Makk. Heinrich Clauren. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Heinrich Clauren
Издательство: Public Domain
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Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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steht, kein Wort; der Mensch ist ja seit vier, fünf Jahren außer Landes gewesen; aber ich will ihm den Staar stechen lassen; rennt er dann mit sehenden Augen in sein Unglück, nun so hat er es bei sich selbst zu verantworten. Aber warnen müssen wir ihn, denn fängt ihn die höfische Kreuzspinne in ihren Netzen, so ist er auf ewig verloren. Sey ruhig, Pupchen, und laß Dir deinen Verdruß nicht merken; er muß Dir Abbitte thun, das ist seine Schuldigkeit, und wenn er kommt, so maule ein bischen, doch nicht zu lange; sey bald wiederfreundlich und gib Dir Mühe, beim Schmollen recht interessant zu seyn. Machst Du deine Sachen gut, so kann Dir die verpaßte Quadrille mehr einbringen, als wenn Du sie getanzt hättest.

      Mutter! knirschte Pupchen heimlich, und krampfte die kleine Rechte zusammen, daß in den Glanz-Handschuhen zwischen zwei Fingern alles Nächte platzten: die Aurora – schon  als Kind ist sie mir unausstehlich gewesen, könnte ich sie unterkriegen, mit beiden Füßen wollte ich die Schlange zertreten.

      Ruhig, ruhig, flüsterte ihr Mama in das, vor Groll und Grimm bis zum dunkelsten Purpur geröthete Ohr, winkte ihren künftigen Eidam, den Major v. Schnüren, zu sich, und sandte ihn mit mündlichen Aufträgen auf seinen Posten.

      5

      Tanzt die Komtesse nicht wie ein Engel? fragte Schnüren, und klopfte, den Blick auf Auroren gerichtet, dem jungen Grafen, der bei ihrem Quarré noch immer wie angewurzelt stand auf die Achsel.

      Gotthold, der des Majors beifällige Aeusserung für unverfälscht hielt, betheuerte, nie etwas Reizenderes gesehen zu haben, und Aurora, die eben im Vorbeischweben aus Gottholds Munde ihr lautes Lob hörte, dankte mit freundlichem Lächeln, und tanzte noch dreimal schöner als vorher.

      Sehen Sie diesen göttlichen Wuchs, fuhr Schnüren fort, und lachte heimlich über Gotthold’s Extase: diesen blendend weißen Hals und Busen, diesen Leib zum Umspannen, dieses flinke zarte Füßchen, und nun diese Anmuth, die dieß ätherleichte Wesen umfließt, die zauberische Federkraft, die in dem ganzen zarten Gliederbaue lebt! Und welch eine himmlische Liebe spricht nicht aus diesen schmachtenden Feueraugen! Welch ein lüsternes Verlangen lächelt nicht in dem ganzen Gesichtchen! Dieser kleine Rosenmund, ist er nicht vom lieben Herr Gott zum Küssen wie geschaffen?

      Hören Sie auf, sagte der feurige Gotthold und packte, um sich in der stillen Liebeswuth wenigstens etwas zu fassen, den Major scherzend beim Arm: Sie können mit Ihren Schilderungen das sehnsüchtige Herz zur Verzweiflung bringen; das Mädchen ist ja ein vollendeter Seraph!

      Bei meiner armen Seele, erwiederte Schnüren: ich kann es unserm gnädigsten Herrn nicht verdenken; wär ich an seiner Stelle, offen heraus, ich machte es um kein Haar anders. Ist es eine Sünde, nun so möchte mir sie Gott verzeihen; aber warum schafft er solche Himmelswesen und macht uns sterbliche  Erdensöhne gegen solche Versuchungen nicht stärker!

      Unserm gnädig – fragte Gotthold, den dunkeln Sinn der Rede halb ahnend, und das Wort erstarb ihm auf der Zunge.

      Der Schmuck, wie Sie ihn da sehen, fiel Schnüren ein, ohne zu thun, als bemerke er Gottholds Ueberraschung, – er ist schön, er ist fürstlich schön, und steht dem Mädchen vortrefflich. Sehn Sie die prächtigen Spangen um dem vollen Oberarm, die funkelnden Steine in den Ohrringen, den zierlichen Geschmack, die Meisterarbeit in dem kunstvollen Blumenstraus, die Verschwendung in dem breiten Leibgürtel; und blitzt der Brillanten-Flimmer des Halsbandes auf dem Marmorbusen nicht wie frisch gefallener Schnee? Und das Diadem! Gräfchen, das Diadem! Seht nur den großen Hauptstein in der Mitte! Spiegelt sich nicht der ganze Ballsaal in diesem Schmucke wieder? Ist es nicht, als sey die Tochter eines indischen Nabobs in all ihrem orientalischen Glanze aufgetreten? Nun, und daß ein solcher Herr Geschenke dieses Werthes nicht umsonst weggibt, das ist wohl an den Fingern abzuzählen.

      Wie denn Geschenke? fragte Gotthold, der mit der gespanntesten Neugierde den Major aus dem Gedränge der Zuschauer in ein Nebenzimmer zog, um über die ihm hingeworfenen Räthsel nähern Aufschluß zu erhalten.

      Schnüren gehörte zu der Sorte Residenz-Menschen, die aus Mangel an Beschäftigung, aus Langweile, den ganzen Tag in der Stadt von Bekannten zu Bekannten umherlaufen, die Kunst, die Leute bis auf den Grund auszufragen, praktisch studiren, daher alles ganz genau zu wissen gegen jedermänniglich behaupten, und sich ein Lieblinggeschäft daraus machen, die eingeholten Nachrichten auf das fleißigste weiter zu verbreiten.

      Schnüren kannte, wie er dem, über seine Mittheilungen immer mehr staunenden Gotthold wiederholentlich betheuern mußte, den Stand der Dinge zwischen Auroren und dem Erbprinzen ganz genau; er hatte überall aus den ersten Quellen geschöpft; das, was man ihm darüber vertraut, mit einander combinirt, und sich daraus ein Ganzes zusammengestellt, das so wahr war, daß er selbst daran glaubte. Der Erbprinz hatte, fuhr Schnüren im vertraulichen Ergusse seiner Rede fort:

      Auroren, die jetzt unstreitig das schönste Mädchen in der Residenz ist, gleich das erstemal, als sie von ihren Gütern in der hiesigen Gegend in die Stadt kam und bei Hofe erschien, mit ungemeinem Wohlgefallen ausgezeichnet und ihr jedesmal, wenn er sie gesehen und gesprochen, eine huldigende Aufmerksamkeit, eine ehrerbietige Achtung bewiesen, wie noch Keiner vor ihr. Bis dahin war er gegen die Huldinnen aller Hofkreise gleichgiltig gewesen; der Eindruck, den Aurora auf ihn machte, war auffallend. Sein Betragen hatte früher zuweilen ein wenig an das Rohe gestreift; die Scherze, die er sich gegen die Damen erlaubte, waren nicht immer die feinsten gewesen, und der ehrenwerthen Mutter deßfallsige Verweise, die sie aber freilich immer nur unter vier Augen, und selbst da mit der möglichsten Schonung laut werden ließ, faßten im Herzen des muthwilligen Jünglings selten Wurzel.

      Aurora – der Erbprinz hatte, einst bei einem Spaziergange, auf dem sie mit mehrerem Gefolge die fürstliche Mutter begleitete, einer alten Hofdame, von der er wußte, daß sie vor allen Insekten und Gewürmen eine  unüberwindliche Scheu habe, einen Maikäfer hinter die Ohren gesetzt; die arme, durch das Krabbeln des Thieres fast bis zum Wahnwitz gepeinigte Person schrie, als stecke sie am Spieße, und fiel in so heftige Konvulsionen, daß einige ältere Herren der Gesellschaft sie in ein nah gelegenes Haus tragen und ärztliche Hülfe holen lassen mußten. Der Erbprinz und zwei unnütze Kammerjunker, mit denen er auf sehr vertrautem Fuße zu stehen schien, wollten sich über den Schwank vor Lachen ausschütten, die übrigen zwangen sich, den komischen Spaß, wie sie die rohe Neckerei nannten, zu belächeln; die Mutter warf auf den Prinzen einen bösen Blick, der ihn aber nicht zu treffen schien; Aurora verzog keine Miene, senkte den Blick zur Erde, sprach den ganzen Spaziergang kein Wort, wich dem Prinzen, der sich ihr einigemal nähern wollte, absichtlich aus, verabschiedete sich, sobald es thunlich war, und schlug vier kurz auf einander folgende Einladungen, nach Hofe zu kommen, unter gesuchtem Vorwande aus.

      Bei dem Besuche, den sie der armen Hofdame abstattete, um sich nach dem Befinden zu erkundigen, ließen einige eben anwesende Frauen vom Hofe dem Zünglein freien Lauf, und es ging über den Prinzen etwas hart her; Aurora schwieg, und als man sie in das Gespräch zu ziehen suchte, äußerte sie in sehr bestimmten Ausdrücken, daß es ihr als Unterthaninn nicht gezieme, des Fürstensohnes Betragen laut zu beurtheilen. Diese unerwartete ernste Antwort schloß der ganzen Gesellschaft den Mund, aber mit diesem Augenblicke entstand auch der erste Verdacht von der Annäherung, die zwischen Auroren und dem Erbprinzen Statt finden müsse, denn nur eine überwiegende Vorliebe für letztern konnte, wie man meinte, den Scharfblick des feingesitteten Mädchens für die unzeitigen Scherze desselben in dem Grade blenden.

      Der Prinz, der in jedem Kreise der Hofumgebungen Menschen hatte, die ihm alles berichteten, erfuhr von diesen Aurorens schonende Aeusserung, und er fühlte sich von der Zartheit ihres Unwillens, den er in ihren Augen und in ihrem, seit jenem Verfalle wahrgenommenen absichtlichen Bestreben, sich vom Hofe und von ihm entfernt zu halten, recht wohl bemerkt hatte, beschämt und bestraft.

      Bei einem Geburtstagfeste im  Hause des Finanz-Ministers, wo Aurora auch zugegen war, erschien der Prinz uneingeladen; die Excellenz schmeichelte sich mit der Idee, daß die ehrende Aufmerksamkeit ihr gelte; der Prinz ließ den Minister bei dem Wahne; sein Besuch galt Auroren, die er da vermuthet hatte; er näherte sich ihr nach aufgehobener Tafel mit der gutmüthigen Frage: ob sie noch auf ihn böse sey; Aurora entgegnete mit einer Verbeugung, wie sie nur die strengste Hof-Sitte vorschreiben kann, daß sie die Frage des Durchlauchtigen Herrn nicht verstehe, und, ihre Stellung im Auge, nur für einen gnädigen Scherz halten könne.

      Der