Bettina starrte ihn beinahe entgeistert an.
»Ja.«
»Sind Sie ein Kegelklub oder ein Wanderverein?«
»Nein. Es wird nur eine Person anreisen… eine Dame.«
»Und die braucht ein ganzes Haus?«
»Ehe Sie noch lange herumrätseln. Sie braucht etwas, wo sie ungestört sein kann und nicht belagert wird. Und das hier ist eine große Hofanlage, wo schon die lange Zufahrt Privatbesitz ist. Es kann also niemand in die Intimsphäre eindringen.«
»Und wer, bitte, wird mein Gast sein?«
Er zögerte.
»Absolute Diskretion ist erforderlich. Sie wird auch inkognito hier wohnen. Es handelt sich um Isabella Wood.«
»Die… die Schauspielerin?«
»Ja.«
Bettina konnte es nicht glauben. Isabella Wood war eine international bekannte Schauspielerin, die sich an alle Plätze der Welt zurückziehen konnte, die – geschützt durch Bodyguards – überall ungestört sein konnte. Und ausgerechnet der Fahrenbach-Hof sollte es sein? Da stimmte doch etwas nicht.
»Wieso will sie ausgerechnet hierher kommen?«
Er lächelte.
»Sie will es nicht, und sie weiß es nicht. Sie möchte nur etwas in der Nähe ihres künftigen Drehortes haben, um sich schon etwas einzustimmen. Doch ehe sie mit den Dreharbeiten beginnen kann, braucht sie absolute Ruhe. Isabella befindet sich in einer großen Lebenskrise, aus der sie erst wieder herausfinden muß.«
»Von Freitag bis Sonntag sind alle Appartements vermietet, und ich weiß nicht, wie es sonst mit der Vermietung aussieht. Da muß ich nachsehen, weil ich mich persönlich nicht um die Vermietung kümmere. Bitte, nehmen Sie doch Platz.«
Bettina ging in das kleine, neben der Küche liegende Büro und holte den Terminplaner heraus.
Es gab einige Anfragen, aber noch keine festen Buchungen.
»Am Montag könnten Sie die Appartements mieten«, sagte Bettina und setzte sich gleichfalls an den Tisch, an dem er bereits Platz genommen hatte.
»Wie lange wird Frau… Wood bleiben?«
Er zuckte die Achseln.
»Keine Ahnung, ich weiß nicht, wie schnell Isabella sich regeneriert. Ich miete im voraus für zwei Monate und zahle den doppelten Preis, mit der Bitte, daß gewährleistet ist, daß die Intimsphäre von Isabella gewahrt wird. Wenn sie vorher auszieht, Pech für uns, Glück für Sie.«
Er klappte sein Notebook auf.
»Rechnen Sie den Betragt aus, nennen Sie mir Ihre Kontonummer, und ich mache gleich hier die Überweisung.«
So etwas hatte Bettina ja noch niemals erlebt. Es war kaum zu glauben – jemand, der freiwillig das Doppelte zahlte und das sogar im voraus.
»Wer… wer sind Sie eigentlich?«
»Ich bin Olaf Cremer… Isabellas Manager. Entschuldigung, daß ich mich nicht sofort vorgestellt habe.«
Das klang seriös.
»Und wie sind Sie auf den Fahrenbach-Hof gekommen, Herr Cremer? Ich vermiete noch nicht lange und habe bislang auch keine großartige Werbung für meine Appartements gemacht.«
Ein wenig mißtrauisch war sie schon.
Da schneite jemand herein, mietete ratz-fatz das ganze Gesindehaus für eine einzelne Person und zahlte, ohne mit der Wimper zu zucken, das Doppelte.
»Ach, das hat sich per Zufall ergeben. Ein alter Kumpel hat es mir empfohlen. Sie kennen ihn auch – Jan van Dahlen.«
Das konnte nun wirklich nicht wahr sein.
Sie hätte mit allem gerechnet, aber doch nicht damit.
»Jan?« ächzte Bettina.
»Ja. Er hat in den höchsten Tönen von all dem hier geschwärmt, aber auch von Ihnen. Ich finde, er hat in keiner Weise übertrieben.«
Bettina bemühte sich, ihre Verlegenheit zu unterdrücken.
Sie mußte sich mit Leni besprechen. Sollte sie dieses Angebot annehmen? Sollte sie den angebotenen doppelten Preis annehmen? Irgendwie kam ihr das unseriös vor. Andererseits war es seine Idee gewesen. Und sie hatte keine Erfahrung mit Stars wie Isabella Wood. Vielleicht war sie extrem schwierig, und deswegen bot er vorsorglich das Doppelte des normalen Pensionspreises an.
»Herr Cremer, bitte geben Sie mir Bedenkzeit bis morgen früh.«
Aus weit aufgerissenen Augen starrte er sie an. So etwas war ihm ja überhaupt noch nicht vorgekommen. Er bot für zwei Monate den doppelten Mietpreis, und sie wollte es sich überlegen.
Er klappte sein Notebook zu.
»Wenn Sie meinen…«
»Herr Cremer, ich möchte Sie nicht verärgern, sondern bitte Sie, mich zu verstehen. Dieses Mietverhältnis geht über das Normalmaß hinaus, wie auch Isabella Wood nicht irgendein Pensionsgast ist. Ich möchte das Ganze mit Frau Dunkel besprechen, die für die Vermietung zuständig ist. Sie kommt leider erst heute im Laufe des Tages zurück. Wenn sie sagt, daß es okay ist, bekommen Sie morgen meine Zusage.«
»Also gut, einverstanden.« Er reichte ihr seine Visitenkarte, schrieb zu den bereits aufgedruckten Telefonnummern eine Handynummer auf die Rückseite.
»Unter dieser Nummer können Sie mich auf jeden Fall erreichen. Ich warte dann auf Ihren Anruf. Hat mich gefreut, Sie kennenzulernen, Frau Fahrenbach. Jan hat recht, Sie sind schon etwas Besonderes.«
Er ging und ließ sie verwirrt zurück.
Zwei Monate alle Appartements ausgebucht zu haben und das zum doppelten Preis – mehr konnte man eigentlich nicht erwarten. Warum also war sie so zögerlich? Weil Jan die Empfehlung gegeben hatte? Aber das war doch nett von ihm, und das bedeutete auch, daß er an sie dachte, nicht nur als Person, sondern auch daran, wie sie ihr Geld verdiente. Um nicht den Eindruck zu erwecken, eine reiche Erbin zu sein, hatte sie ihn über ihre finanzielle Situation nicht im Unklaren gelassen. Aber das hatte ihn nicht weiter berührt, sehr zu ihrer Erleichterung.
Isabella Wood steckte in einer Lebenskrise. Sie war also auch nur ein ganz normaler Mensch mit ganz normalen Problemen. Was hatte sie wohl aus der Bahn geworfen? Sie glaubte sich zu erinnern, irgendwo gelesen zu haben, daß Isabella von ihrem Partner verlassen worden war. Und sie hatte sich gewundert, daß einer so schönen, erfolgreichen Frau so etwas auch passierte.
Bettina schloß das Gesindehaus wieder ab und ging zurück ins Büro.
Toni war zurückgekehrt und gab den Arbeitern Anweisungen, wie sie Finnmore eleven zu verpacken hatten.
Bettina sah, daß er sich von ihrem Schreibtisch schon die fertigen Versandpapiere geholt hatte. Also mußte sie sich sputen, weitere Kommissionen zusammenzustellen. Und darüber vergaß sie erst einmal Isabella Wood, und daß diese vielleicht auf dem Hof Einzug halten würde.
*
Ein wildes Gepolter ließ Bettina zusammenschrecken, und da kamen auch schon Niels und Merit ins Büro gestürmt.
»Tante Bettina, Tante Bettina, da sind wir!«
Sie stürzten sich in Bettinas Arme, die sich wunderte, daß selbst Niels so überschwenglich war. Von Merit war sie es ja gewohnt, aber Niels war doch immer etwas zurückhaltender gewesen.
Bettina herzte die beiden.
»Wie schön, daß ihr da seid. Ich habe mich ja so auf euch gefreut. Hattet ihr eine schöne Reise?«
»Super. Leni hatte ganz tolle Süßigkeiten dabei«, rief Merit begeistert.
Bettina mußte lachen.
»Ich wollte