Das Schatzhaus des Königs. Wilhelm Walloth. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Wilhelm Walloth
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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Aufzug nicht entweihen, ihr Schakale. Aber einen Kuß könntest du mir doch reichen, Jüdin, du bist verflucht hübsch; so malen sie die Göttin Isis holdlächelnd auf die Wände des Tempels. Komm, kleine, weiße Schilfschlange, laß dich fangen.«

      Rebekka wehrte lachend ab, während sich der derbe, braunrote Ägypter, von Begierde entzündet, wild an sie schmiegte, reiche Belohnung bietend. Bald kamen noch einige Ägypter, brachten Wein und stritten sich um den Besitz der Jüdin. Isaak suchte ärgerlich sein Lager; dies Hindernis kam ihm sehr ungelegen; er sann darüber nach, ob er es vielleicht umgehen könnte, während die lebenslustigen Zechgenossen Rebekka in ein Nebengemach zogen, aus welchem bald Gesang und Gelächter das stille Haus durchtobten.

* * *

      Menes hatte indes keinen Tag vorübergehen lassen, ohne eifrig danach zu trachten, mit dem Mädchen auf irgendeine Art, an irgendeinem Ort wieder zusammenzutreffen; leider lange erfolglos. Eine glühende, verzehrende Sehnsucht bemächtigte sich seines träumerischen Gemüts; die Abwesenheit ihrer Gestalt hielt seine Phantasie in beständiger Spannung; im wachen Traume sah er sie vor sich; auf den Straßen ließ er kein Gesicht an sich vorüber, ohne es beobachtet zu haben. Es wurde ihm klar, daß sie ihn absichtlich mied. Eines Morgens war er, eine halbe Stunde oberhalb Memphis, am Nil auf und ab gewandelt, um ein astrologisches Werk zu studieren. Der Ort war still; rings vom hohen Schilfe eingerahmt, war er wie gemacht zum heimlichen Studierzimmer. Das Geflügel im Schilf plauderte in der Ferne, die Frösche sangen ihr eintöniges Lied herüber, das stille Leben der Wassertiere bot Anlaß zu manchen sinnigen Betrachtungen. Sollte man, sagte er zu sich selbst, nicht glauben, wenn man das behagliche Treiben dieser kleinen Geschöpfe im goldglänzenden Wasser beobachtet, es fehle ihnen nichts, sie seien völlig glücklich! Und doch lauert auf jedes dieser Wesen schon ein anderes, welches seiner zur Nahrung bedarf. Keines dieser Geschöpfe ist seines Daseins sicher, ihr Leben ist nur eine Galgenfrist, viele dieser Tiere entstehen nur, um größeren zur Speise zu dienen. Ein solches Stückchen Uferschilf ist ein verkleinertes Bild des Menschenlebens. Menes hatte sich eben niedergelassen, eine Schnecke vor den Bissen eines wurmartigen Weichtiers zu retten, als ein nicht sehr entfernter Schrei an sein Ohr schlug. Rasch sprang er auf. Das war ein menschlicher Schrei! Wer konnte hier in der Nähe sein? Vielleicht ein wasserschöpfendes Weib, das von einem Krokodil überrascht wurde? Doch Krokodile ließen sich in solcher Nähe der Stadt kaum mehr sehen. Er lauschte gespannt; der Schrei wiederholte sich nicht; brütende Sonnenhitze lag auf dem entfernteren, blitzenden Nil, leise säuselte das Rohr. Hatte er sich getäuscht? War es eine Vogelstimme gewesen? Er bog um ein dichtes Schilfgestrüpp, hielt die Hand vor das sonngeblendete Auge und gewahrte im Rohr, wie in einem Gitterwerk, zu seiner größten Überraschung eine Gestalt. Diese Gestalt stand aufrecht mitten im Wasser; ihr Haupt hing, von einem Tuche bedeckt, auf die Brust herab wie geknickt; ihre Füße verschwanden unter den Wellen; so stand sie, wie eine steinerne Göttin. Ja, es war ein Weib, das dort stand und rätselhafterweise nicht untersank. Er bog das Schilf völlig zurück – bei allen Göttern! war sie es? sie! die er suchte und nicht fand? Myrrah! Und in welcher Lage befand sie sich! Was wollte sie hier? Seine Brust hob sich gewaltsam, er trat bis dicht an das Wasser heran und rief hinüber: »Myrrah! was beginnst du? Wie kommst du hierher.« Sobald diese Worte verklungen waren, zuckte es sichtlich über die Züge des Mädchens, es duckte das Köpfchen noch tiefer herab und machte eine abwehrende Bewegung. Nun erst, als diese Bewegung den Körper des Mädchens und das sie umgebende Wasser erzittern machte, gewahrte Menes, daß sie auf einem schwimmenden Baumstamm stand, der sich langsam über die Flut erhob und einige grünliche Äste zeigte. Hatte sie freiwillig diese gefahrvolle Stütze gesucht? Oder hatte ihr der Stamm als Rettungsmittel gedient? Aber warum bemüht sie sich nicht, den Baum ans Ufer zu ziehen? Das hätte sie leicht vermocht, Gebüsche boten sich allenthalben.

      »Ich will dir helfen, das Ufer zu gewinnen,« rief er hinüber. Rasch knüpfte er mehrere lange Binsen aneinander und warf dies künstliche Seil auf den Stamm, der bis jetzt noch kaum zehn Schritte vom Lande entfernt war.

      »Fasse das Ende, so kann ich dich herüberziehen,« rief er erfreut, ihr diesen kleinen Dienst leisten zu können. Aber wie lähmte ihn das Erstaunen, da sie sich keineswegs nach den Binsen bückte, sie zu fassen! Sie fielen neben ihr nieder, sie blieb bewegungslos.

      »Tue mir die Freundschaft,« sagte er, »und fasse das Seil, ehe der Baum weiter in den Fluß hineinschwimmt.« Sie blieb teilnahmlos mit gesenktem Haupte stehen.

      »Was ist mit ihr geschehen,« murmelte der Erschrockene. Sie schien völlig bei Bewußtsein und dennoch glich sie eher einer Toten als einer Lebenden. Er wiederholte seine Bitte, sie möge das Tau fassen, dringender; schließlich, als er bemerkte, daß der Stamm leise dem Binsenseil entfloh, schrie er sie in heller Verzweiflung an; ja, er gebrauchte sogar zornige Worte, tadelte ihren Leichtsinn, beschwor sie, es sei ihre Pflicht, sich ihm zu retten. Alles umsonst, nichts machte einen Eindruck auf die Unglückliche. Plötzlich ließ sich rechts im Schilf ein eigenes Rauschen vernehmen; unheimlich knisterten die Halme, zuweilen knirschten die Steine oder Äste, als schleppe sich ein schwerfälliger Gegenstand über sie hin. Menes zuckte zusammen, seine Lippen wurden blau, er rang unwillkürlich die Hände – denn durch das Gestrüpp glänzte und bewegte es sich grün. Der grüne Koloß kam näher, seine Schuppen regten sich geschmeidig; Menes' Auge hing verzweiflungsvoll bald an der zarten Gestalt Myrrah's, bald an diesem furchtbaren Wasserbewohner, der Menschenfleisch witternd herankroch, seinen warzigen Eidechsenschwanz gemächlich durch die sich beugenden Halme nachschleifend.

      »Du bist verloren – ein Krokodil,« mehr vermochte er nicht hervorzustammeln. Sie sank immer mehr in sich zusammen und verhüllte ihr Haupt im Schoße, wie es schien, gefaßt dem Entsetzlichen entgegensehend, auf welches sie wohl gewartet hatte. Da erhob sie sich noch einmal zur Hälfte, reckte ihre Hand wie dankend gegen Menes aus und sank darauf in die vorige Stellung zurück. Menes stand anfangs wie gelähmt. Was sollte er von Myrrah denken? War das nicht das Benehmen einer Wahnsinnigen? Wenn es nicht Wahnsinn war, was ihm da gegenüberstand, so war es nichts anderes, als der feste Entschluß, zu sterben; dieser leuchtete aus ihren schmerzlichen Augen, dieser drückte sich durch ihr Betragen aus. »Aber sie soll nicht sterben,« tönte es in seinem Inneren. Noch war das Untier ziemlich entfernt, noch war Rettung möglich. Wie von Sinnen riß er das Binsenseil aus der Flut zurück, knüpfte eine Schlinge aus dessen Ende und schleuderte es noch einmal in das Geäst des schwimmenden Stammes. O, ihr Götter! laßt es dort haften! laßt die Schlinge fassen! betete er, das Leben zweier Menschen hängt an diesem Seil, denn ihr Tod ist auch der meine. Er zog. Wahrlich! die Götter waren gnädig! der Stamm bewegte sich, die Schlinge hatte gefaßt. Aber das Seil war schwach; er bemerkte, wie sich die einzelnen Binsen voneinander lösten, er wollte es übersehen; nur ziehen, ziehen, ehe sich der zähnestarrende Rachen des Ungetüms näherte; es muß gelingen, die Götter werden den dünnen Binsen Eisenfestigkeit verleihen. Langsam schwamm der Baum näher; das Krokodil im Röhricht wurde immer deutlicher sichtbar, es schien nicht geneigt, sich seine Beute entgehen zu lassen. Menes schleuderte Blicke auf dasselbe, als seien diese imstande, es zu vernichten. Jetzt endlich stieß der Stamm ans Land, zitternd hob er die Hingesunkene empor und trug sie auf seinen Armen im rascheste Lauf eine Strecke weit vom Ufer hinweg. Dort, außer dem Bereich des Tieres, ließ er sie am Fuß eines Hügels nieder, beugte sich über die völlig Erschöpfte und rief sie zärtlich beim Namen. Als sie hierauf keine Antwort gab, sondern ihr Haupt krampfhaft auf die Brust preßte, wagte er es, dasselbe langsam in die Höhe zu heben. Kaum hatte er sie berührt, so schnellte sie empor; ein bitterer Ausdruck spielte schmerzlich über ihre bleichen Züge.

      »Du hast mich gerettet,« sprach sie rauh, »warum tatest du dies? Hab' ich dich gerufen? Hab' ich deine Hilfe in Anspruch nehmen wollen? Nein.«

      »Myrrah, sprich nicht so verstört,« sagte er mit zitternder Stimme, indes sein Auge sich mit Tränen füllte.

      »Wie bist du verwandelt – hassest du mich denn?«

      »Ich dich hassen?« frug sie tonlos, wie im Traum.

      »Ja, es scheint, du hassest mich.«

      »Und wenn es so wäre –«

      »Myrrah – du – o ihr Götter –«

      »Sei ruhig,« lispelte sie, »du verstehst mich falsch – ich hasse dich nicht, sondern ich müßte dich hassen.«

      »Warum