»Ja, die junge Frau ist erkrankt, ich warte auf den Arzt, jeden Augenblick muß er eintreffen.«
Helmuth verfärbte sich. Du lieber Himmel! Trug er durch seinen Besuch und die damit verknüpfte Unterredung gar die Schuld daran?
Schuldbewußt wollte er sich zum Gehen wenden, als er sich angerufen hörte.
Er fuhr herum und sah Nikolaus Eckhardt die Treppe herunterkommen. Mit ein paar Schritten ging Helmuth ihm entgegen.
»Eben erfahre ich von der Erkrankung der gnädigen Frau. Ist es wahr, ich kann es kaum glauben.«
»Es ist so«, entgegnete Nikolaus mit tonloser Stimme und fuhr sich flüchtig durch das Haar.
»Dann trage ich gewiß die Schuld daran?«
Nikolaus starrte vor sich hin und sagte müde wie zu sich selbst:
»Schuld? Ich trage sie… ich ganz allein.«
Beklommenes Schweigen herrschte, bis Nikolaus sagte:
»Ich wollte Ihnen nur sagen, daß ich zu meiner Mutter fahre und ihr ernstlich jeden weiteren Schritt in dieser Angelegenheit verbieten werde. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie ebenfalls vermittelnd eingreifen würden.«
Helmuth reichte ihm die Hand.
»Auf mich können Sie unbedingt rechnen. Nach der Zusammenkunft mit Ihrer Schwägerin bin ich zu dem Entschluß gekommen, den Auftrag zurückzugeben.«
In Nikolaus’ Augen leuchtete es warm auf.
»Dafür danke ich Ihnen, auch im Namen meiner Schwägerin. Ich hätte wissen müssen, daß sie, eben erst von schwerer Krankheit genesen, noch nicht stark genug zu dieser Unterredung sein konnte. Ich werde Sie gelegentlich aufsuchen.«
Er brach jäh ab und stieg die Treppe in müder Haltung empor. Helmuth Wendler verließ das Haus, bedrückt und unzufrieden mit sich selbst.
*
Suchend eilte Beate Eckhardt über die kiesbestreuten Wege des Parks. Sie suchte Regina Reuter und das Kind.
Auf dem netten Plätzchen, wo sie am Morgen noch mit Petra und Lorchen gesessen hatte, fand sie die Gesuchten.
Sie ließ die Kleine ruhig weiterspielen und gab Regina einen Wink, zu ihr zu kommen.
»Bitte, halten Sie das Kind unter einem glaubwürdigen Vorwand von seiner Mutter fern. Frau Eckhardt ist erkrankt. Unsere ganze Fürsorge hat jetzt der Kranken zu gelten. Kann ich mich auf Sie verlassen?«
»Gewiß«, erwiderte Regina erschrocken, und voll Teilnahme sah sie der sich rasch entfernenden Frauengestalt nach.
Leonore sprang mit dem Hund davon, und Regina folgte langsam. Als sie in der Nähe des Hauses war, drangen aus einem geöffneten Fenster erregte Stimmen zu ihr. Ganz deutlich hörte sie den Namen Sprenger.
Wie angewurzelt blieb Regina stehen. Sprenger! Mein Gott! Schlug ihr auch hier der verhaßt gewordene Name entgegen?
»… und ich sage dir, Tante Beate«, hörte Regina eine Männerstimme, »wenn Petra ernstlich krank werden sollte, dann trägt in erster Linie dieser gemeine Sprenger die Schuld. Er verfolgt sie mit seinen Liebesanträgen und verdächtigt sie, seine Geliebte zu sein, dabei ist jedes Wort erlogen! Petra hat es mir beim Leben ihres Kindes geschworen. Ich glaube ihr bedingungslos. Und nun will der Schuft sie mit dieser unverschämten Lüge auch noch um ihr Erbe bringen.«
Regina taumelte. Beschämung brannte in ihrem Herzen. Sie fühlte: Jedes Wort, das diese empörte Männerstimme hervorgestoßen hatte, beruhte auf Wahrheit.
Also so weit war Detlef in seiner Leidenschaft für diese Frau gesunken, daß er zu solchen Mitteln griff?
Regina war zumute, als müsse sie ins Haus laufen und dem aufgebrachten Mann ihre früheren Beobachtungen mitteilen.
Aber dann würde man sie mit Recht verwundert fragen: Was haben Sie mit der Sache zu schaffen? Kennen Sie diesen Mann? Dann müßte sie die Wahrheit gestehen und zugeben, daß sie diesen Mann, der sich als Schurke entpuppte, geliebt hatte.
Während sie noch mit sich kämpfte, war sie in die Nähe des Parktores gekommen, durch das eben ein Mann eingetreten war, bei dessen Anblick Regina das Blut in den Adern zu erstarren drohte.
»Detlef«, kam es leise von ihren Lippen. »Regina!«
Sie sah sein Erschrecken, sein Erbleichen, und fühlte wilde Freude in sich.
»Ja, ich bin es«, sagte sie kalt. »Wie seltsam doch mitunter der Zufall spielt. Du suchst Petra Eckhardt und findest mich.«
Es war, als habe Reginas Auftauchen ihn den Zweck seines Kommens vergessen lassen.
»Regina«, sagte er nochmals erstaunt, ja, fassungslos. »Wie… wie kommst du in dieses Haus?«
Regina stand vor ihm, als wolle sie ihm den Weg versperren.
»Das gleiche möchte ich dich fragen. Was suchst du in diesem Haus?«
»Was fällt dir ein! In welchem Ton sprichst du mit mir?«
Ganz dicht trat Regina an ihn heran. Ihr erregter Atem streifte seine Wange.
»Du wirst sofort das Grundstück verlassen!« befahl sie bestimmt.
Er lachte rauh und unsicher auf. »Ich denke nicht daran!«
»Du willst nicht?«
»Sehr richtig, ich will nicht.« Er hatte sich wieder völlig in der Gewalt, fand ihr Eingreifen, ihre Drohung lächerlich und anmaßend.
»Und wenn ich dir erkläre, daß man dich hier im Hause durchschaut hat? Wenn ich dir nur eine Chance geben will, dich einigermaßen mit Anstand aus der Affäre zu ziehen? Wirst du dann immer noch an deinem Plan festhalten?«
Er erschrak und verfärbte sich, als er sich von Regina durchschaut sah. Und doch wollte er nicht klein beigeben.
»Du bist eifersüchtig, mein Liebe«, sagte er boshaft.
»Eifersüchtig?« wiederholte Regina verächtlich. »Anscheinend hältst du dich für unwiderstehlich. Was zwischen uns war, ist gottlob vorbei, überwunden. Heute verstehe ich selbst nicht mehr, daß ich mir ein Leben ohne dich nicht vorstellen konnte.«
Er änderte plötzlich seinen Ton, wurde bittend:
»Regina, weshalb bekriegen wir uns eigentlich? Laß uns doch Verbündete sein.«
»Verbündete?« wiederholte sie, als habe sie nicht recht verstanden. »Wie meinst du das?«
Er sah sich um, als fürchte er unliebsame Zuhörer, dann zog er sie etwas tiefer in den Park hinein. Wie betäubt ging Regina neben ihm her.
»Hör zu, Regina.« Er zwang sie zum Stehenbleiben, sprach hastig und heiser: »Hilf mir! Ebne mir den Weg zum Herzen Petras – und es soll dein Schade nicht sein.«
»Ich glaube, du unterschätzt mich«, antwortete sie sarkastisch. »Glaubst du, man kann einem Herzen einfach befehlen?«
Detlef Sprenger aber war blind und taub vor Leidenschaft.
»Paß auf, Regina, du kannst mir sehr wohl behilflich sein. Petra soll Erbin eines großen Vermögens werden, das bedeutet für sie Unabhängigkeit, Wohlstand, Sorglosigkeit, für mich aber endgültig Verzicht. Ich kann nicht verzichten und will auch nicht! Petra muß über die Klausel, die das Testament enthält, stolpern, der Grund dazu bin ich, sie war meine Geliebte und ist deshalb unwürdig.«
Regina preßte vor Entsetzen die Hand vor den Mund, sonst hätte sie laut aufgeschrien. Aus geweiteten Augen starrte sie den Sprecher an. So gemein also konnte der Mann sein, den sie einst zu lieben geglaubt hatte?
»Und… und welche Rolle hast du mir zugedacht?« fragte sie leise, kaum verständlich.
»Es wird zum Prozeß kommen, in diesem