Der Hafen von Jidda ist sehr groß. Er besteht aus unzähligen Untiefen, kleinen Inseln und verborgenen Klippen, jedoch sind Kanäle und tiefes Wasser dazwischen. Man liegt bei allen Winden sicher darin. Die zahlreichen Untiefen verhindern, dass das Wasser in größere Bewegung kommen kann. Die Bemerkung trifft hier zu, dass, je gefährlicher ein Hafen ist, desto besser die Lotsen sind: Es kommen keine Unglücksfälle vor.
Es geht seit vielen Jahren eine Zeichnung des Hafens von Jidda unter den Engländern herum, sie ist aber sehr schlecht und falsch gemacht, auch schon oft kritisiert, aber noch nie verbessert worden. Ebenso steht es mit einer Karte von dem oberen Teil des Meerbusens von Jidda bis Mokka, die voller falscher Tiefenangaben ist. Weil ich einige Monate sehr freundlich in Jidda aufgenommen wurde und viel Zeit übrig hatte, wünschten Kapitän Thornhill und einige andere Handelsschiffer, dass ich den Hafen aufnehmen sollte, und sie versprachen mir den Beistand ihrer Steuermänner und Matrosen. Um ihnen zu gefallen, übernahm ich die Arbeit sehr gerne. Als ich aber später herausfand, dass ein gewisser Kapitän Newland bereits gute Vorarbeiten geleistet hatte, wollte ich mich nicht zu seinem Nachteil damit befassen und gab den Gedanken an diesen Plan völlig auf. Er war ein sehr fähiger, menschenfreundlicher und höflicher Mann, dessen Dienstfertigkeit ich viel zu verdanken hatte.
Der Himmel verzeihe es denen, welche diese elende und fehlerhafte Karte vom oberen Teil des Meerbusens zwischen Jidda und Mokka, die man seit mehr als zwanzig Jahren auf dem Roten Meer mit sich herumgeschleppt hat, vor einigen Jahren mit neuen Angaben von Meerestiefen ergänzt haben. Eine dieser Karten hat man mir nach meiner Rückkehr nach Europa zugeschickt, die, neu herausgeputzt wie eine Braut, die alten Fehler weiterhin enthielt. Ich sage dies nicht aus Tadelsucht. In jedem anderen Fall würde ich keine Bemerkung darüber gemacht haben, wo es aber alle Jahre auf so vieler Menschen Leben und Vermögen ankommt, ist es eine Art von Verrat, sein Wissen zu verbergen, zumal wenn man damit zur Rettung vieler Menschen beitragen könnte.
Von Yambo bis Jidda hatte ich wenig geschlafen und mein Tagebuch während der Fahrt so ausführlich wie möglich geschrieben. Außerdem hatte ich etwas Fieber, was mich sehr beunruhigte, und was die Reinlichkeit und meine Kleidung betraf, sah ich aus wie ein Galiongy, also wie ein türkischer Matrose. Der Emir Bahar, der Hafenkapitän, wunderte sich, als er von meinen Dienern, die mein Gepäck und die Instrumente in das Zollhaus trugen, hörte, dass ich ein Engländer sei. Er sandte einen seiner eigenen Diener mit mir zu dem Bengalischen Haus1, und dieser versprach mir unterwegs in gebrochenem Englisch eine glanzvolle Aufnahme bei meinen Landsleuten. Er nannte mir die Namen aller anwesenden Kapitäne und fragte, zu welchem ich gebracht werden wolle. Ich verlangte, er solle mich zu einem Schotten, der noch dazu ein Verwandter von mir war, führen. Dieser lehnte sich zufälligerweise über das Geländer der Treppe, die zu seinem Zimmer führte. Ich begrüßte ihn mit seinem Namen, er aber geriet in heftigen Zorn, nannte mich einen niederträchtigen Kerl, einen Dieb, Betrüger und gottlosen Renegaten und sagte, wenn ich einen Schritt weiter machte, würde er mich die Treppe hinunterwerfen. Ich ging weg, ohne ein Wort darauf zu erwidern, und er fluchte hinter mir drein. Der Diener, welcher mich geführt hatte, verzog den Mund, zuckte die Achseln und sagte: »Fürchtet Euch nur nicht, ich will Euch zu dem Besten von allen bringen.«
Ich stieg eine gegenüberliegende Treppe hinauf und dachte mir, dass ich in Jidda lieber ganz alleine bleiben wolle, wenn das die ostindischen Sitten wären. Ich brauchte die englischen Kapitäne auch gar nicht, denn ich hatte ausreichend Kredit bei Yousef Cabil, dem Wesir oder Statthalter von Jidda.
Man führte mich in ein großes Zimmer, wo Kapitän Thornhill in einer weißen baumwollenen Weste und einer spitzen Nachtmütze in tiefem Nachdenken saß, ein großes Glas Wasser vor sich. Der Diener des Emir Bahar führte mich an der Hand etwas vorwärts, ich getraute mich aber nicht weiter, weil ich eine neue Drohung, mich die Treppe hinunterzuwerfen, befürchtete. Der Kapitän sah mich starr, aber nicht finster an und befahl, der Diener solle weggehen und die Tür schließen.
»Mein Herr, seid Ihr ein Engländer?«, fragte er. Ich verbeugte mich. »Ihr seid gewiss krank, Ihr solltet im Bett liegen. Seid Ihr schon lange krank?« – »Sehr lange, mein Herr«, antwortete ich und verbeugte mich wieder. »Sucht Ihr nach Ostindien zu kommen?« Ich verbeugte mich abermals. »Gut«, versetzte er, »Ihr scheint mir ein Mann in unglücklichen Umständen zu sein. Habt Ihr ein Geheimnis, so will ich so lange Achtung davor haben, bis es Euch beliebt, es mir zu verraten. Wollt Ihr aber nach Ostindien, so wendet Euch unter allen Engländern an niemand anderen als an Kapitän Thornhill.« Ich verbeugte mich wieder. »Vielleicht fürchtet Ihr, von jemandem erkannt zu werden? Ist dem so, will ich meinen Leutnant Greig rufen, der Euch auf dem schnellsten Weg an Bord bringen soll, wo Ihr sicher seid.« – »Mein Herr«, erwiderte ich, »ich hoffe, Ihr werdet in mir einen ehrlichen Mann finden. Ich habe, soviel ich weiß, keinen Feind in Jidda noch sonst wo, und ich bin auch niemandem etwas schuldig.« – »Ich bin sicher«, fuhr er fort, »dass ich ein Unrecht begehe, wenn ich den armen Mann stehen lasse, der eigentlich im Bett liegen sollte.« Dann rief er: »Philipp!« Philipp erschien. »Bursche«, sagte er auf Portugiesisch, in einer seiner Vermutung nach mir unbekannten Sprache zu ihm, »hier ist ein armer Engländer, der entweder im Bett oder im Grab liegen sollte, bring ihn zum Koch und lass ihm so viel Brühe und Hammelfleisch geben, wie er essen will. Der Mann scheint todkrank gewesen zu sein, und ich will lieber zehn Mann bis Ostindien durchfüttern, als einen in Jidda begraben.«
Philipp de la Cruz war der Sohn eines portugiesischen Frauenzimmers, das Kapitän Thornhill geheiratet hatte, ein junger Mensch mit großen Fähigkeiten und vortrefflichem Gemüt. Ich machte vor Kapitän Thornhill eine so ungeschickte Verbeugung wie nur möglich und sagte: »Gott wird Sie einst dafür belohnen.« Philipp brachte mich in einen Hof, wo Muster der Güter aus Ostindien in großen Ballen ausgestellt waren. Linker Hand war ein überdeckter Gang, der zu einem Stall hinzuführen schien. Dorthin wurde ich gebracht und der Koch trug mir meine Mahlzeit auf. Verschiedene Engländer von den Schiffen, ostindische Matrosen und auch andere schauten herein, um mich zu betrachten. Und ich hörte, dass sie sich einig darin waren, dass ich wie ein Spitzbube aussähe und gewiss ein Türke sei.
Ich fiel auf einer Matte in tiefen Schlaf, und Philipp ging, um ein anderes Zimmer für mich zu bestellen. Inzwischen waren einige meiner Diener mit dem Gepäck zu dem Zollhaus gegangen. Einige blieben an Bord zurück, um zu verhindern, dass das Übrige gestohlen wurde. Die Schlüssel hatte ich, und der Wesir legte sich nach Landessitte zu Mittag zur Ruhe. Sobald er erwachte, war er auf seine Beute so begierig, dass er über mein Gepäck herfiel. Er wunderte sich, dass eine solche Menge und Gepäckstücke von so sonderbarer Form einem Mann von meinem Aussehen gehören sollten, und war schon voller Hoffnung über die schöne Gelegenheit zum Plündern. Er verlangte die Schlüssel zu den Koffern. Einer meiner Diener sagte, dass ich sie hätte und er sie sofort holen wolle. Das dauerte dem Wesir aber zu lange, er wollte nicht mehr warten. Die Leute waren das Plündern gewohnt und brachen die Schlösser nicht auf, sondern lösten kunstvoll die Bänder auf der Rückseite der Gepäckstücke. Auf diese Weise öffneten sie die Deckel, ohne die Schlösser zu beschädigen.
Das Erste, was dem Wesir in die Augen fiel, war der Firman2 des türkischen Kaisers, prächtig geschrieben, die Aufschrift mit Goldstaub bestreut und in grünen Taft eingewickelt. Dann fand er einen grüngoldenen Beutel mit Briefen an den Scherif3 von Mekka und einen karmesinroten Behälter aus Atlas mit Briefen an Metical Aga, den Schwertträger, Ersten Minister und großen Favoriten des Scherifs. Und endlich fand er einen Brief des Ali Bey an ihn selbst, der in dem herablassenden Ton eines Fürsten an seinen Sklaven geschrieben war.
In diesem Brief sagte Ali Bey ganz deutlich, dass er gehört habe, dass die Statthalterschaften über Jidda, Mekka und andere Länder des Scherifs sehr unordentlich verwaltet würden und dass Kaufleute, die wegen ihrer rechtmäßigen Geschäfte kämen, ausgeplündert, in Angst versetzt und aufgehalten würden. Er warne ihn deshalb davor, mir Ähnliches widerfahren zu lassen. Anstatt sich Beschwerden anzuhören, würde er jemanden schicken, um eine solche Beleidigung vor den Toren Mekkas bestrafen zu lassen.
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