Lektion in Sachen Liebe. Barbara Cartland. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Barbara Cartland
Издательство: Bookwire
Серия: Die zeitlose Romansammlung von Barbara Cartland
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9781788670630
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in den Kreisen des Prinzen und seiner bezaubernden dänischen Gemahlin vor sich ging. Der Klatsch kannte keine Grenzen, und so drangen die Gerüchte über die neuen Liebschaften des Prinzen und über die Empörung der Königin wegen des unschicklichen Benehmens der sogenannten Marlborough House Clique auch bis in die Provinz vor.

      Lady Berrington versiegelte und frankierte nun den Brief und übergab ihn Marisa.

      »Bring ihn selbst auf die Post, dann kannst du ganz sicher sein, daß ich Wort gehalten habe.«

      Marisa betrachtete den großen weißen Umschlag, der an ‚Miss Whitcham bei Seiner Gnaden, dem Herzog von Milverley, Schloß Vox, Kent‘ adressiert war.

      »Gibst du mir sofort Bescheid, wenn eine Antwort eintrifft?« fragte sie.

      »Fährst du denn nach Berrington zurück?« erkundigte sich die Gräfin.

      »Ich mag nicht in London bleiben«, erwiderte Marisa. »Sobald ich von dir höre, komme ich wieder und hole mir die Kleider, die du mir versprochen hast.«

      Ihre Tante maß sie mit nachdenklichem Blick.

      »Weißt du, Marisa«, begann sie, »wenn du dich ein wenig bemühen würdest, könntest du die größten Triumphe feiern. Daß ich nicht als deine Anstandsdame fungieren will, ist im Grunde so etwas wie Selbsterhaltungstrieb. Du bist viel zu hübsch! Obwohl du keine Mitgift hast, würdest du bestimmt bald einen wohlhabenden, vielleicht sogar hochgestellten Gemahl finden.«

      Marisa lächelte.

      »Du meinst es gut, Tante Kitty, aber meine Antwort ist nein. Meine Pläne stehen fest, und Schloß Vox ist für meine Zwecke bestens geeignet.«

      »Warum denn ausgerechnet Vox?« fragte Lady Berrington verwundert.

      »Eines Tages wirst du es vielleicht erfahren«, erwiderte Marisa ausweichend.

      Genau fünf Tage später war es soweit. Marisa hielt sich gerade im Arbeitszimmer ihres Vaters auf, als das Telegramm eintraf.

      

      ‚Du sollst Dich sofort nach Vox begeben. Hol Dir Deine Sachen vorher in London ab, Kitty Berrington.‘

      Marisa konnte es nicht fassen. Sie las das Telegramm ein zweites Mal, dann stieß sie einen Freudenschrei aus. Sie hatte es geschafft! Was sie kaum für möglich gehalten hatte, war geglückt: Sie würde Schloß Vox und seine Bewohner kennenlernen.

      Sie trat ans Fenster und blickte hinaus auf den verwilderten Rasen; so lange sie zurückdenken konnte, war er von keinem Gärtner mehr gepflegt worden.

      Das Interesse ihres Vaters hatte sich nur auf Bücher und seinen Rachefeldzug gegen adlige Kreise konzentriert. Seinen Besitz hatte er darüber völlig vernachlässigt. Er hatte sogar vergessen, den Pachtzins von seinen Pächtern zu kassieren oder einen Verwalter zu ernennen, der die Gelder für ihn eintrieb.

      Seine Ländereien waren ebenfalls verkommen, und er war von seinen Untergebenen schamlos bestohlen und betrogen worden. Auch das Gutshaus befand sich in einem desolaten Zustand. Marisa war sich bewußt, daß den neuen Grafen, den jüngeren Bruder ihres Vaters, eine schwierige und kostspielige Aufgabe erwartete, wenn er hier wieder Ordnung schaffen wollte. Nicht zuletzt aus diesem Grund hatte sie beschlossen, ihrem Onkel nicht auch noch auf der Tasche zu liegen, ganz abgesehen davon, daß sie entschlossen war, den Kampf ihres Vaters gegen die verlogene Gesellschaft fortzusetzen. Es waren nicht nur seine radikalen Ansichten und revolutionären Ideen, die sie begeisterten, sondern vor allem die Gelegenheit, wie er einen persönlichen Rachefeldzug zu führen, der auf einem für sie sehr schmerzlichen Erlebnis beruhte.

      Ihr Vater hatte es gut gemeint, als er sie mit siebzehn Jahren nach London geschickt hatte, um sie von einer Cousine als Debütantin bei Hofe einführen zu lassen. Marisa, die weder über die angemessene Garderobe verfügte noch sich in höfischen Sitten und Gebräuchen auskannte, hatte Höllenqualen gelitten. Während man sich über ihre unkonventionelle Kleidung und ihre ungekünstelten Manieren amüsierte, fühlte sie sich zutiefst gedemütigt und sehnte sich mit allen Fasern ihres Herzens nach dem ungezwungenen Leben in Berrington Park zurück, nach ihren Hunden und Pferden und den lebhaften Diskussionen mit ihrem Vater.

      Mit den Tischherren, die ihr ihre Tante zugewiesen hatte, wenn irgendein Essen stattfand, kam kein Gespräch zustande, und Marisa langweilte sich entsetzlich.

      Mrs. Featherstonehaugh hatte ihr später beigebracht, daß es zu den guten Manieren einer jungen Dame gehörte, Konversation zu machen und als Gastgeberin charmant, höflich und liebenswürdig zu sein. Außerdem hatte Marisa von der erfahrenen Dame gelernt, daß eine Frau immer gepflegt aussehen und in ihrem Heim für eine gemütliche Atmosphäre sorgen müsse, und sei es durch ein hübsches Blumenarrangement.

      Später, als sie erwachsen und sich ihrer eigenen Schönheit bewußt war, wurde Marisa zunehmend selbstsicherer und gewandter, doch die schrecklichen Erlebnisse in London hatten in ihrer Seele Narben hinterlassen. Besonders eine Begebenheit anläßlich eines Balles, den ihre Tante für ihre illustren Freunde gegeben hatte, würde Marisa nie vergessen. Sie mußte mit ihrer Cousine Florence die ankommenden Gäste begrüßen. Marisa erinnerte sich, daß die Damen sich gegenseitig übertroffen hatten. Sie war vom Glanz der Juwelen und Diademe, von der atemberaubenden Schönheit und Raffinesse ihrer Roben wie geblendet gewesen.

      Irgendein fader Jüngling, der sich nur über Pferderennen unterhalten konnte, war ihr als Tischherr zugeteilt worden. Nach dem Dinner hatte sie sich auf die Suche nach ihrer Tante begeben, um sich bei ihr aufzuhalten und nicht so verloren herumzustehen.

      Im Empfangssalon hatte sie im Vorübergehen ein Paar auf dem Polstersofa sitzen sehen, das ihr den Rücken zukehrte.

      Sie wollte im Schutz einer Säule vorbeihuschen, als sie die juwelengeschmückte Dame sagen hörte: »Sei vorsichtig, Valerius, du weißt, wie schnell der Klatsch blüht.«

      »Was kümmert’s mich«, hatte ihr Kavalier mit tiefer, wohlklingender Stimme erwidert. Unwillkürlich war Marisa hinter der Säule stehengeblieben. »Du weißt genau, wie verführerisch du bist, Dolly.«

      »Ich sollte dich an deine Pflichten erinnern, statt deinen Komplimenten zu lauschen«, meinte die Lady lachend. »Du solltest mit den Mädchen tanzen, für die dieser Ball stattfindet, schließlich bist du eine begehrte Partie, Valerius.«

      »Glaubst du im Ernst, ich würde meine Zeit an dieses mondgesichtige Wesen mit den Kuhaugen verschwenden?« entgegnete der Kavalier spöttisch. »Oder an diesen Rotschopf, der aussieht wie eine Karotte, die man zu früh aus der Erde gezogen hat?«

      Marisa hatte sich davongeschlichen. Irgendwie hatte diese bösartige Bemerkung des Unbekannten bei ihr das Faß zum Überlaufen gebracht und den Demütigungen und Beleidigungen, die ihr in den letzten Wochen widerfahren waren, die Krone aufgesetzt.

      Unter dem Vorwand, ihr Vater sei erkrankt und benötige ihre Pflege, war sie am folgenden Tage fluchtartig abgereist. Vergebens hatte ihre Tante versucht, sie umzustimmen.

      Es war nicht schwierig gewesen, festzustellen, wer der Gentleman war, der so abfällig über ihre Cousine und sie gesprochen hatte. Es gab nur einen Mann mit diesem seltenen Vornamen in höfischen Kreisen.

      Der Herzog von Milverley und Schloß Vox wurden oft in den Zeitungen erwähnt und abgebildet, und Marisa prägte sich die Gesichtszüge des Duke ein, so daß sie ihn und seine Stimme auf Anhieb erkannt hätte, wäre ihr dieser imposante Gentleman mit dem strengen, fast brutal wirkenden Mund, der aristokratischen Nase und dem ausgeprägten Kinn, den zynisch blickenden Augen und den scharfen Falten von der Nase zu den Mundwinkeln irgendwo begegnet.

      Ich hasse ihn, hatte Marisa an jenem Abend gedacht, als sie in den Ankleideraum der Damen geflüchtet war.

      »Ich hasse ihn«, sagte sie laut vor sich hin, als die nach Berrington zurückfuhr.

      Dieses Haßgefühl verstärkte auch ihre Verachtung gegenüber der herrschenden Klasse. Ihr Vater hatte ebenso empfunden.

      Jedes Mal, wenn der Graf dem House of Lords einen Besuch abstattete, bestürmte Marisa