Lektion in Sachen Liebe. Barbara Cartland. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Barbara Cartland
Издательство: Bookwire
Серия: Die zeitlose Romansammlung von Barbara Cartland
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9781788670630
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Seine Gnaden bezahlt‘s.«

      Er lachte, als hätte er einen Scherz gemacht, öffnete dann eine Tür und meldete in respektvollem Ton: »Die neue Gouvernante, Miss.«

      Marisa betrat einen gemütlich eingerichteten Raum und erblickte eine Frau mittleren Alters hinter einem Schreibtisch. Miss Whitcham war korpulent, hatte graues Haar und trug ein schlichtes Tweedkostüm mit einer gestärkten Rüschenbluse.

      Sie nahm den Kneifer ab und ließ ihn in einem kleinen blauen Emaille Etui verschwinden, das sie in die Brusttasche ihres Kostüms steckte.

      »Willkommen, Miss Mitton. Ich bin Ihnen sehr verbunden, daß Sie so rasch gekommen sind.«

      »Glücklicherweise war ich in der Lage, Ihrem Wunsch unverzüglich nachkommen zu können«, erwiderte Marisa und hoffte, den angemessenen Ton gefunden zu haben.

      »Bitte, nehmen Sie doch Platz.«

      Miss Whitcham wies auf einen Stuhl und setzte sich ihr gegenüber.

      »Lady Berrington hat Sie sehr gelobt«, begann sie dann, »und da sie und der junge Graf enge Freunde Seiner Gnaden sind, war das für mich die beste Empfehlung. Der Herzog hält sich im Augenblick in Schottland auf, so daß ich Sie in seinem Namen auf dem Schloß willkommen heißen darf.«

      Marisa nickte lächelnd, und Miss Whitcham fuhr nach einer Weile fort: »Sie sehen sehr jung aus. Sind Sie tatsächlich schon vierundzwanzig, wie Lady Berrington in ihrem Empfehlungsschreiben erwähnte?«

      »Ich kenne Lady Berrington schon seit vielen Jahren«, wich Marisa geschickt aus.

      Miss Whitcham schien nicht recht zu wissen, wie sie das, was sie nun zu sagen hatte, in Worte fassen sollte: »Ich sollte Ihnen wohl erklären, Miss Mitton, daß Lady Aline Verley ein recht schwieriges Kind ist.«

      »Wie Lady Berrington mir mitteilte, hatten Sie schon mehrere Gouvernanten.«

      »Wie wahr, wie wahr«, sagte Miss Whitcham seufzend. »Miss Graves, Ihre Vorgängerin, verließ das Schloß Hals über Kopf.«

      »Wegen Lady Aline?« fragte Marisa.

      »Leider«, gab Miss Whitcham zu. »Sie ist unberechenbar, und man weiß nie, was sie als nächstes anstellen wird.«

      »Was hat sie Miss Graves angetan?« erkundigte sich Marisa.

      »Sie hat ihr eine Schlange ins Bett gelegt!« erwiderte Miss Whitcham tonlos.

      »Wie, um Himmels willen, ist das Kind zu einer Schlange gekommen?«

      »Es war eine völlig harmlose Blindschleiche. Was Miss Graves natürlich nicht wußte. Sie ekelte sich vor Schlangen und wollte keine Stunde länger im Schloß bleiben, und wenn man ihr einhundert Pfund geboten hätte.«

      Marisa unterdrückte ein belustigtes Lächeln.

      »Vermutlich kannte Aline Miss Graves Angst vor Schlangen?«

      »Das würde mich nicht überraschen«, entgegnete Miss Whitcham. »Um ganz ehrlich zu sein, Miss Mitton: Ich muß gestehen, daß ich Aline gegenüber machtlos bin. Ich habe versucht, wie eine Mutter mit ihr zu reden, aber sie ist einfach ungezogen und widerspenstig. Ich kann nur von Herzen hoffen, daß Ihnen gelingen wird, woran die anderen gescheitert sind.«

      »Ich werde mein Bestes tun«, versprach Marisa. Einen Vorteil hatte sie zumindest gegenüber den vorherigen Gouvernanten, die auf Vox Castle gekommen waren: Sie hatte nicht die Absicht, lange hierzubleiben. In zwei, drei Monaten würde sie ihr Buch beendet haben. Mit etwas Glück würde es genügend einbringen, ihr zu ermöglichen, mit Erlaubnis ihres Onkels zu ihrer alten, im Ruhestand lebenden Gouvernante ins Auszugshaus zu ziehen, das zum Berrington-Besitz gehörte.

      Sie würden sich sehr gut verstehen, und Miss Gillingham würde sich mit Freuden um sie kümmern. Sie würde andere Bücher schreiben und vom Honorar auf Reisen gehen und neue Eindrücke sammeln können.

      Vox Castle war für sie die erste Stufe ihrer ehrgeizigen Pläne, und deshalb würde sie Lady Alines Ungezogenheiten, wie immer sie geartet sein mochten, vor allem dazu benutzen, das schlechte Benehmen der jüngeren Generation der Gesellschaft anzuprangern, ohne sich selbst darüber aufzuregen.

      »Irgendwie ist das Kind schon zu bedauern«, hörte sie Miss Whitcham sagen. »Es hat keine Mutter, und der Vater . . .«

      Sie sprach nicht weiter.

      »Liebt der Herzog seine Tochter?« fragte Marisa.

      Wieder trat eine Pause ein, dann gab Miss Whitcham zögernd zu: »Seine Gnaden sind nicht sonderlich interessiert an dem Kind.«

      Marisa spürte, daß sie dazu noch eine Menge zu sagen gewußt hätte, wäre sie darum gebeten worden. Sicherlich klatschte Miss Whitcham gern. Früher oder später würde sie von ihr alles über den Herzog und das Verhältnis zu seiner Tochter erfahren, was sie wissen wollte.

      Doch dazu war jetzt nicht der richtige Augenblick. Miss Whitcham erhob sich.

      »Wir sollten nach oben gehen und Sie mit Aline bekannt machen. Sie wird natürlich nur tagsüber in Ihrer Obhut sein. Sie hat noch ihre alte Nanny, ihr Kindermädchen, das sich um sie kümmert, außerdem sind noch ein Hausmädchen und ein Lakai da.«

      »Das hört sich gut an«, bemerkte Marisa lächelnd. »Erzählen Sie mir etwas über die Nanny.«

      »Sie ist schon sehr alt und etwas schrullig«, erklärte Miss Whitcham mit gedämpfter Stimme, als sie sich der Tür näherten. »Sie begleitete die alte Herzogin aufs Schloß und gehört nicht zum angestammten Dienstpersonal. Deshalb wurde sie von den anderen Bediensteten wohl immer als Fremde betrachtet und kam, nicht gut mit ihnen aus.«

      Im zweiten Stock zeigte sie Marisa ihr Wohnzimmer.

      »Ich hoffe, wir zwei werden uns hier ab und zu zusammensetzen können«, sagte sie.

      »Gern, vielen Dank«, erwiderte Marisa.

      Die Kinderzimmer befanden sich im dritten Stock. Miss Whitcham öffnete die Tür zu einem großen Raum mit zwei riesigen Fenstern, durch die helles Sonnenlicht flutete. Eine alte Frau saß mit einer Stopfarbeit vor einem prasselnden Kaminfeuer.

      Sie erhob sich, als Miss Whitcham ihr mit lauter Stimme zurief: »Guten Tag, Nanny! Ich bringe Ihnen Miss Mitton. Sie möchte Aline kennenlernen.«

      Marisa sah sich im Zimmer um. Eine Wand wurde von einem Pianino eingenommen, während in einer anderen Ecke teures Spielzeug aufgetürmt war. Das Puppenhaus, das Schaukelpferd und zahlreiche Puppen und Baukästen waren so ordentlich nebeneinander aufgestellt, daß zumindest an diesem Tag niemand damit gespielt haben konnte. Auf einem kleinen Tisch neben dem Spielzeug stand ein großer Pappkarton.

      Das Kinderzimmer enthielt die traditionelle Wandtafel, die mit Abziehbildern und Weihnachtskarten verziert war. Die Messingstangen des Schutzgitters vor dem Kaminfeuer glänzten im Licht der Flammen.

      Auf dem Tisch in der Mitte des Zimmers lagen einige Schulbücher, daneben standen ein Tintenfaß und ein Federkasten.

      »Ich habe Aline gesagt, daß Sie kommen«, wandte sich die Kinderfrau an Marisa, »und ihre Schulhefte habe ich auch bereitgelegt. Schlimm sehen sie aus.«

      »Wo ist Aline?« fragte Miss Whitcham in scharfem Ton.

      »Vermutlich in ihrem Schlafzimmer«, erwiderte Nanny. »Sie sagt, sie hätte genug von Gouvernanten.«

      Die alte Frau ging durchs Zimmer, öffnete eine Tür und redete dem Kind gut zu.

      »Nun komm schon heraus, Kleines. Die junge Dame ist den ganzen weiten Weg von London hierhergekommen, um dich zu unterrichten. Was soll sie von dir denken, wenn du sie nicht begrüßt? Daß du ein Bauerntrampel bist?«

      Sie bekam keine Antwort.

      »Das reicht, Nanny«, erklärte Miss Whitcham unwillig, »Überlassen Sie es mir, mit Aline zu reden.«

      »Sie haben Glück, wenn sie Ihnen überhaupt zuhört«, hörte Marisa die Nanny