Spreemann Co. Alice Berend. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alice Berend
Издательство: Public Domain
Серия:
Жанр произведения: Зарубежная классика
Год издания: 0
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haben Sie denn auf einmal alle die Haare her? Für wen putzen Sie sich mit einmal so schön heraus, Sie, Mamsell, Sie?« schrie er plötzlich und schlug auf den Tisch.

      Mamsell Schmidt hatte vor Schreck laut aufgeschrien. Unter einer Flut von Tränen versicherte sie, daß sie die Haare immer besessen hätte. Daß sie sich nur für Herrn Spreemann ein wenig nett zu machen versuche, weil doch niemand gern etwas Unangenehmes sähe. Und weil doch Herr Spreemann sie ohnedies immer anstarre, als wäre ihm garnichts mehr recht an ihr.

      Herr Spreemann schrie, daß man sich bei drei Taler monatlichem Gehalte wohl seine Wirtschafterin ansehen dürfe, so oft es einem passe.

      Aber als Mamsell Schmidt flehte, daß er ihr verzeihen solle und sie wieder genau wie früher aussehen wolle, wenn er es wünsche, wurde er plötzlich sanft.

      Er räusperte sich mehrmals und sagte dann:

      »Meinetwegen lassen Sie den Kram, so wie er ist. Es sieht ja ganz nett aus.«

      Leider regte dies Mamsell Schmidt zu dem Einkauf eines schwarzen Sammetbandes an, woran sie ihr einziges Schmuckstück um den Hals binden wollte. Nämlich das goldne Kreuzchen, das man ihr im Waisenhaus als einziges Erbe ausgehändigt hatte.

      Als sie die duftende Frühlingssuppe, sorgsam bereitet aus allen jungen Gemüsen, auf den Tisch setzte, bemerkte Herr Spreemann Sammetband und Kreuzchen.

      Niemals hätte Mamsell Schmidt geglaubt, daß Herr Spreemann im Beisein eines so herrlichen Suppenduftes derartig wütend werden konnte.

      »Was haben Sie da wieder angerichtet,« schrie er.

      Lieschen dachte im Augenblick nur an die Suppe. Zitternd schnurrte sie das Rezept, eine halbe Seite Kochbuch, fehlerlos herunter, und endigte aufatmend:

      »Dazu ein walnußgroßes Stück Butter und eine Mehlschwitze.

      »Mehlschwitze,« wiederholte Herr Spreemann wütend. »Haben Sie mich nicht zum Narren. Woher das Kreuz, das da herumschwippelt bei jedem Schritt?«

      »Von meinem Papa,« stammelte Lieschen.

      Nichts scheint oft weniger wahrscheinlich als die Wahrheit.

      Da Herr Spreemann um Lieschens Waisenschaft wußte, konnte ihn diese Antwort nicht zufriedenstellen.

      Er erhob sich mit einem Ruck.

      »Mit den Spitzen und Löckchen sind auch sofort die Lügen da,« schrie er und sah mit dem Ausdruck des höchsten Abscheus auf die hübschen Haarpuffen, die heute gerade besonders gut geraten waren.

      Dann rannte er, ohne das Essen auch nur anzusehen, zurück in den Laden.

      Hier schreckte er den Lehrling auf, der als einziger Ladenhüter in der Sicherheit mittäglicher Ruhe auf dem Kontorstuhl saß und Herrn Spreemanns Pfeife rauchte.

      Spreemann gab ihm eine Ohrfeige und riß ihm die Pfeife aus dem Mund. Der Junge heulte.

      Wer sich nicht an die übliche Zeiteinteilung hält, macht sich und seinen Mitmenschen Verdruß . . .

      Spreemann erkletterte den hohen Kassenstuhl, der rund und drehbar war wie die Welt. Er schlug das Hauptbuch auf, das ihm keine unangenehme Lektüre geboten hätte, aber er sah nicht hinein. Seit ihm sein Vater den ersten Anzug bestellt hatte, war kein Tag mehr ohne Mittagbrot vergangen. Sein Magen knurrte.

      Er rief nach dem heulenden Jungen und befahl ihm, eine Tasse heißen Kaffee mit Sahne und Kuchen aus der nächsten Konditorei zu holen. Der Junge lief.

      Nun war es wenigstens um ihn herum ruhig. In seinem Innern tobte es noch.

      Er sah von seinem hohen Sitz auf den Platz hinaus. Da pflasterten sie. Steinchen nach Steinchen reihten sie nur und kamen doch vorwärts. So wie er Geldstück für Geldstück beiseite gelegt hatte. Er fühlte einen Stich in dem heilenden Zeh und mußte plötzlich an den toten Herrn Hirschhorn denken. Was hatte er gesagt?

      »Sie sollten einen Sohn in der Wiege haben? Eine neue, eine große Zeit wird kommen.«

      Etwas, was erst kommen sollte, war eine unsichre Sache. Dafür gab Spreemann nichts. Aber er dachte an sein Geld, das schon da war. Wer sollte es einmal kriegen? Wenn man so sah, wie jemand, der von einer ganzen neuen Zeit gesprochen hatte, einen Augenblick später wegrasiert war, konnte man sich schon allerlei Gedanken machen. Sollte er nur gelebt haben, um Ziehlkes Enkel zu mästen? Oder Tante Karolines Kinderkinder? Denn schließlich würde sie wohl welche erreichen. Ein Verwundeter ist rasch verlobt. Ein Gesunder überlegt sich dergleichen ganz anders.

      Der heiße Kaffee kam. Mit vorzüglicher Sahne. Das schmeckte. Feuer rannte ins Blut.

      Spreemann fühlte, wie jung er noch war. Er würde einfach zugreifen und heiraten.

      Mit Behagen stellte er sich die Gesichter seiner Tanten vor, wenn er ihnen eine hübsche Braut präsentieren würde. Es war schade, daß er nicht schon zu gleicher Zeit in jedem Arm einen Erben halten konnte. Damit sie begriffen, daß sie sich das Mehl für ihre Enkel selber mahlen mußten. Auch Aufruhr steckt an, nicht nur Gähnen.

      Die Ladentür klingelte und Spreemann verbeugte sich.

      Frau Jung mit ihrer Jüngsten kam herein. Womit nicht gesagt ist, daß diese Jüngste auch jung war. Ein einzelnes Wort kann nicht alle Wahrheit enthalten.

      Mit dem breiten Lächeln, das der neue Entschluß auf sein Gesicht gepflanzt, fragte Spreemann nach dem Begehr der Damen.

      Frau Jung wünschte einen Sommerstoff für ihr Töchterchen. Vielleicht einen Musselin mit Rosen.

      Herr Spreemann bauschte einen Musselin mit Rosen auf, versicherte, daß er die Damen vollkommen befriedigen werde, und kondolierte zu dem Verlust der reizenden Täubchen.

      Frau Jung dankte und sagte, daß die Tauben den Schaden schon wieder wett gemacht hätten.

      »Es ist ja Frühling,« fügte sie hinzu und bat Herrn Spreemann, den hübschen Stoff einmal ihrer Tochter um die Schultern zu legen.

      Herr Spreemann tat es. Vorsichtig, mit gespreizten Fingern.

      »Unsre Tauben girren jetzt so süß,« sagte die Jüngste. »Sie sollten einmal zu Papa kommen, Herr Spreemann.«

      Herr Spreemann überhörte den Sinn der Worte. Er dachte im gleichen Augenblick, daß sich bei Mamsell Schmidt alles viel rundlicher bauschte.

      Daher sagte er:

      »Mit weißen Spitzenrüschchen an Hals und Ärmeln müßte es reizend sein.«

      Die Jüngste legte den Kopf nachdenklich auf die Seite. Dabei glitt ihre Haut über Herrn Spreemanns Fingen spitzen, die den Stoff hielten.

      Herr Spreemann zuckte zusammen. Die Jüngste bemühte sich zu erröten und lächelte.

      Auch Herr Spreemann lächelte.

      Ihm war etwas Kurioses eingefallen. Er dachte, wenn sich solch altes Mädchen noch so weich anfühlte, dann . . .

      Und wieder sprangen seine Gedanken zu der Stelle, wo das goldne Kreuzchen heute gehangen hatte. Sapperlot. Man lernt nicht aus.

      Der Musselin mit den Rosen wurde gekauft.

      Und nun hatte Herr Spreemann einstweilen keine Zeit mehr für Privatgedanken. Die Ladentür klingelte ohne Unterbrechung, und Geld und Schere klapperten.

      In der Dämmerstunde kam Herr Kreisrat Giesecke. Er wollte nur ein Troddelchen für seinen Schlafrock. Ein haltbares, in der Farbe passendes Quästchen. Das ein langes Kramen und Wählen erforderte.

      Denn der Herr Kreisrat wollte in Wirklichkeit etwas andres herausholen.

      Man war nicht blind. Man hatte bemerkt, wie niedlich sich Mamsell Schmidt herausgemacht hatte. Ganz als ob eine Madame Spreemann aus ihr werden sollte. Frau Kreisrat war aufs heftigste beunruhigt.

      Heute aber hatte Mamsell Lieschen gar geweint am Brunnen. So viel Kreisrats Anna herausbekommen hatte, zweifelte Mamsell Schmidt an Herrn Spreemanns Verstande.

      Frau Kreisrat triumphierte. Sie hatte es immer gewußt. Wer mit seiner Haushälterin schön tat, obwohl ihm selbst gute Beamtenfamilien eine ihrer Töchter anvertrauen