Ogdensburg gegenüber wurden in der Insurrection von 1837 mehre Gefechte geliefert; unter andern hatten die Insurgenten eine sehr feste Stellung inne, die nur nach hartnäckigem Kampfe genommen werden konnte. Im Lande ist sie unter dem Namen: die Schlacht bei der Windmühle, bekannt geblieben.
In Ogdensburg war während unseres Aufenthaltes daselbst von der Miliz des Districtes ein Uebungslager bezogen worden, an das man allerdings nicht den Maßstab unserer europäischen Revuen und Manövers legen darf. Diese Miliztruppen waren nämlich in vier Gattungen getheilt, als: erstens, Bewaffnete und Uniformirte; zweitens, Bewaffnete und Nichtuniformirte; drittens, Uniformirte und Nichtbewaffnete; viertens endlich, Nichtuniformirte und Nichtbewaffnete. – So passirte dieses Corps von beiläufig dreihundert Köpfen die Revue, durchzog die Stadt mit Musik und erfüllte sie mit kriegerischem Gepränge. Nichtsdestoweniger hat jedoch die Erfahrung bereits bewiesen, daß diese Leutchen, sobald es einmal Ernst gilt, ebenso wacker zu kämpfen wissen, wie nur irgend eine Truppe der Welt. – Wir aber zogen von dannen, denn nun sollte der zweite Theil unseres Ausfluges, das Waldleben beginnen.
Wir hatten uns dazu die Ufer des Roquette-River ausersehen. Wollt Ihr, meine Lieben, diesen Platz auf einer Spezialkarte der Vereinstaaten finden, so sucht ihn im Norden des Staates New-York, auf dem westlichen Abhange des Höhenzuges, welcher ihn von Süd nach Nord durchschneidet. Dort ist noch eine undurchdringliche Wildniß in einer Ausdehnung von hundertzwanzig bis hundertdreißig Meilen, die uns reichen Stoff zu solcher Art landschaftlicher Studien verhoffen ließ. In jeder Richtung hin keine Ansiedelung zu finden; dagegen bevölkern Hirsche im Ueberflusse und selbst Elenthiere den Wald, zahllose Forellen der vorzüglichsten Gattung die Bäche und Flüsse, und wilde Enten, Fasanen, Truthühner, wilde Tauben sind in solcher Masse vorhanden, daß der Jäger die reichste Beute findet. Inmitten dieser Wälder, auf der Hochebene des Gebirges, ist ein ziemlich bedeutender See, Long-Lake genannt, der südwärts den Hudson und nordwärts drei parallel laufende Flüsse, den St. Regis-, den Roquette- und den Gros-River entsendet.
Ueber Canton, Stockholm, Potsdam, Rom kamen wir bis Parisville, wo die Poststraße aufhört. Ein kleines Wägelchen führte unser Gepäck weiter, wir selbst aber wanderten per pedes nebenher, über Knüppeldämme, Sumpf und Moor in den Wald hinein, selten eine Ansiedelung treffend, die hier schon sehr dünn werden. Zu zehn englischen Meilen brauchten wir einen ganzen Tag; fünfmal brach unser Wägelchen und zuletzt so rettungslos, daß wir es zurücklassen mußten, und die letzten Meilen mit unserer Bagage auf den Schultern marschirten, bis wir spät Abends zum Tode ermüdet im letzten Settlement anlangten.
Hier ließen wir den größten Theil unseres Gepäckes zurück, uns nur auf das Nothwendigste beschränkend, und am anderen Morgen ging die Wanderung auf einem Canoe weiter, dasselbe nach Art der Indianer bei jedem Rapid (Stromschnelle) auf den Schultern um diese herumtragend. So leicht nun auch ein solches Bootchen von Birkenrinde ist, so ist es doch nichts destoweniger eine harte Arbeit, es immer weiter zu schleppen, und oft haben wir bei solcher Bergstelle von kaum einer englischen Viertelmeile mit Aus- und Einladen, Weitertragen, drei bis vier Stunden zugebracht. Noch weitere fünfzehn Meilen wurden auf diese Weise mühsam zurückgelegt und endlich langten wir am Starks-Fall, unserm Bestimmungsorte an.
Eine Schanty d. h. eine kleine Hütte von rohen Stämmen, mit Rinden bedeckt, an der vierten, dem Feuer zugekehrten Seite offen, wie sie Holzfäller bei ihrem Aufenthalt im Walde, oder Jäger die längere Zeit an einer Stelle verweilen, errichten, fanden wir noch in ziemlich gutem Zustande und hatten uns bald so wohnlich, als es irgend gehen wollte, eingerichtet. Ein helles Feuer von mächtigen, acht Fuß langen Klötzen loderte lustig im Abendwinde und in unsere Decken gehüllt, brachten wir unsere erste Nacht in einem amerikanischen Walde trefflich schlafend zu.
Unser Leben war freilich ein etwas beschwerliches, denn da wir allein auf uns verwiesen waren, mußten wir uns selbst Nahrungsmittel verschaffen, Holz für die Feuerung hauen und unser einfaches Mahl selbst bereiten. Meine Hände sahen bald so rauh aus, als zu jener Zeit, da ich Maurerlehrling war, und gar oft klebte mein Blut am Axtstiel. Nichtsdestoweniger wurde fleißig gemalt, wozu wir hier herrliche Studien fanden, und immer noch blieb genugsam Zeit übrig, dem edlen Waidwerk obzuliegen.
Allmorgendlich, sobald es nur hell genug war um Korn und Visir erkennen zu können, ging ich am Flußufer pirschen. Nie habe ich so zahlreiche Fährten nebeneinander gesehen, es war, als ob eine Herde Schafe durch den Wald getrieben worden wären. Da ich aber keine genaue Kenntniß der Wechsel hatte, so jagte ich nur auf der Fährte und hatte das Glück, schon am zweiten Morgen ein altes Thier und zwei Spießhirsche in Zeit von einer Stunde zu schießen; so hatten wir Fleisch im Ueberfluß und besonders gab das der Spießer, auf indianische Manier auf einen Baumzweig gespießt, einen gar saftigen, köstlichen Braten.
Unser Appetit ward aber auch durch die ungewöhnte Lebensweise und den steten Aufenthalt in freier Luft so geschärft, daß wir, im Verein mit ein paar Jägern, die weiter hinauf an den Fluß wollten und einen halben Tag bei uns verweilten, die zwei Spießer in drei Tagen radical aufzehrten, wobei ich indeß bemerken muß, daß die Hirsche hier zu Lande bedeutend schwächer sind, als in Europa.
Einen ganz vorzüglichen Braten bot uns auch die sogenannte schwarze Wildente, welche vom Fressen einer gewissen, nur hier in den Sümpfen vorkommenden Wasserpflanze außerordentlich fett und schmackhaft wird. Aus Mangel an Schrotladung und einer Flinte, war ich genöthigt den Fasan, die Ente und selbst die wilde Taube mit der Büchse zu schießen. Da man indeß selten weiter als vierzig bis fünfzig Schritt zu schießen hat, gewöhnte ich mich bald daran und habe selten gefehlt. Häuten, Aufbrechen und Ausweiden der Thiere, Trocknen der Häute und Räuchern des Fleisches auf indische Weise, gaben manche spaßhafte Beschäftigung und gute Gelegenheit etwas zu lernen. Meinen dritten Hirsch habe ich so tadellos aufgebrochen und ausgewirkt, daß jeder gelernte Waidmann seine Freude daran gehabt hätte.
Wölfe, obgleich dieselben noch ziemlich häufig sein sollen, habe ich noch nirgend gesehen, selbst nicht Spuren, und ebensowenig Füchse, Panther und Bären, die hier nur höchst selten vorkommen sollen.
An einem Regentage, der das den Boden bedeckende dürre Laub vollkommen durchweicht hatte, folglich höchst günstiges Wetter zu einem Pirschgange bot, hatte ich, obschon auf viele Fährten treffend, erfolglos vom Morgen an gejagt und mich etwas weiter als gewöhnlich von unserm Lager entfernt. Gegen Abend kam ich auf eine ganz frische Fährte die ich verfolgte und mich denn auch bald auf einer kleinen Waldwiese einem stattlichen Hirsche gegenüber befand. Die Entfernung war zwar etwas weit, hundertdreißig bis hundertvierzig Schritt, doch die Zeit drängte, denn wir brauchten Fleisch, und nirgend sah ich eine Deckung um näher heran zu schleichen. Langsam hob ich die treue Büchse, ein scharfer Krach erschütterte die Atmosphäre und mit einem dumpfen Schrei stürzte das edle Thier zu Boden. »Guter Braten!« dachte ich, und stieß in aller Ruhe eine frische Kugel in den Lauf hinab, doch ehe ich noch mit Laden fertig war, erhob sich der Hirsch plötzlich wieder, ein angestrengter Satz und er tauchte in das bunte Dickicht der Sassafrasbüsche nieder. Auf dem Anschuß fand ich Schweiß in Menge und Lungenkrümel. Der deutlich ausgeprägten und mit Schweiß ganz übergossenen Spur folgend, ward ich aber nach dreißig bis vierzig Schritten von undurchwadbaren Sumpf aufgehalten; ich umkreiste denselben, der Hirsch war darin, ich hörte ihn deutlich nur wenige Schritte vor mir, im Todeskampfe die Büsche knicken, und konnte nicht zu ihm, denn so oft und von welcher Seite ich es auch versuchte, versank ich gleich beim ersten Schritt bis über die Knie in den morastigen Boden.
Das war denn nun höchst fatal! nicht nur weil ich sehr ungern das schöne Stück Wild einbüßen wollte, sondern auch weil ich den ganzen Tag noch nichts gegessen hatte und folglich Fleisch brauchte. Doch, was war zu machen? Ich verbrach den Anschuß, schnallte mir den Hungerriemen fester und machte mich auf den Weg, um wo möglich noch unser Lager zu erreichen, denn die Sonne war bereits zu Rüste. Ich suchte mich so gut wie möglich in der Richtung zu orientiren und marschirte tapfer vorwärts in die Dunkelheit, die schnell hereinbrach.
Nach zweistündigem Marsch erreichte ich ein ansteigendes Terrain,