Abgetaucht. Constanze Dennig. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Constanze Dennig
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783902998132
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      Constanze Dennig

       Abgetaucht

      Constanze Dennig

       Abgetaucht

      Alma Liebekinds 1. Fall

      Ein Wien-Krimi

      Ich danke Friederike Lenart für ihre wichtige Mitarbeit und F. X. Zach für seine wertvollen Tipps.

      Alle Namensübereinstimmungen und damit einhergehende Ähnlichkeiten zu lebenden Personen sind rein zufällig.

      Besuchen Sie uns im Internet unter: www.amalthea.at

      © 2014 by Amalthea Signum Verlag, Wien

      Alle Rechte vorbehalten

      Umschlaggestaltung: Elisabeth Pirker, OFFBEAT

      Umschlagfoto: Hans Leitner

      Lektorat: Mag. Philipp Rissel

      Herstellung und Satz: Gabi Adébisi-Schuster

      Gesetzt aus der Sina Nova 10,2/12,5

      Printed in the EU

      ISBN 978-3-85002-890-5

      eISBN 978-3-902998-13-2

      Inhalt

       1. Kapitel

       2. Kapitel

       3. Kapitel

       4. Kapitel

       5. Kapitel

       6. Kapitel

       7. Kapitel

       8. Kapitel

       9. Kapitel

       10. Kapitel

      1. Kapitel

      »Die Dummheit gebiert unabsichtlich das Böse«, denke ich, als ich die Abteilung für geistig abnorme Rechtsbrecher in der Justizanstalt Wien-Mittersteig verlasse. Wie kann man nur so blöd sein und zwanzig Jahre Gefängnis riskieren, nur um ein Handy zu rauben, das dann beim Überfall auch noch kaputtgeht? Leider ist der Schädel des Handybesitzers ebenfalls kaputtgegangen und jetzt heißt es für den Räuber einsitzen. Für wie viele Jahre, hängt von meinem Gutachten ab.

      Bestätige ich dem Täter für den Zeitpunkt der Tat aufgrund seiner Alkoholisierung eine verminderte Zurechnungsfähigkeit, werden es wohl nicht die vollen zwanzig Jahre werden. Ist die Zurechnungsfähigkeit bei diesem Mann generell nicht gegeben, fehlt ihm also die Dispositions- und Diskretionsfähigkeit, sprich, er ist entweder psychotisch oder einfach dumm, dann wird er wohl den Rest seines Lebens auf der Geschlossenen verbringen.

      Für heute hab ich genug vom Bösen. Um mich abzulenken, werde ich die vorabendlichen Sonnenstrahlen im Café Sperl genießen und dazu ein Achtel Veltliner trinken. Dort werde ich auf meinen Liebsten warten, der sich hoffentlich nicht mehr als eine Viertelstunde verspäten wird.

      Von der Justizanstalt Wien-Mittersteig gehe ich zu Fuß über den Naschmarkt bis ins Sperl. Schon bei der Margaretenstraße wird mein Schritt beschwingter, ich drücke mir die Stöpsel meines MP3-Players in die Ohren, scrolle zu Zufallswiedergabe und was höre ich? Nina Hagen singt: »Roter Mohn.« Alles ist gut.

      Ich werde einen wunderbaren Abend, vielleicht die ganze Nacht, mit Michelangelo – ich nenne meinen Liebsten so, wenn ich libidinöse Gedanken hege – verbringen. Sonst heißt er Michael. Und ich werde keine Sekunde an irgendwelche Wahnsinnigen denken. Sicher nicht! Schließlich ist heute Sonntag.

      Im Sperl sind alle Tische bis auf den einen, der im Schatten steht, besetzt. Auch gut, ich soll sowieso keine Sonne bekommen, wegen der Hautalterung. Gut, lieber wäre mir schon ein Sonnenplatz nach all der geistigen Dunkelheit, die mich sowieso immer umgibt. Aber ich bin und bleibe gut gelaunt, aus.

      Michelangelo wird heute pünktlich sein – sicher! Er wird wissen, wie wichtig seine Nähe gerade heute nach der Arbeit im Gefängnis für mich ist. Er wird hoffentlich schleunigst zu mir eilen, noch bevor ich in meine Après-Häfen-Schwermut falle.

      Da mein MP3-Player nach der Hagen auf »Der Tod und das Mädchen« von Schubert hüpft, muss ich mir: »Verdammt noch mal, das Leben ist schön« wie ein Mantra vorsagen. Das hilft aber nur so lange, bis mir die Uhr das Ausmaß von Michaels Verspätung anzeigt. Es ist für mich leider kein Trost, dass in der Zwischenzeit die anderen Tische auch im Schatten stehen. Ganz im Gegenteil, der Sonnenuntergang untermalt den Aufgang der Melancholie.

      Wie immer zu spät! Rücksichtslos, gedankenlos, egoistisch – höchste Zeit, dass ich mich von ihm trenne. Heute mach ich Schluss. Ich lasse mir seine Rücksichtslosigkeit nicht mehr länger gefallen. Wer glaubt er, dass ich bin? Ein Schulmädchen? Jemand, mit dem er so umspringen kann? Nein, heute werde ich ihm zeigen, wie es ist, wenn er mich verliert. Was hat er schon groß zu tun? So ein bisschen Kunst und Literatur, die kein Geld bringt. Ich hingegen rackere mich ab, während er nur auf Laisser-faire macht.

      Da ich ja Schluss machen möchte, kann ich nicht auf und davon laufen. Sogar aufs Schlussmachen muss ich warten. Um mir die Zeit zu vertreiben, blättere ich eine Tageszeitung durch. Meinen MP3-Player drehe ich ab, mir ist nicht mehr nach romantischer Musik.

      Die ersten zehn Minuten lese ich nur die Schlagzeilen – Sport ausgenommen –, die nächsten zehn Minuten versuche ich hinter den Inhalt der Politikerfloskeln zu kommen und dann bleibt mir nichts anderes mehr übrig, als im Lokalteil die nebensächlichen Meldungen zu lesen. »Erratum: Bei der am 10. Juni am rechten Ufer des Donaukanals gefundenen weiblichen Leiche, die sich dort in einem Baum verfangen hatte, handelt es sich nicht, wie von uns irrtümlich behauptet, um Anna K., sondern um Sabine K. Laut Auskunft der Polizei ist Sabine K. bereits am 7. Juni ertrunken. Die Polizei schließt ein Fremdverschulden aus.«

      Also wahrscheinlich Selbstmord. Der Bericht fängt meine Aufmerksamkeit. Ich blicke mich um, ob ich nicht dabei beobachtet werde, wie ich den Artikel aus der Zeitung herausreiße. Eine interessante Geschichte, die könnte zu meiner Publikation passen. Mir fehlen noch fünf Fälle, damit ich meine wissenschaftliche Arbeit über »Die Wahl der Todesart bei Suizid nach Kriterien der Psychopathologie« fertigstellen kann. Es gibt kaum wissenschaftliche Untersuchungen, die die Wahl der Mittel, um sich umzubringen, mit der Persönlichkeitsstörung des Selbstmörders gemeinsam analysieren. Es ist bekannt, dass es einen Unterschied zwischen den Geschlechtern, was die Art sich zu töten betrifft, gibt.

      Es gibt aber kaum Untersuchungen zur Sozialisation und zu anderen psychischen Parametern. Mich interessiert, was einen Selbstmörder dazu bringt, sich eben, wie in obigem Fall, zu ertränken. Die einfachste Möglichkeit, sich zu töten, scheint kein Kriterium zu sein. Selbstmörder sind umständlich. Statt sich einfach aus dem Fenster zu stürzen, wählen sie die absurdesten und aufwendigsten Tötungsarten.

      Michael hat Glück! Ich bin so durch diese Zeitungsnotiz abgelenkt, dass ich auf ihn und sein Zuspätkommen komplett vergesse. Als er dann endlich erscheint, bin ich damit beschäftigt, mir Notizen zu machen, und hätte mir gewünscht, dass er mich