren Gegenden ertragsfähigeren Producten weichen mußte.
Der Ölbaum ist sicher am Mittelmeer einheimisch, andererseits muß angenommen werden, daß seine Cultur im Orient begann, daß Culturformen des Baumes sich von da aus verbreitet haben, und schon in vorhomerischer Zeit nach Griechenland gelangten. Den Weinstock (Vitis vinifera) fanden die Culturvölker ebenfalls als wilde Pflanze auf europäischem Boden vor. Ja heut noch meint man südlich und nördlich von den Alpen stellenweise die Pflanze im ursprünglichen Zustande anzutreffen, doch ist es meist schwer zu entscheiden, daß sie nicht verwildert sei. Am üppigsten gedeiht die wilde Weinrebe heute um das schwarze Meer, und man hat an den südlichen Abhängen der Krim Stämme bis zu anderthalb Meter Umfang gemessen. Die Cultur des Weinstocks ging allem Anschein nach vom westlichen Kleinasien aus und ist einem indogermanischen Volke zu verdanken.
Von den Weinen der westlichen Riviera waren im Alterthum schon die von Massilia, also des heutigen Marseille, bekannt, zeichneten sich aber nicht durch ihre Haltbarkeit aus, so [pg 013] daß man sie räuchern mußte. Es geschah das in Rauchkammern nach orientalischer und griechischer Sitte. Im Wesentlichen war das ein ähnliches Verfahren wie das heutige Pasteurisiren. Ganz wie man heut den Wein bis auf mindestens 60° C. erwärmt, um die schädlichen Keime in demselben zu tödten und so seine Haltbarkeit zu erhöhen, wurde im Alterthum der Wein in wohl verschlossenen Gefäßen durch heißen Rauch erhitzt. Das Feuer befand sich in einem unteren Raume, und Rauch und Hitze stiegen, durch ein Rohr geleitet, in das obere Geschoß, in dem der Wein sich befand. Der Rauch gelangte dort durch angebrachte Öffnungen ins Freie. Dieses Verfahren konnte den Geschmack des Weines nicht wesentlich beeinflussen, wohl aber mußte das geschehen bei Zusatz von Seewasser zum Most, wie er in Kleinasien und Griechenland häufig geübt wurde. Auch mit Gips, Kalk, Marmor, Thon, Pech oder Harz hat man die Weine versetzt, um sie haltbarer zu machen und ihnen zugleich einen bestimmten Geschmack zu verleihen. Es bemerkt aber bereits Plinius, daß der bekömmlichste Wein immer derjenige sei, dessen Most ohne fremdartigen Zusatz bleibe; denn welcher noch so Gesunde, meint er, sollte nicht Scheu haben vor Weinen, die Marmor, Gips oder Kalk enthalten? Überhaupt klagt Plinius sehr über die Verfälschung der Weine; es sei damit so weit gekommen, daß nur der Name des Weinlagers den Preis der Weine bestimme und daß man den Most schon in der Kelter verfälsche. Daher seien, so wunderlich dies auch klinge, die am wenigsten gekannten Weine oft die unschädlichsten. Das Anmachen des Weines mit Seewasser wird von Plinius als für den Magen vorzüglich gepriesen. An eine bekannte neuere Heilmethode erinnert seine Mahnung, daß wer hager werden will, während der Mahlzeit dursten oder doch nur wenig trinken soll. – Durch Einkochen und durch Hinzufügen von Kräutern suchte man im Alterthum vielfach die Haltbarkeit der Weine zu erhöhen, in ähnlicher Weise wie dies heute durch Zusatz von Alkohol geschieht. Daß die Römer Weinschmecker ersten Ranges [pg