Wanderbilder aus Central-Amerika. Skizzen eines deutschen Malers. Wilhelm Heine. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Wilhelm Heine
Издательство: Bookwire
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Жанр произведения: Путеводители
Год издания: 0
isbn: 4064066115128
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angenehmen Wohlstand hinaus erstreckt, ist derselbe doch ein eifriger Beförderer der schönen Künste und besitzt eine, für seine Mittel nicht unbedeutende Sammlung von Gemälden, größtentheils von Künstlern, die bei ihm einsprachen. Nebstdem hat er auch noch den gewöhnlichen Hotelpreis von zwei Dollars täglich, für Künstler auf die Hälfte herabgesetzt, was bei der ganz vorzüglichen Bewirthung eine sehr mäßige Bezahlung ist. Herr Moore trieb seine Artigkeit so weit, uns selbst nach Utika zurückzufahren, wo wir herzlich und auf baldiges Wiedersehen von ihm schieden.

      Und weiter ging es per Dampf, über Syrakus, wo bei Ankunft des Zuges zwanzig Glocken, in den Händen von zwanzig Kellnern, vor eben so vielen Hotels, einen wahren Heidenlärm erhoben, um allen Ankommenden recht eindringlich das Zeichen zum Essen zu geben; dann wieder weiter, nach Oswego hin, oft durch Wälder und ödes Sumpfland. Die Gegend sieht hier fiebrig und unheimlich aus, so daß man kaum zu athmen wagt.

      In Oswego, einer Stadt von nahe an fünftausend Einwohnern, bestiegen wir von Neuem einen Steamer und rasch dahin glitten wir über die blaue Wasserfläche des Ontariosees, bald nur noch einen schmalen Streifen Land im Gesicht behaltend. Vier Uhr Morgens langten wir in Lewis-Town an, noch ein kurzes Stück Eisenbahn, und zwar das erbärmlichste, das je von Menschenhand erbaut worden ist, und mit Tagesanbruch standen wir da, wo:

      »schäumendes Gewässer mit Donnergebrüll hinabstürzt in die grausige Tiefe!«

      Es kann nicht meine Absicht sein, geognostische Abhandlungen zu verfassen, und eben so wenig poetische Reisenovellen zu schreiben; doch muß ich gestehen, daß das großartige Naturschauspiel, ohne Zweifel das größte dieser Art auf dem bekannten Erdenrund, erst allmälig begann, einen tiefen und gewaltigen Eindruck auf mich zu machen, je länger ich davor verweilte und die colossalen Proportionen zu messen begann. Die ganze Länge des Falles mag etwa tausend Schritte betragen, die senkrechte Höhe, nach dem Augenmaß beurtheilt, vielleicht ein Drittheil so viel, und ist in der Mitte von einer kleinen Felseninsel unterbrochen, zu der oberhalb des Falles eine Brücke führt. Der Niagara selbst ist von brillantem Smaragdgrün und bis weit unterhalb des Falles vom Schaume milchig gefärbt, was dem Maler reizende Farbenabwechselungen und Uebergänge gewährt; auf beiden Seiten begränzen den Fall hundertachtzig bis zweihundert Fuß hohe Felswände. Alle diese Formationen (Flötzgebirge) tragen Spuren der Gewalt des Gewässers und bis eine (engl.) Meile unterhalb seiner jetzigen Stelle hat der Fall die Merkmale seiner Zerstörungswuth zurückgelassen. Man hat nach Wahrscheinlichkeitsgründen berechnet, daß der Fall dreißigtausend Jahre gebraucht habe, um sich diese Bahn auszuwaschen; aber bei aller möglichen Hochachtung vor den Berechnungen der Gelehrten und Naturforscher, erscheint mir die hier in Frage gestellte denn doch etwas problematisch, ohngefähr so wie die Berechnung der Entfernung mancher Fixsterne. Da heißt es auch: wer's nicht glaubt, mag das Gegentheil beweisen! Das ganze Ufer zunächst des Flusses ist bedeckt mit herabgestürzten Felstrümmern, deren eben so viele in den Fluthen begraben sein mögen, gleich dem Table-Rock seligen Andenkens, der etwa vier Wochen vor unserer Ankunft glücklich zur Tiefe abgefahren ist. Ich besinne mich, irgendwo von der Berechnung eines englischen Ingenieurs gelesen zu haben, der ganz vor Kurzem erst herauscalculirt haben wollte, wie lange das Wasser sich durchaus noch zu strapaziren habe, bevor es mit der Unterwaschung besagten Table-Rocks glücklich zu Stande gekommen sei; ich möchte wohl wissen, wie weit er in seiner Berechnung fehlgeschossen haben mag? – Die Ufer des Niagara waren in den Jahren 1812 bis 15 der Schauplatz zahlreicher Gefechte mit den Engländern, und in einer Schlacht ohnweit der Fälle sollen an viertausend Todte geblieben sein.

      Amerika ist das Land der Industrie und Speculation, Niagara das Land der fünfundzwanzig Cents: Du gehst auf die Heiligeninsel, kostet 25 Cents, – Du gehst zwei Meilen unterhalb der Fälle über die Hängebrücke, kostet 25 Cents, – Du läßt Dich in einem kleinen Boote über den Fluß setzen, kostet 25 Cents, – Du willst unter den Fall selbst steigen, kostet 25 Cents u. s. w.

      Der hiesige Gasthof war das Gegentheil von Herrn Moore's Hotel; zwei Dollars täglich und alles mordschlecht. Wir machten Studien so viel als möglich, und beeilten uns fortzukommen, so viel als möglich, und zwar um so mehr, als wir beim Arbeiten viel von der unerträglichen Neugierde des reisenden Publikums zu leiden hatten.

      Noch am letzten Tage hatten wir das traurige Schauspiel, ein armes Pferd, welches sich, oberhalb der Fälle von Hunden gehetzt, in den Fluß retirirt haben mochte, den Fall hinunterstürzen zu sehen. Weiter unterhalb fanden wir das arme Thier, zerschellt und kaum noch kenntlich, von den Fluthen auf's Ufer geschleudert daliegen. Ein Canalboot mit einer Schweinefleischladung, welches vor etwa sechs Wochen den Fluß hinabgetrieben worden war, hängt inmitten des Falles, von einem emporragenden Felsen aufgehalten, auf dem Rand des Sturzes, von brausenden Gewässern umtobt; das Treibeis des nächsten Winters wird es wohl noch vollends zertrümmern. Seltsam, trotzdem es nur ein lebloser Gegenstand ist, kann man es nicht ohne ein Gefühl des Bangens da hängen sehen und empfindet unwillkürlich eine Art von Mitleid mit dem armen Ding.

      Kurz und gut, unsere Studien waren beendet, unsere Zeit gemessen und wir hatten nicht Lust, länger hier müssig liegen zu bleiben; wir begaben uns daher vermittelst obbemeldeter schlechten Eisenbahn wieder auf die Wanderschaft und an Bord des nämlichen Steamers, der uns in Lewis-Town ans Land gesetzt hatte.

       Inhaltsverzeichnis

      Unsere zweite Fahrt auf dem Ontariosee war bei weitem länger als die erste, denn wir befuhren ihn in seiner ganzen Längenausdehnung, berührten nochmals Oswego, landeten in Sacketts Harbour, ein Name, der sowohl im britisch-französischen, als im amerikanischen Befreiungskriege vielfach genannt worden, als wichtigster Posten am Ontariosee; sahen später Kingston und die rothen Röcke der englischen Soldaten und passirten am Nachmittage die Tausend-Inseln. War schon die Fahrt über den See mit seinen langgedehnten flachen Ufern langweilig, so wird die Fahrt zwischen diesen kleinen, niedrigen, mager bewaldeten, sich ähnelnden Inselchen zuletzt im höchsten Grade ermüdend. Ob es ihrer gerade tausend waren, weiß ich nicht, denn ich habe sie wahrhaftig nicht gezählt, war aber herzlich froh, als uns am Abend die Lichter von Ogdensburg das Ziel unserer Wasserfahrt andeuteten.

      Hier wurden wir auf dem Landgute des Herrn von R......... höchst gastfreundlich aufgenommen und bewirthet. Diese Farm, von ungefähr eintausend Acres geklärten Landes, kann als ein vollendetes Muster amerikanischer Landwirthschaft gelten und ich hätte wohl gewünscht, mein alter Landsmann D. M. hätte seine Untersuchungsreise bis hierher ausgedehnt. Herr v. R......... hat in unglaublich kurzer Zeit Alles, was er besitzt, aus einer Wüste geschaffen; denn als er sich in Ogdensburg ansiedelte, wurden noch da Hirsche geschossen, wo jetzt sein schönes Wohnhaus steht, und dunkle Kieferwaldung stand noch da, wo jetzt ein lieblicher Park angenehme Spaziergänge bietet und in großartigen Glashäusern Südfrüchte und tropische Pflanzen reifen. Mühlen aller Art, Manufakturen, Eisenwerke, fast alle von Herrn v. R........ gegründet, liegen in und um Ogdensburg. Es kam ihm allerdings bei seinen Unternehmungen trefflich zu Statten, daß er ein sehr bedeutendes väterliches Vermögen mitbrachte, was freilich unter allen Umständen das Farmerleben aller Orten wesentlich angenehmer macht; immer aber kann man sich hier überzeugen, daß sich auch ohne jenes Zaubermittel Fleiß und Ausdauer hier reichlicher lohnen, wie in vielen andern Ländern. Nach so manchen Beobachtungen möchte ich daher überhaupt jedem in der Union Einwandernden dringend anrathen sich, wenn es seine Mittel irgend verstatten, erst in den verschiedenen Strichen des Landes umzusehen und sich mit dem landwirthschaftlichen Betrieb da und dort recht genau bekannt zu machen, bevor er sich für einen Punkt entscheidet und dann das Ganze nach vielleicht getäuschten Erwartungen beurtheilt. Eben so Viele sind durch Nichtbeachtung dieser Vorsicht zu Grunde gegangen, als andrerseits durch deren Beachtung binnen nicht sehr langer Zeit Andere zu Wohlstand, ja sogar zu Reichthum gelangt sind. Wer aber aus Trägheit oder Unwissenheit darauf beharrt, sich am ersten besten Fleck niederzulassen und das Land nach den aus Deutschland mitgebrachten Begriffen zu bebauen, dem wird es nicht besser ergehen, wie es wahrscheinlich einem Amerikaner ergehen würde, dem es einfiele unbebautes Land in Ungarn oder Rußland zu aquiriren und nach amerikanischem Systeme auszubeuten.

      Nicht verschweigen kann ich es, daß ich auch